Trench warfare is raging in each German PEN associations | EUROtoday

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Dreiundachtzig zu zweiundachtzig Stimmen ist zwar eine Mehrheit bei einer Abstimmung, aber das Ergebnis dokumentiert eine tiefe Spaltung. Erzielt wurde es am vergangenen Sonntag auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung von PEN Berlin, die allein der Frage gewidmet war, welchen Resolutionsantrag die Autorenvereinigung annehmen sollte: einen von 28 ihrer Mitglieder formulierten namens „Zur ­Tötung von Journalist:Innen und ­Autor:Innen sowie zur Zerstörung des kulturellen Leben in Gaza und im Libanon“, einen von acht Mitgliedern ein­gebrachten mit dem Titel „Schutz von Journalist:Innen und Pressefreiheit in Bezug auf den Krieg in Gaza“ oder einen dritten: „Für den Schutz von Schriftsteller:Innen und Journalist:Innen im aktuellen Nahostkonflikt“.

Der erste ging ­kritisch mit der Kriegsführung Israels um, der zweite nahm eher die israelische Position ein, der dritte bemühte sich um Vermittlung, indem er Formulierungen aus den beiden anderen übernahm, unter anderem aus dem ersten eine namentliche Aufzählung von vierzehn Toten „aus den Reihen derer, die Prosa oder Lyrik schreiben“.

Durchgesetzt hat sich nach dreistündiger Debatte der dritte Antrag (am Schluss gegen den ersten). Dass der Kompromiss die Polarisierung innerhalb von PEN Berlin nicht vermindert, zeigt neben dem knappen­ Ab­stimmungsergebnis auch die Tat­sache, dass sieben von den acht An­tragstellern, die den zweiten Entwurf eingebracht hatten, nun eine „öf­fentliche Distanzierung“ vom beschlossenen Text unterschrieben haben. Insgesamt taten das 24 Mitglieder von PEN Berlin, darunter Yevgeniy Breyger, Alexander Estis, Anne Lepper, Marko Martin, Ronya Othmann und Stephan Wackwitz. Die Resolution lege „eine Solidarisierung auch mit Autor:Innen nahe, die gegen Jüd:innen gehetzt haben und/oder als Propagandist:innen des Terrors von Hamas und Hisbollah tätig waren“. Solche Menschen, „die sich lautstark an der Dehumanisierung der anderen Seite beteiligten, waren nie unsere Kolleg:innen, sie genießen nicht den Schutz der PEN Charta“.

Vorwurf der „rasenden Orientierungslosigkeit“

Auf der anderen Seite kursiert unter den Befürwortern der auch nicht angenommenen israelkritischen Resolution mittlerweile ein von dem dabei federführenden Schriftsteller Per Leo verfasster Entwurf eines Austrittsschreibens. Darin wird PEN Berlin vorgeworfen, der Verein werde „derzeit so dreckig geführt wie eine politische Partei“, was sich vor allem gegen das aus der Publizistin Thea Dorn und dem Journalisten Deniz Yücel gebildete Sprecherduo richtet: Es verbinde „rasende Orientierungs­losigkeit mit einem höchst vitalen Willen zur Macht“. Man kann sich bei ­diesem rhetorischen Furor kaum vorstellen, dass viele Adressaten des Rundbriefs weiterhin PEN Berlin angehören wollen. Zu den Unterstützern von Leos Antrag zählte einiges an Prominenz: darunter Omri Boehm, Deborah Feldman, Daniel Kehlmann, Eva Menasse und Mithu Sanyal.

Damit steht die erst vor zwei Jahren als Alternative zum Deutschen PEN-Zentrum gegründete Vereinigung nun selbst vor der Spaltung. In dem vorformulierten Austrittsschreiben wird der Kreis der Antragsteller des gescheiterten Resolutionsentwurfs als „Gruppe“ bezeichnet – eine Betitelung, die jetzt auch 21 Mitglieder des alten PEN-Zen­trums gewählt haben, um sich – noch – im Rahmen ihrer Organisation zu konstituieren: als „Gruppe Leipzig“.

Deren Angehörige beklagen mangelnde Repräsentation von Ostdeutschen und damit auch von deren Anliegen im Vorstand des in Darmstadt angesiedel­ten PEN-Zentrums. Die Gruppe hat bereits zwei eigene Sprecher gewählt, Benedikt Dyrlich und Kathrin Aehnlich, und will den „ständigen Austausch unter allen Mitgliedern des PEN und deren Vereinigungen in Deutschland“ pflegen – also auch mit PEN Berlin, der mit seiner vor den diesjährigen Landtagswahlen in den drei betroffenen ostdeutschen Bundesländern durchgeführten Gesprächsreihe „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ viel Aufmerksamkeit und Sympathie gefunden hatte.

Umso bedauerlicher ist die absehbare Selbstzerfleischung im jewei­ligen Richtungsstreit. Der Ost-West-Konflikt im PEN-Zentrum ist nicht neu, hatte aber noch nie solche Folgen. Und bei PEN Berlin scheinen die Gräben mittlerweile unüberbrückbar. In beiden Fällen wird die vorbildlich geleistete eigentliche Arbeit – die Unterstützung wegen ihrer Tätigkeit gefährdeter Autoren weltweit durch den PEN – mehr als bloß behindert. Zu viel Energie fließt in die Grabenkämpfe.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/in-beiden-deutschen-pen-vereinigungen-toben-grabenkaempfe-110165778.html