Merz and Habeck have a long-distance duel | EUROtoday
Wann Talkshows gucken, wenn nicht jetzt? Als ob die Wiederwahl von Donald Trump den unbeliebtesten Lieblingssendungen der Deutschen nicht schon genug Redestoff geboten hätte, war am selben Mittwoch auch noch die Ampel-Koalition zerbrochen. Eilig mussten die Redaktionen umdisponieren – und aus der Wahlnachlese wurde eine Wahlkampfvorschau.
Den Auftakt im ZDF machte am Donnerstagabend „Maybrit Illner“. Sie hatte an der Zusammensetzung der Gäste offenbar nichts ändern können oder wollen, zu ihrem Glück befand sich darunter aber mit Friedrich Merz auch der Mann, der durch die Ereignisse am Vortrag dem Kanzleramt ein gutes Stück nähergekommen war. So fand Illner ihre eigene Art, mit der neuen Themenlage umzugehen und machte ihre Talkshow über weite Strecken zum Einzelinterview.
Mit Merz zurück in die Zukunft?
Was also wollte „der Kanzlerkandidat Merz den Menschen in diesem Land sagen“? Merz sprach vor allem von einem: „Wachstum“. Wenn Deutschland das durchschnittliche Wirtschaftswachstum der EU-Staaten erreichte, rechnete er vor, würden jährlich 10 Milliarden Euro zusätzlicher Einnahmen generiert – eine Aufweichung der Schuldenbremse sei dann gar nicht notwendig. Ein solches Wachstum werde derzeit nur leider durch eine gängelnde Klimapolitik und einen ausufernden Sozialstaat verhindert.
So viel marktliberalen Optimismus hatte man aus der Union vor Merz lange nicht gehört. Es passte ins Bild, dass er mehr Anstrengungen des Einzelnen und eine größere Wertschätzung der Arbeit forderte. Nach einer langen Ära des Wegmoderierens mag man solche klare konservative Kante erfrischend finden – doch auch im Negativen haftete seinem Auftreten und seinen Ideen etwas aus den frühen 2000er-Jahren an. Mit Merz zurück in die Zukunft?
Sigmar Gabriel spielt Merz die Bälle zu
Merzens eigentlicher Widersacher hatte seinen Auftritt in der nächsten Sendung. Doch bevor Robert Habeck bei „Markus Lanz“ über den Zustand der deutschen Demokratie philosophieren konnte, musste er sich noch zum Koalitionsbruch und zum Zeitpunkt der Vertrauensfrage äußern. Der Vizekanzler verhehlte kaum, dass ihm eine sofortige Neuwahl lieber gewesen wäre.
Esken kann Wahltermin kaum rechtfertigen
So war es an SPD-Vorsitzende Saskia Esken, die Entscheidung des Bundeskanzlers zu rechtfertigen, die Vertrauensfrage erst im Januar zu stellen. Minutenlang wurde sie von Lanz in die Mangel genommen, konnte aber bis zuletzt nicht erklären, wie die Regierung bis Januar irgendetwas voranbringen wolle, wo doch die Union die Vertrauensfrage zur Voraussetzung jeglicher Zusammenarbeit gemacht hatte. Genervt sprach auch Esken irgendwann nur noch von der „Entscheidung des Bundeskanzlers“ – als hätte sie selbst eingesehen, dass man diese Entscheidung mit „staatspolitischer Verantwortung“ kaum vermitteln kann.
Dann war Habeck an der Reihe. Doch war das wirklich ein Vizekanzler im beginnenden Wahlkampf, der da sprach? Als Politiker scheint ihn das Ende der Koalition jedenfalls deutlich weniger getroffen zu haben denn als politischer Beobachter. Ihn treibe vor allem die Frage um, so Habeck, was das Aus der Ampel „prinzipiell“ bedeute: Wie könnten künftigen Koalitionen, die ideologisch kaum weniger heterogen sein dürften, ihre parteipolitischen Unterschiede bewahren und trotzdem eine gemeinsame Perspektive finden? Die nächste Zeit wolle er daher zur Reflexion nutzen.
Habecks Armband verrät seine Pläne
Ein Sabbatical wollte Habeck damit aber offenbar doch nicht ankündigen. Am Ende der Sendung, weit nach Mitternacht, zeigte Markus Lanz ein Video, das Habeck am Donnerstag in den Sozialen Medien veröffentlicht hatte. Lanz’ findigen Mitarbeiter hatten entdeckt, dass Habeck darin ein Armband mit der Aufschrift „Kanzler-Era“ trug und sich den 8. November im Kalender angestrichen hatte. Wollte er am Freitag also seine Kandidatur verkünden? Habeck lächelte schweigend und vielsagend.
So zeichneten sich zu diesem inoffiziellen Wahlkampfauftakt die ersten Rollenzuteilungen ab. Während Merz betont selbstbewusst auftrat, gab sich Habeck ebenso demonstrativ nachdenklich; während Merz versprach, seine Regierung werde den Fortschritt im Handumdrehen zurückbringen, übte sich Habeck in skeptischer Metareflexion; dort sprach der Geschäftsmann, hier der Philosophenkönig. Nimmt man dann noch Olaf „den Zauderer“ Scholz hinzu, den gekränkten Christian Lindner, die geifernde Alice Weidel und die kalte Sahra Wagenknecht, so dürfte der kommende Wahlkampf eines jedenfalls nicht werden – langweilig.
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