Worüber Künstler in Krisen und Kriegen noch lachen | EUROtoday

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Der Schauspieler und Schriftsteller Matthias Brandt
Der Schauspieler und Schriftsteller Matthias BrandtPicture Alliance

Ein Frosch aus Schaumstoff

Ich habe in meinem Leben viele große Komiker gesehen, aber die wichtigsten Lehrer waren Stofftiere. Ich conflict immer vernarrt in die Sesamstraße und in die Muppet Show. In gewisser Weise glaube ich auch, dass ich alles Wesentliche für meinen Beruf dort gelernt habe. Timing. Pausen. Wie man mit einem schiefen Blick mehr erzählen kann als mit einem langen Monolog. Und dass der größte Quatsch nur funktioniert, wenn er ernst gemeint ist.

Neulich habe ich auf Youtube einen Ausschnitt entdeckt, den ich vorher nicht kannte. Die Muppets erfahren darin, dass ihr Erfinder, ihr Vater, Jim Henson, gestorben ist. Sie sprechen darüber, dass es den Mann, der sie erfunden hat, nicht mehr gibt. Dass er ihnen Stimmen und Charaktere geschenkt hat. Und wie sie jetzt weitermachen sollen.

Das ist, streng genommen, herzzerreißend. Puppen, die über den Tod ihres Puppenspielers sprechen. Man könnte das kitschig finden. Ich fand es das Herzerwärmendste, was ich seit Langem gesehen habe. Weil sie versuchen, etwas Unfassbares zu begreifen, und dabei genau das tun, was sie immer getan haben. Sie machen Witze. Sie trösten sich. Sie streiten kurz. Sie rücken wieder zusammen. Zwischen zwei Tränen kommt eine alberne Bemerkung, und alle lachen. Nicht laut und entfesselt. Sondern dieses vorsichtige Lachen, das durch eine sehr enge Tür muss. Ich merke, dass ich genau das gerade brauche. Warmherzigkeit. Mehr als das laute, ausgelassene Lachen.

Mich macht im Moment am meisten diese Gefühlskälte um uns herum fertig. Die Art, wie Menschen übereinander sprechen. Die Selbstverständlichkeit, mit der man andere wegschiebt. Dieses Frostige in den Zwischenräumen. Was mich zum Lachen bringt, sind deshalb nicht die großen Brüller. Es sind solche Momente. Wenn ein Frosch, ein Schwein, ein Bär aus Schaumstoff sich benehmen wie anständige Menschen. Wenn da jemand sitzt, der traurig ist, und der andere sagt nichts Besonderes, bleibt aber sitzen, bis es wieder geht.

Wenn ein Witz niemanden wegstößt, sondern alle ein bisschen dichter zusammenrücken lässt. Ich lache, wenn ich in diesen alten Muppet- und Sesamstraßen-Clips sehe, dass Zuneigung der eigentliche Motor für Humor ist. Dass man über die Welt lacht, weil sie wehtut und weil man sie trotzdem aushält. Mit einem Frosch, einem Monster und einem schlecht gelaunten Adler an seiner Seite.

Matthias Brandt, geboren 1961 in Berlin, ist Theater- und Filmschauspieler, Hörbuchsprecher sowie Autor. Für seine Arbeit ist er vielfach geehrt worden, unter anderen mit mehreren Grimme-Preisen, der Carl-Zuckmayer-Medaille und dem Deutschen Sprachpreis (2025). Im März 2026 erscheint sein neues Buch „Nein sagen. Über den 20. Juli 1944, meine Eltern und persönliche Verantwortung heute“ bei Kiepenheuer & Witsch.

Die Schriftstellerin Dana von Suffrin
Die Schriftstellerin Dana von SuffrinPicture Alliance

Ein paar Ideen für Sie

Machen wir uns nichts vor: Die besten Tage der Menschheit liegen ungefähr 30 Jahre zurück. Ich weiß, ich weiß, wir blicken immer mit trügerischer Nostalgie nach hinten, aber diesmal habe ich recht. Die Neunzigerjahre, in denen ich aufgewachsen bin, waren eine schöne und lustige Zeit, vielleicht sogar die schönste, die wir je hatten, die Leute waren hedonistisch, es gab noch kein Internet, dafür viel Viva und MTV und Arabella Kiesbauer.

