Chilly Gonzales and his new album “Gonzo” | EUROtoday

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Kurz vor Schluss unterbricht Chilly Gonzales sein kleines Konzert, er möchte Fragen zulassen. In welcher Stimmung, will eine Frau wissen, schreibe er Songs? Traurig, denn einige seien ja melancholisch? Oder gerade nicht, denn viele steckten ja voller Energie? Der Mann am Klavier überlegt und schreit dann nur ein Wort: „Ungemütlich!“ Und dann haut er wieder in die Tasten. Spielt seinen Hit „Knight Moves“, im Kern ein atemberaubend schnelles Ostinato. Tanzbar, cool, mitreißend. Die Leute jubeln.

Und sie denken über ein deutsches Wort nach. Das passt. Denn dieser Kanadier, der seit Jahren in Köln lebt, erklärt uns zurzeit unser Land. Seine neue Single heißt „I.C.E.“, vom Fenster des Schnellzugs aus philosophiert da einer über seine Wahlheimat: „Was steckt unter dem Dirndlkleid? Einigkeit, Disziplin und Fleiß. Und Billigfleisch.“ Und am Ende: „Dieses Lied ist ein Liebesbrief. An die Bundesrepublik.“ In der Nummer „F*ck Wagner“ lässt er seine Wut auf den offen antisemitisch eingestellten Komponisten raus: „What a motherfucking monster! Fuck him and his Nazi granddaughter!“ Später im Interview erklärt er, dass sein (jüdischer) Vater ihn schon als 16-Jährigen nach Bayreuth geschleppt habe. Und dass er, Chilly, den „Ring des Nibelungen“ liebte (das war die berühmte Harry-Kupfer-Inszenierung von 1988, Barenboim dirigierte). Deutsche Widersprüchlichkeit. Neu gefühlt von einem Expat.

Die Geburt zweier Popstars

Das alles funktioniert aber nur so gut, weil die Musik so gut ist. Gonzales ist Pianist, aber auch versierter Produzent elek­tronischer Sounds, er singt, er rappt, manchmal neuerdings auch auf Deutsch, und er ist ein Witzbold auf der Bühne. Das kleine Konzert im Berliner Dussmann Kulturkaufhaus, bei dem er diese Woche vor knapp 150 Gästen sein neues Album „Gonzo“ vorstellte, war eigentlich Ausnahme und Glücksfall. Sonst spielt dieser Mann vor 3000 bis 5000 Menschen. Etwa auf seiner Tour im Dezember, die schon jetzt fast ausverkauft ist. In großen Sälen stürzt er sich dann gern in die Menge, lässt sich auf Händen tragen, singt dabei aber per Funkmikro einfach weiter. Alles im Bademantel, seinem Markenzeichen.

Dabei ist vieles an Gonzales und seiner Show eigentlich ganz ernst. „Ich möchte, dass ihr euer Land durch meine Augen neu seht“, sagt er. Oft sei er gefragt worden, was er bloß in Köln wolle. „Die Deutschen vergessen gern, dass es ein gutes Land ist.“ Die Geschichte von Chilly Gonzales beginnt in Berlin. 1998 in einem illegalen, namenlosen Kellerclub. Jason Beck, so heißt er bürgerlich, hat seinen Künstlernamen noch nicht erfunden. Er ist 25 Jahre alt, hat seine Heimat Kanada gerade verlassen und will sich nun in Paris niederlassen. Aber seine Kollegin Merill, mit der er reist, sagt: Wir müssen erst nach Berlin. Dort landen die beiden auf der Kellerparty, trinken, fragen den Barkeeper, ob sie hier irgendwann mal Musik machen können, und bekommen zur Antwort: „Warum nicht sofort? Fangt an!“ Sie spielen, die Nacht wird eine rauschende Party, es sind auch Leute vom Plattenlabel Kitty-Yo da, die beiden zugereisten Künstler werden quasi sofort unter Vertrag genommen. Sie gibt sich später den Namen „Peaches“, er nennt sich „Chilly Gonzales“. Beide bleiben in Berlin. Zwei Popstars sind geboren.

