Construction begins for interim theater in Nuremberg Nazi constructing | EUROtoday
Baustart für einen Kulturbau, der einen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag kostet – das dürfte in den nächsten Jahren hierzulande eine Seltenheit werden. In Berlin muss die Sanierung der Komischen Oper aufgrund der Haushaltsnotlage als faktisch abgebrochen gelten, in Stuttgart werden sie so lange über die Sanierung der Oper schwätzen, bis die erwarteten Kosten die Zwei-Milliarden-Grenze überschritten haben und sich das Projekt politisch von selbst erledigt hat; in Frankfurt ruinieren die Stadt und das Land Hessen die geniale Idee eines Kulturcampus rund um einen Neubau der Musikhochschule mit Schwarzer-Peter-Spielchen. Nur in Düsseldorf wird der Neubau der Oper unverdrossen und mit Energie vorangetrieben, so scheint es zumindest bis auf Weiteres.
Auch unabhängig vom Umstand, dass Wahlkampf herrscht und es sich um seine Heimat handelt, hatte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder also allen Anlass, am Freitag nach Nürnberg zu reisen, um den symbolischen ersten Spatenstich für das Interimsgebäude des dortigen Staatstheaters zu vollziehen. Das Vorhaben, das zu 70 Prozent von EU, Bund und Freistaat finanziert wird, kostet stolze 300 Millionen Euro. Er spielt damit fast in der Liga des Münchner Konzerthauses, das in seiner aktuellen Planung nur mehr 500 Millionen Euro statt zuvor einer Milliarde kosten soll. Mit dem Baubeginn dieses Deflationswunders ist allerdings in diesem Jahrzehnt nicht mehr zu rechnen, und womöglich zieht sogar Söder selbst in Betracht, nach 2030 nicht mehr Ministerpräsident und nicht einmal Kanzler zu sein.
„Ein extrem sensibler Ort in Nürnberg“
Der Interimsbau in Nürnberg, der nach der Rückkehr des Staatstheaters in sein dann saniertes Stammhaus weiterhin als zweite Spielstätte genutzt werden soll, ist vor allem aufgrund seiner Gestaltung und seines Standorts etwas Besonderes. Er entsteht im Innenhof der Kongresshalle auf dem Reichsparteitagsgelände und wird mit dem hufeisenförmigen Torso des Nazibaus an sechs Stellen verbunden sein. Als komplett begrünter Kubus angelegt, macht sich das Bühnengebäude vor dem steinernen Riesen quasi unsichtbar; Eingang, Foyers, Gastronomie, Proberäume und sonstige Funktionsräume werden in sechs Segmenten der nie vollendeten Kongresshalle untergebracht. Vier weitere Segmente werden für sogenannte Ermöglichungsräume für Kunst und Kultur, etwa Ateliers und Veranstaltungsflächen für die freie Szene, hergerichtet. Allein die Kosten für die Arbeiten an der Halle werden auf gut 200 Millionen Euro beziffert.
Der Ministerpräsident lobte in seiner Rede den mutigen Umgang mit „einem extrem sensiblen Ort in Nürnberg“. An einem symbolischen Ort für die dunkelste Zeit in der deutschen Geschichte werde ein entschlossenes Zeichen für das Leben gesetzt, ohne dabei die Geschichte zu vergessen: „So bleibt die Erinnerung wach und lässt gleichzeitig eine neue Leichtigkeit mit Kunst und Kultur einziehen.“ Und natürlich fehlte nicht der Hinweis darauf, dass das Projekt einzigartig in Bayern sei und Vorbildcharakter weit über den Freistaat hinaus habe. „Das unterstützen wir als Staatsregierung massiv“, rief Kraftmensch Söder noch aus.
„Mutig“ wurde das meistbenutzte Wort
Es wäre interessant zu wissen, was sich Staatstheater-Intendant Jens-Daniel Herzog gedacht hat, als er von Söder zum Chefbeauftragten für eine neue Leichtigkeit befördert wurde. „Dir werde ich es zeigen“, womöglich. Herzogs bei anderer Gelegenheit geäußerte Ankündigung, sein Haus werde sich als „andauernder Anti-Reichsparteitag“ verstehen, sollte man jedenfalls nicht als Selbstverpflichtung zur leichten Muse verstehen.
Doch Herzog war an diesem Tag, der ganz der Politik gehörte, nicht gefragt. Und so wurde „mutig“ das meistbenutzte Wort: Man wolle „mutig und zugleich selbstbewusst im Umgang mit der Kongresshalle einen Kulturstandort mit internationaler Strahlkraft“ entwickeln (Bürgermeisterin und Kulturreferentin Julia Lehner); „ich finde es außerordentlich mutig, genau diesen Standort für einen Neubau gewählt zu haben“ (Planungsreferenz Daniel Ulrich); ein Selbstlob, für das es ein „herzliches Dankeschön an die Stadt Nürnberg für diesen Mut“ (Kunstminister Markus Blume) gab.
Mutig ist ein großes Wort für eine Entscheidung, die nach langem Ringen in einem demokratischen Prozess getroffen wurde. Gegner des Vorhabens hatten davor gewarnt, dass die Theaternutzung in dem vergleichsweise kleinen grünen Kubus dem Riesenbau der Architekten Franz und Ludwig Ruff die mahnende Wirkung auf die Nachgeborenen nehmen könne. Auch war zu hören, dass die Kunst wieder einmal für den Exorzismus des Ungeistes missbraucht werde.
Genau dieses Argument lässt sich allerdings auch für die neue Nutzung verwenden, schließlich ist die Austreibung des Bösen in allen vergleichbaren Fällen gelungen. Die Beweggründe der politisch Verantwortlichen waren wohl vor allem pragmatischer Natur: Der Unterhalt der denkmalgeschützten Ruine verschlingt ohnehin Unsummen, Tendenz steigend, und Atelierräume werden dringend benötigt. Natürlich wird auch die Überlegung des städtischen Kulturmarketings hineingespielt haben, dass ein Theater an einem solchen Ort besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Am Ende wird es darauf ankommen, was die Künstler daraus machen. Ein bisschen Vertrauen kann da nicht schaden.
https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst-und-architektur/baubeginn-fuer-theaterinterim-in-nuernberger-nazibau-110176497.html