How kinfolk discover a good nursing house | EUROtoday

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Der Familie fiel es als letztes auf. Klar, Mutter Witteck erzählte weniger, aber geschwätzig war sie nie gewesen. Erst als sie gestand, ihr Auto seit Tagen nicht mehr finden zu können, begann den Angehörigen zu dämmern, was Sache war: dass sie nicht mehr allein klarkam. Eine erste Lösung mit Pflegedienst, Hausnotruf und Essen auf Rädern erwies sich innerhalb von nur neun Monaten als nicht tragfähig. Der Pflegedienst konnte in den zwei Stunden täglich die kritischen Situationen, die sich zu häufen begannen, nicht allein bewältigen. Und der Essensdienst brachte zwar das Essen, stellte es auch in die Mikrowelle, gegessen wurde es trotzdem nicht. Billig war die Versorgung mit insgesamt 13.300 Euro auch nicht. „Krankenkasse und Beamtenbeihilfe haben insgesamt etwa ein Viertel übernommen“, sagt Stefan Witteck*. „Da waren wir ja auch noch in einem niedrigen Pflegegrad.“

Mehrere Lösungen wurden diskutiert: Für eine 24-Stunden-Pflege hätte es wegen der ungeeigneten Maisonettewohnung mit Wendeltreppe eines Umzugs bedurft. Nicht unlösbar, denn immerhin wohnte man ja nicht allzu weit voneinander. Auch dies sei ein großer Vorteil gewesen, sagt Witteck. „Ich weiß nicht, wie man das bewältigen soll, wenn man 300 Kilometer entfernt wohnt.“

Die Fremde zu Hause

Zumal die 24-Stunden-Pflege auch nicht ohne Tücken ist. So gilt für Pfleger deutsches Arbeitsrecht mit Pausenzeiten und Urlaub. Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung erfolgt dann durch mehrere sich abwechselnde Pflegekräfte. Gerade bei verwirrten Menschen kann ein solches privates Mini-Pflegeheim eine schlechte Lösung sein. Gedächtnisverlust und Veränderungen im Gehirn können Stress und Angst hervorrufen, heißt es etwa vom Alzheimer’s Project. Gleichbleibende Routinen können Verhaltensweisen wie Aggression, Ruhelosigkeit und Erregung verringern. „Ich bin skeptisch, dass von einem Pflegedienst vermittelte Pflegekräfte dies bei allem guten Willen gewährleisten können“, sagt Witteck. Zumal nicht jede Seniorin auf „die Fremde“ zu Hause positiv reagiert.

Die Verschlechterung des geistigen und körperlichen Zustands machte heimische Pflegelösungen im Fall von Frau Witteck am Ende ohnehin obsolet, vor allem weil sie aufgrund einer „Weglauftendenz“ immer wieder verschwand. Diese Weg- und Hinlauftendenzen sind bei Demenzkranken häufig, weil Aktivität ihre Zielgerichtetheit verliert oder weil sie die verlorene Geborgenheit „zu Hause“ suchen – was nicht immer die letzte Wohnung sein muss.

Problem „Weglauftendenz“

Nicht jedes Seniorenzentrum ist darauf eingerichtet. Das mussten auch die Wittecks erfahren. Man sei auf Demenzpatienten mit Weg- und Hinlauftendenz nicht eingestellt, hieß es von der eigentlich optimal gelegenen Einrichtung, Frau Witteck könne nicht bleiben.

Für Seniorenzentren sind die Fälle schwierig. Das Abschließen der Stationstür etwa gilt als freiheitsentziehende Maßnahme. Diese können nur individuell und auf richterliche Anordnung erfolgen. In den Heimen behilft man sich mit simplen Lösungen: schwere Türen mit Öffnungsalarm oder auch ein Codeschloss. Der Code steht dann direkt daneben – für viele Demenzpatienten schon unüberwindbar.

Gefallen habe die Heimunterbringung niemand, sagt Stefan Witteck, es habe aber kein Weg daran vorbeigeführt. Die Weglauftendenz war eines der wichtigsten Dinge, die es bei der Wahl des Heims zu beachten galt. An Einrichtungen ist im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet kein Mangel. Auch in vielen kleineren Orten sind mittlerweile Einrichtungen unterschiedlicher Größe entstanden. Eine sei von fast familiärer Größe gewesen, gelegen in einem Wohngebiet. Doch gab es keinen Außenbereich, und insgesamt ergab sich ein Eindruck von Enge. Angesichts der Weglauftendenz war auch die Nähe der Durchgangsstraße ein Gegenargument.