Wir haben den ganzen Tag Talkshows geschaut, dort waren Menschen, die noch nicht ahnten, dass man später sein Leben kuratieren würde, dass man beim Dating wie ein Kreisvorsitzender der FDP klingen wird müssen, dass das Internet nie wieder etwas vergessen wird. Wir rätselten lange über die Lügengeschichten bei „RTL Explosiv“, in denen meterlange Tausendfüßler oder kinderfressende Großkatzen vorkamen, aber wir dachten nie über Kriege oder Terroranschläge nach.

Die Neunziger waren ein unschuldigeres Jahrzehnt, auch die Wünsche und Sehnsüchte der Menschen waren unschuldig: Alle wollten Millionäre werden und träumten von Reisen in die Dominikanische Republik, aber niemand so sehr, dass er ernsthaft etwas dafür getan hätte. Es gab gutmütigen und bösartigen Unsinn, wir waren verwöhnt und unbeschwert. Ich kannte in den Neunzigern niemanden, der perfekt sein wollte. Die Wiedervereinigung hat uns nicht beunruhigt und uns auch nicht glücklich gemacht. Die Menschen haben sich von Tütensuppen ernährt und keinen Sport gemacht, wir sahen tagelang im Fernsehen Tennisturniere und „Takeshi’s Castle“. Die Leute haben damals auch anders geredet, nicht immer in Floskeln, viel fehlerhafter, viel dialektaler, irgendwie auch individueller.

Und weil es, wie Sie sehen, nichts Schlimmeres gibt, als nostalgisch zu werden, kommen nun ein paar Ideen: Sehen Sie großen Hunden beim Spielen zu. Schauen Sie eine alte Folge „Herzblatt“. Schauen Sie eine alte Folge „Kommissar Rex“. Schauen Sie eine alte Folge „Vera am Mittag“. Träumen Sie davon, Millionär zu werden. Fragen Sie jemanden, wo er herkommt. Loben Sie jemanden aus Baden-Württemberg für sein Hochdeutsch. Suchen Sie Geld am Boden. Ziehen Sie sich unpassend an. Gehen Sie in ein schmutziges Lokal und bestellen Sie etwas, das Ihnen nicht schmeckt. Lauschen Sie den Gesprächen von Teenagern in der Straßenbahn und schreiben Sie sie am besten gleich mit. Verbringen Sie Ihren Sommerurlaub in Franken.

Freuen Sie sich darüber, dass unsere mentale Entwicklung mit dem körperlichen Verfall zusammenfällt. Fragen Sie einen Fremden, ob er Ihnen kurz helfen kann. Beantworten Sie eine beliebige Frage mit „Saturn steht heute im Wassermann“. Lesen Sie Bücher aus dem 19. Jahrhundert. Lesen Sie Bücher aus den Neunzigerjahren. Fragen Sie einen Rentner nach seiner Meinung: Können Hunde lachen? Gehen Sie auf eine Party und sprechen Sie die unglücklichste Person an. Sprechen Sie Gerhard Polt nach.

Schreiben Sie ein Jahr nichts in den sozialen Medien. Haben Sie keine Meinung zum Weltgeschehen. Haben Sie keine Meinung zur Wehrpflicht. Behaupten Sie, dass Sie noch nie von Jens Spahn gehört hätten. Tun Sie so, als seien Sie 14. Machen Sie sich, wenn jemand Sie nach Ihrem Alter fragt, mindestens zwanzig Jahre jünger oder älter. Sehen Sie jemanden so lange an, bis Sie ein lächerliches Detail entdecken. Erzählen Sie Lügen. Kaufen Sie sich eine gelbe Gerbera. Kaufen Sie sich absichtlich etwas Hässliches für Ihre Wohnung. Lassen Sie sich einen kurzen Pony schneiden.

Kochen Sie ein Rezept falsch nach. Betonen Sie Ihren eigenen Namen falsch. Leugnen Sie, dass Sie Ihren eigenen Namen falsch betonen. Lachen Sie über jemanden, der eine Superkraft hat. Erinnern Sie jemanden daran, dass auch ein Friseurtermin für 300 Euro Haschen nach dem Wind ist. Lachen Sie über die Vorstellung, dass der Sensenmann über ihr frisch gesträhntes Haar lachen wird. Denken Sie daran, dass wir im Prinzip alle gleich sind und damit gleich lächerlich.

