Polish broadcaster OFF Radio Krakow stops AI experiment | EUROtoday

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Sie heißen Emi, Kuba und Alex, sie sind 20, 22 und 23 Jahre alt, studieren Journalismus, Akustiktechnik und Psychologie, und sie waren neu im Sender „OFF Radio Krakau“. Sie moderierten täglich zwei Stunden, gestalteten einmal in der Woche ein Musikprogramm und führten exklusive Interviews mit Promis aus Politik und Kultur. Doch gibt es die drei hoffnungsvollen Nachwuchsmoderatoren gar nicht wirklich, vielmehr wurden sie geschaffen durch Künstliche Intelligenz (KI). Der Chefredakteur des kleinen Senders, Marcin Pulit, sprach von einer großen Chance für Medien und Journalismus und hoffte, im Radio endlich (wieder) die Generation Z, also junge Leute, zu erreichen.

Die Hörerzahlen stiegen, zunächst

Das gelang zumindest für den Moment, denn das als „Forschungs- und Medienexperiment“ deklarierte Vorhaben hatte zunächst Erfolg: Die Hörerzahlen stiegen, was wohl vor allem dem Experiment selbst geschuldet war. Zugleich erhob sich massiver Protest, zunächst von (realen) Beschäftigten und einstigen Mitarbeitern. In einem offenen Brief verwiesen sie darauf, dass erst Anfang September ein Dutzend „angesehene und erfahrene Journalisten, Künstler und Musiker“ ihre Arbeit bei dem Sender verloren hatten. Hinzu kam: „Künstliche Kreationen sollen über Kultur und Kunst, soziale Themen, Bürgerrechte und die Bedürfnisse queerer Menschen sprechen“, schreibt der Initiator des Briefs, der einstige Mitarbeiter Mateusz Demski. Solche Fragen erforderten „besonderes Einfühlungsvermögen und Sensibilität“.

Dass es daran fehlte, zeigte unter anderem ein „Interview“, das KI-Moderatorin Emi mit der polnischen ­Literaturnobelpreisträgerin Wisława Szymborska geführt hatte. Stimme und Aussagen der Lyrikerin ließ der Sender ebenfalls KI-generieren. So nahm sie etwa Stellung zur aktuellen Nobelpreisverleihung, die sie gar nicht kennen konnte, weil sie 2012 verstorben war. Der polnische Autor Remigiusz Grzela bezeichnete die Aktion als eine „Schande“ und „Verspottung“ Szymborskas. Sie sei eine oft widersprüchliche, ironische und extrem intelligente Person gewesen. Jetzt aber habe „eine Journalistin ohne Persönlichkeit und Intelligenz eine langweilige, nette alte Dame interviewt, die für alle und alles ein Lächeln übrighat“. Das müssten dann jedoch echte Menschen anhören – und keine Bots.

„Was soll das Experiment zeigen?“

„Was soll dieses Experiment irgendjemandem zeigen?“, fragte der Schriftsteller Jakub Żulczyk. „Welchen gesellschaftlichen Wert soll so ein Radio haben?“ Die Entscheidung sei skandalös, zumal es sich um einen öffentlich-rechtlichen Sender handele. Auch unter den Zuhörern regte sich Protest. „Erschreckend“ und „komplette Zeitverschwendung“, lauteten Kommentare unter Beiträgen. Mateusz Demski wiederum initiierte auch eine Petition, die im Internet mehr als 20.000 Unterzeichner fand. Sie appellierten, zu einem Radio, das die Hörer kennen, zurückzukehren. Das wirkte dann schneller als gedacht: Nach nur einer Woche beendete der Sender nun das Experiment.

Chefredakteur Pulit widersprach Darstellungen, wonach Mitarbeiter wegen der KI ihre Jobs verloren hätten. Vielmehr habe der Sender, den es seit zehn Jahren gibt, sein Programm und Publikum analysieren lassen. Die Reichweite habe „nahe null“ gelegen. Das sei die Grundlage für das Experiment gewesen. Und er finde, es habe die Debatte über Chancen und Risiken der KI im Rundfunk bereichert. OFF Radio Krakau sendet indes weiter – allerdings nur noch Musik.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/polnischer-sender-off-radio-krakau-stoppt-ki-experiment-110090937.html