Viel Aktivität oder wenig?

Wichtig gewesen sei vor allem der Eindruck bei der Besichtigung, sagt Stefan Witteck. Wenn man seine Angehörigen nicht mit einem guten Gefühl in ein Pflegeheim bringe, ergebe das keinen Sinn. Über einige Zentren habe man auch Negatives gehört oder gelesen. Meist sei dann auch der persönliche Eindruck nicht der allerbeste gewesen. Auseinander gingen die Meinungen beim Thema Aktivität. Ein Teil der Familie war der Ansicht, dass es viel Aktivierung durch entsprechende Angebote brauche, ein anderer fürchtete Überforderung.

Am Ende fand man einen guten Mix. Spontan sei er mit seiner Frau in eines der Heime hingefahren, berichtet Witteck, auch um die Reaktion zu testen. Dort habe man sich für sie Zeit genommen, sie herumgeführt und erklärt, was man mit den Bewohnern alles so mache – von Gottesdienst über Bingo bis zum Backen. „Im Gemeinschaftsbereich roch es gerade nach Waffeln, vielleicht war das ja ausschlaggebend“, lacht Witteck. Aber auch das Vorhandensein eines geschlossenen Gartens und die Ortsrandlage seien Pluspunkte gewesen. Für alle Fälle ließ man sich auf die Warteliste setzen, und schon drei Tage später war ein Zimmer frei. Ein verkehrstechnisch günstiger gelegenes Heim konnte dagegen nichts versprechen. Weil Eile geboten war und das andere Zentrum überzeugte, wurde die Mutter dort untergebracht.

Unterkunft, Verpflegung – und der „EEE“

Hilfreich sei bei der Auswahl auch der Pflegefinder des BKK-Dachverbands im Internet gewesen. Hier finden sich die externen und internen Bewertungen der Heime – und ihre Kosten. Diese können sehr unterschiedlich sein. Die Pflegekassen zahlen für die pflegerische Tätigkeit und medizinische Behandlungen im Rahmen der Pflege sowie die allgemeine Betreuung. Kosten für Unterkunft und Verpflegung müssen selbst getragen werden, dazu der sogenannte einrichtungseinheitliche Eigenanteil (EEE).

Dieser wurde 2017 eingeführt, weil zuvor die Eigenanteile mit steigender Pflegebedürftigkeit immer höher wurden. Dies hatte dazu geführt, dass trotz umfangreicherer Pflegemaßnahmen Neubegutachtungen verwehrt wurden. Der EEE ist die Differenz zwischen Leistung der Pflegekasse und dem Pflegesatz der Einrichtung. Dieser wiederum hängt vom Grad der Pflegebedürftigkeit der Bewohner ab und wird zwischen Trägern des Heims, Pflegekassen und Sozialhilfeträgern vereinbart. Zum EEE und Kost und Logis kommen noch die Investitionskosten hinzu, ein Beitrag zu Instandhaltung oder Modernisierung der Einrichtung.

Enorme regionale Unterschiede

Im Bundesdurchschnitt betrug der EEE nach Daten des Verbands der Ersatzkassen zu Jahresbeginn 1377 Euro im Monat, für Unterkunft und Verpflegung waren 921 Euro aufzuwenden und für die Investitionskosten 485 Euro. Summa summarum lag damit die Eigenbeteiligung bei 2783 Euro brutto im Monat. Dies wird durch Zuschüsse gemildert, die mit der Dauer des Aufenthalts steigen. Im ersten Jahr sind es 15, ab dem dritten Jahr 75 Prozent. Auf diese Weise sinkt die Eigenbeteiligung im Bundesdurchschnitt von 2576 Euro netto im ersten Jahr auf 1750 Euro ab dem dritten Jahr des Aufenthalts.

Die regionalen Unterschiede sind jedoch enorm. Der EEE liegt in Baden-Württemberg bei durchschnittlich 1716 Euro, in Hamburg sind es nur 1096 Euro. Unterkunft und Verpflegung sind mit 1193 Euro in Nordrhein-Westfalen am teuersten, in Sachsen-Anhalt werden im Durchschnitt nur 60 Prozent dieses Betrages fällig. Der Investitionskostenbeitrag liegt zwischen 313 Euro in Brandenburg und 587 Euro in Nordrhein-Westfalen. Per Saldo sind Pflegeplätze in Baden-Württemberg mit 2917 Euro im ersten Jahr am teuersten, am billigsten ist Sachsen-Anhalt mit 900 Euro weniger.