Die Schriftstellerin Dana von Suffrin wurde 1985 in München geboren. Studium in München, Neapel und Jerusalem. 2017 Promotion mit einer Arbeit zur Rolle von Wissenschaft und Ideologie im frühen Zionismus. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und lebt in München. Im März 2026 erscheint ihr neuer Roman „Toxibaby“ bei Kiepenheuer & Witsch.
Der Filmemacher und Schriftsteller David Schalko
Der Filmemacher und Schriftsteller David SchalkoPicture Alliance

Intelligenter Humor

Gut, es würde ja keinen wundern, dass einem das Lachen vergehen würde – bei all dem Irrsinn, der rundherum stattfindet, auch angesichts der bitteren Erkenntnis, dass man gagaistische Ungeheuer wie Trump nicht einfach weglachen kann. Tatsächlich ist mir das Lachen aber noch nicht vergangen – ergo kein Timm-Thaler-Effekt, vermutlich, weil ich schon längst nicht mehr versuche, mich über den Verrückten aus Übersee und seine degenerierten White Boys lustig zu machen.

Ich lache jetzt wieder über das, was wirklich lustig ist, habe ich zumindest in einem persönlichen Act of Freedom beschlossen. Über den neuen Woody Allen „What’s with Baum“ zum Beispiel. Nein, kein Film, ein Romandebüt, vermutlich, weil er keine Filme mehr machen kann. Ich weiß, man darf Woody Allen angeblich nicht mehr lustig finden, aber vielleicht verhält es sich da ein bisschen wie mit Donald Trump, und man sollte sich von den Fundamentalisten nicht die Laune verderben lassen. Denn der 90-jährige Woody Allen ist wesentlich lustiger als vieles, was ich in jüngster Zeit an satirischen Büchern gelesen habe. Wem gelingen schon solche Passagen: „His final ebook was just about panned and so was the one prior – a couple of man and a girl who fall in love in a focus camp, handle to hold on a passionate affair, threat loss of life and torture by secretly assembly time and again for 3 years, lastly to be liberated whereupon she dumps him saying: ‚It was enjoyable whereas it lasted however you’re not likely my sort.‘“

Außer Joshua Cohen gelingt das keinem. An dieser Stelle sollte man vielleicht anmerken, dass es von dem Roman keine deutsche Übersetzung geben wird. Aus den bekannten Gründen, warum man Woody Allen nicht mehr lustig finden darf. Leider bemerke ich in letzter Zeit, dass es vor allem die Humoristen aus der Vergangenheit sind, die mich zum Lachen bringen. Kurt Vonnegut zum Beispiel. Solche gibt es nicht mehr. Sie sterben aus. Weil diese Weltsicht ausstirbt.

Und vielleicht ist das der Grund, warum uns das Lachen ein bisschen vergeht, weil es so oft unter dem eigenen Niveau stattfindet – und das ist ohnehin kein Mount Everest. Oder wird man einfach nur alt, wenn man noch immer über Woody-Allen-Sätze lacht wie: „Die Ewigkeit ist lange, besonders gegen Ende“? Und weil man sich dann selbst wie ein Opa anhört, wenn man sagt: „Solche Sätze fallen heute keinem mehr ein.“ Oder: „Humor hat immer etwas mit Intelligenz zu tun – wobei das eben nur für guten Humor gilt.“ Und der ist inzwischen selten geworden. Oder um Daniel Kehlmann zu zitieren: „Man kann Intelligenz nicht simulieren.“

Und wer weiß, vielleicht fühlt sich ja inzwischen eine KI für die intelligente Unterhaltung zuständig. Wenn man dort eingibt: Worüber konnte man 2025 auf intelligente Weise lachen? – erscheint folgende Antwort: Über erstaunlich viele Dinge – intelligent lachen heißt im Moment oft: erkennen, wie absurd wir geworden sind, ohne dabei zynisch zu werden. Interessant, dass die KI „wir“ sagt. Hier ein paar Beispiele, was ChatGPT als Beispiele für intelligenten Humor anführt: – Wenn KI „kreativ“ sein soll und dann mit absolutem Selbstbewusstsein völligen Unsinn produziert. – Oder wenn Menschen KI benutzen, um Zeit zu sparen – und dann Stunden damit verbringen, der KI zu erklären, was sie eigentlich wollten. – Apps, die dir helfen sollen zu „entspannen“, indem sie dir Statistiken über deine Entspannung zeigen. – Gespräche, in denen alle extrem vorsichtig formulieren, aber trotzdem aneinander vorbeireden. – Triggerwarnungen für Dinge, die niemanden triggern – und keine für die, die es tun. – Leute, die sagen: „Früher war alles besser“, und damit 2019 meinen. – Paketverfolgungen, die existenzieller wirken als manche Lebensentscheidungen.