Jedes Jahr etwas anderes

Gonzales wird mehr als 20 eigene Alben herausbringen, eines davon mit dem Pulp-Frontmann Jarvis Cocker, ein anderes mit dem Techno-Urgestein Richie Hawtin. Er schreibt und produziert für Leslie Feist, spielt auf „Random Access Memories“, dem erfolgreichsten Daft-Punk-Album. Geht mit dem Rapper Drake ins Studio. Er macht jedes Jahr etwas anderes, mal Solo-Piano, mal Rap oder Club-Sound, mal beißende Klavierballaden. Aber alles trägt immer eine Chilly-Gonzales-Handschrift: Es muss Spaß machen. Wenn er sogenannte Masterclasses gibt, kleine Seminare für andere Musiker, sagt er: „Einen guten Song kann man mit zwei Fingern spielen.“ Das soll heißen: Was in seiner Essenz funktioniert und mitreißt, ist unschlagbar. Dazu spielt er das Da-da-da-daaa aus Beethovens Fünfter am Klavier.

Aber immer wieder wird dieser scheinbare Brachialkünstler lyrisch, improvisiert live gern lange Solostücke am Klavier, da treffen sich sozusagen Mendelssohns „Lieder ohne Worte“ mit Billy Joel und französischem Chanson. Immer wieder mal klingt es etwas nach Erik Satie, dem spätromantischen Komponisten der vorletzten Jahrhundertwende. „Satie hat instinktiv gedacht wie später die besten Popstars“, sagt Gonzales. „Er formuliert seine Melodien mit wenig Tönen, lässt viel Raum frei. Das passt auch zu unserer Zeit. Eher als Brahms oder Debussy, bei denen die Musik dicht und voll klingt.“

Im Interview sinniert Gonzales darüber, dass Musik eine Seele brauche, eine platonische Idee hinter dem Sound, in dem sie zufällig produziert wurde. Oder darüber, dass ihn eigentlich nur Rap wirklich bewege; dass er Ironie hasse, das Stilmittel von vorgestern. „Ich könnte auch so ein höflicher Pianist sein, wie sie heute so populär sind. Aber es geht nicht“, sagt er. „Ich muss das machen, was mein Unbewusstes ausspuckt.“

Was es ausspuckt, hat ein paarmal den Pop Europas geprägt. „Knight Moves“ nimmt schon 2010 den Klang der heute so erfolgreichen deutschen Band Grandbro­thers vorweg, seine Platte „Solo Piano“ von 2004 gleich die ganze Szene der sogenannten Neoklassik. „Als das Internet aufkam, gab es plötzlich ganz neue Freiheiten für Künstler. Jedenfalls kurz. Und dann hat der Kapitalismus uns wieder eingeholt, er hat uns die Spotify-Playlists auf den Hals geschickt.“ Diese Listen, die der Streamingdienst immer wieder veröffentlicht, tragen Namen wie „träumerisches Piano“ oder „Yoga-Musik“. Viele Musiker schreiben heute nur für diese Listen, sagt Gonzales. „Das zerstört die Kreativität. Du darfst nicht vorher schon wissen, wem du gefallen willst. Wahre Kunst ist brutal und kompromisslos.“

Ein neuer Grönemeyer?

Nun also ein neues Album. Zum ersten Mal nach zehn Jahren schreibt Chilly Gonzales wieder Texte, es ist viel gnadenlose Selbstreflexion drin, „ich bin halb Vampir, schreie ins Kissen“, heißt es, er rappt von seiner Therapie oder von dünnen Joints, von misslungenem Sex oder dem Deutschen in ihm selbst (etwa mit der schönen Zeile: „Ich bin Punk – ich bin pünktlich“). In der Musik stecken viel ­Groove, viele fette Bässe, auch mal ein Streichquartett, und immer wieder wundert man sich, wie gut er am Klavier ist, rhythmisch genau, schnell, jazzig.

In Cologne, he not too long ago campaigned for Richard Wagner Street to be renamed Tina Turner Street to honor one other well-known Cologne resident. This is little greater than a PR stunt that has no likelihood of success, though the petition has 15,000 signatures. But an nameless road artist not too long ago put up a deceptively actual signal there: Tina Turner Street. Gonzales found it by likelihood whereas out strolling. “In Paris or New York, it would be taken down immediately. But the Cologne police are letting it go. How cool is this city!”

After Grönemeyer and Westernhagen, this nation was lengthy missing its personal large pop star, with lyrics in regards to the German zeitgeist, clever however not dogged, profound however not too severe. Now he's right here, and we lastly know: He's a Canadian who by no means desires to go away Cologne once more. He raps in German with an accent. A shock, with a moustache, bathrobe and a gold chain that's far too huge.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/pop/chilly-gonzales-und-sein-neues-album-gonzo-19997067.html