260.000 Euro in sechs Jahren

Aber auch von Zentrum zu Zentrum, innerhalb einer Region, sind die Kosten sehr unterschiedlich. Der Eigenanteil im preiswertesten Heim, das man sich angeschaut habe, liege aktuell bei 70 Prozent dessen, was im teuersten fällig werde, sagt Witteck. Ein System habe er nicht feststellen können. Kleinere Häuser seien tendenziell vielleicht etwas teurer, aber keine Regel ohne Ausnahme.

Kürzlich hat Witteck einmal Bilanz gezogen. Nach etwas mehr als sechs Jahren haben sich die Heimkosten auf insgesamt rund 260.000 Euro summiert. Das täuscht insofern, weil die gesetzliche Krankenkasse im Fall der Wittecks nur die Hälfte der Pflegekosten übernimmt. Die andere Hälfte wird von der Beamtenbeihilfe getragen. Unter dem Strich blieben etwas mehr als 100.000 Euro. Wer indes heute einen Angehörigen in Pflege gibt, muss für denselben Zeitraum wohl eher mit dem Doppelten rechnen. Im Bundesdurchschnitt ist die Eigenbeteiligung seit 2018 um rund 40 Prozent gestiegen, am stärksten mit rund 75 Prozent der EEE.

Witteck ist dankbar, dass seine Mutter eine Witwenpension bezieht. Er sei sich nicht sicher, wie Familien mit geringerem Einkommen das stemmen könnten. Selbst müsse man schon ein bisschen auf die Liquidität achten, weil man den von der Beihilfe getragenen Anteil erst einmal vorstrecken müsse, auch wenn diese einen monatlichen Abschlagsbetrag zahle. Der liege aber natürlich immer unter den tatsächlichen Kosten, weil er erst nach der alle sechs Monate erfolgenden Abrechnung erhöht werde. Zu den großen Kostenblöcken kommen noch andere hinzu: mal die Physiotherapie, mal der Friseur, aber auch ein Ausbildungsbeitrag und die zusätzliche Betreuungsleistung wie das Backen, Malen und ähnliche Dinge. Das seien im Vergleich aber recht kleine Beträge, die zudem zum Teil von der Beihilfe übernommen würden.

Die Kosten seien sicher wichtig, vor allem natürlich, wenn die Mittel nicht ausreichten, meint Witteck. Aber wichtiger sei am Ende, dass Bewohner und Angehörige zufrieden seien. Sie hätten nie bereut, genau diese Einrichtung ausgesucht zu haben. Die Corona-Zeit sei schwierig gewesen. Lange gab es ein Besuchsverbot, aber immerhin auch so gut wie keine Infektionen. Seine Mutter habe sich am Ende bei einem Krankenhausaufenthalt angesteckt. Das Zentrum habe je nach Lage Besuche ermöglicht: im Garten oder wenigstens durch eine Glasscheibe. Sogar eine Teststation wurde eingerichtet. Nach der Öffnung seien Anspannung und Personalmangel spürbar gewesen, mittlerweile habe sich vieles eingerenkt.

Mit einigen Pflegern habe man einen guten Kontakt. Besonders beeindruckt habe ihn, dass seine Mutter in einem Pflegeexamen Prüfungsgegenstand gewesen sei. „Ich weiß nicht, ob das üblich ist. Aber ich finde es gut, wenn darauf Wert gelegt wird zu zeigen, dass auch demente Bewohner Menschen mit eigenen Biographien sind“, sagt Witteck und berichtet von dem ehemaligen Oberarzt, der keinen Satz mehr habe zu Ende sprechen können. Wenn Geld und Vermögen ausreichten, seien die Kosten kein Argument. „Dabei heißt teuer nicht gut, und gut muss nicht teuer sein.“ Und werde das Vermögen aufgezehrt, dann sei es eben so. „Es ist immer noch das Geld meiner Mutter.“

https://www.faz.net/aktuell/finanzen/pflege-wie-angehoerige-ein-gutes-pflegeheim-finden-19987824.html