Eigentlich will man sofort aus dem Fenster springen, wenn man das liest. Und denkt wieder an Woody-Allen-Sätze. „Immer, wenn ich Wagner höre, überkommt mich das Gefühl, in Polen einzumarschieren.“ Solange die KI einen solchen Humor hat, wissen wir, sie ist mehr K als I. Aber muss Humor immer I sein? Ich fand zum Beispiel diese Insta-Videos lustig, in denen Menschen unter der Decke horizontal auf Sesseln lagen, um ihren Bettnachbarn mit paranormalem Schweben zu erschrecken.

Aber selbst dieser Einfall ist nicht nur lustig, sondern eben auch intelligent. Und manchmal sind es einfach nur Störbilder wie jene von Bernhard Grzimek, der in seiner Tiersendung aus dem 20. Jahrhundert einen ausgewachsenen Geparden vor dem halb verdeckten Gesicht auf dem Schreibtisch sitzen hatte und versuchte, derweil zu moderieren, während die Riesenkatze an einem blutigen Knochen nagte. Im Übrigen: Grzimek wurde genial imitiert von Loriot – Stichwort: die Steinlaus.

Es gibt also keinen Grund, den Timm Thaler in sich selbst zu suchen. Es gibt mehr als genug zu lachen. Das Angebot an Fremdhumor ist größer denn je, und wir brauchen ihn in ansteigenden Dosen. Das ist wie mit den Kochsendungen. Je mehr wir sie schauen, desto weniger kochen wir. Genauso ist das auch mit dem Fremdhumor. Vielleicht doch Timm Thaler.

David Schalko lebt als Autor und Regisseur in Wien. Nach seiner Fernsehserie „Kafka“, zu der Daniel Kehlmann das Drehbuch geschrieben hat, folgte dieses Jahr zuletzt seine ARD-Serie „Warum ich?“. Bei Kiepenheuer & Witsch ist dieses Jahr sein neuer Roman „Knoi“ erschienen.

Laura Serra

Mit der DDR auf dem Mond

Der Künstler Philipp Ladage aus Hannover veröffentlicht seit einiger Zeit auf Tiktok und Instagram Videos, in denen KI-generierte Szenen einer „DDR-Mondbasis“ gezeigt werden. Die DDR ist, anstatt 1989 unterzugehen, auf den Mond geflogen und hat dort erfolgreich eine Basis errichtet. Alle möglichen Verrichtungen des sozialistisch organisierten Mondalltags werden uns präsentiert: wie man einkaufen geht, Autos repariert, Rendezvous anbahnt, Tanzfeten organisiert, gemeinsam Sport betreibt und so weiter. Es gibt wiederkehrende Charaktere, wie etwa den DJ („Schallplattenunterhalter“) Klaus Kosmonaut, ein junger Mann mit einem hinreißenden Uncanny-Valley-Gesicht, das irgendwie wie eine Mischung aus Dick Cavett und Rainald Goetz aussieht. Die Männer haben alle Schnurrbärte, die Damen ein immer genau im richtigen Augenblick einfrierendes Lächeln.

Normalerweise hasse ich KI-generierte Videos, da die Dinge darin immer ein bisschen zu wohlplatziert wirken, zu nahe, zu klar, zu konturiert. Es ist so sehr „für mich“ gemacht, dass ich mich von der Kunst nicht mehr persönlich, sondern nur noch „als Spezies“ gemeint fühle, und das mag ich nicht. Aber hier, in dieser ziemlich gut gesehenen DDR-Parodie, sind die künstlich für mich erzeugten Menschen auf einmal vollkommen perfekt.

Der österreichischee Schriftsteller Clemens J. Setz.
Der österreichischee Schriftsteller Clemens J. Setz.dpa

Endlich kann man die KI sozusagen in ihrer Seele ungestört betrachten, diese gefallsüchtige, kopierdumme, dauerbegeisterte Gespensterverwandte von uns Menschen. Am meisten lache ich meist über die Dinge, die die KI nur mangelhaft imitiert. Etwa in einem – in diesem Fall wahllos herausgeklaubten – kleinen Meisterwerk mit dem Titel „Feierabend in Sektor C“, gepostet am 28. März dieses Jahres. Es geht da, so wie in fast jedem Beitrag, um ein geselliges Miteinander der DDR-Mondbevölkerung. An einer Stelle kippt eine Vase um, aber die KI macht daraus ein berauschend falsch getimtes Hinsinken des Gefäßes, halb schwebend, halb fallend, verharrt es in einem unbegreiflichen Zwischenzustand, und die Hände eines Mannes versuchen, die Vase wieder aufzustellen und – ah ja, das ist überhaupt das Beste in den Videos von der DDR-Mondbasis: die Hände! Die muss man sich genau anschauen.

Sie machen alles ein klein bisschen falsch, verschwinden gelegentlich, klappen unphysiologisch um oder schmelzen sekundenschnell durch Oberflächen. Man sieht in ihnen das hektische Korrekturgeflimmer dieser in naher Zukunft bestimmt schon als normal erlebten, aber momentan noch ziemlich absurden Menschenimitation: das unkorrigierbar entzückte Sich-Umblicken, Zur-Seite-Lächeln und kraftvolle Dahinschreiten, diese ganze unerträgliche Selbstbesoffenheit bewegter KI-Bilder, die sieht man hier so gut wie nirgends sonst.

In dem (zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Empfehlung) neuesten Post geht es, wenig überraschend, um Weihnachtsfeierlichkeiten auf dem Mond. Und wie immer sind die, wie ich vermute, von Philipp Ladage selbst erdachten sprachlichen DDR-Begriffe ganz okay als Parodie: Marktstände vom „VEB Fleischkombinat Kosmos“ (Bratwürste) und vom „VEB Erzgebirgische Träume“ (jahreszeitlich stimmungsvolle Kosmonautenfiguren aus Holz), aber das, wovor ich mich vor lauter Lachen buchstäblich wegducken muss, ist das Jubelgetänzel der festtäglich ergriffenen Mondbevölkerung. Sie paradieren, hüpfen, winken begeistert, halten stolz ihre Waren in die Kamera, und das immer mit diesem winzigen Rest an sagenhaft monströser Entsetzlichkeit.

Ganz am Ende des Beitrags, nach der klassischen Verabschiedung mit dem Gruß „Freundschaft“, sieht man eine Gruppe Männer rührselig im Sitzen schunkeln. Sie lachen breit und freuen sich und machen dabei rhythmische Tanzbewegungen mit den Beinen, so wie man sie auf einer Schaukel machen würde, um diese ins Schwingen zu versetzen. Die Bewegung ist der Situation durchaus angemessen, wirkt nur ein klein wenig falsch, ein bisschen zu mechanisch vielleicht, zu synchron, und die vier Freunde wissen nichts davon und sind komplett begeistert von allem, es ist phantastisch.

Die Epoche der modernen Großstädte, in der das menschliche Leben plötzlich unangenehm getaktet und fabrikhaft ablief, brachte den wunderbaren Slapstick Chaplins und Keatons hervor. Extrem reduzierte Mimik, ja sogar ein betont maskenhaftes Gesicht, verband sich mit einem gliederpuppenartig agierenden, in seiner stolpernden Anmut wie ferngelenkt wirkenden Körper. Der Slapstick unseres Zeitalters aber ist ein vollkommen anderer.

Er wäre als solcher gar nicht mehr erkennbar, würde er dem missachteten Körper, so wie früher, einen unerwarteten Zuwachs an Grazie verpassen, nein, heute muss man es genau umgekehrt machen: Der Körper muss im Slapstick Anmut einbüßen, denn er war vielleicht nie echt. Die eigenen Freunde – alles Avatare, Profile. Die eigenen Trainer und Lehrer – lauter intelligente Sprachmodelle. Alles, was dir begegnet, wird live für dich erträumt. Da ist das heilsamste und befreiendste Gelächter nur jenes über die rasend gewordene Begeisterung der irrealen KI-Menschen, die nicht merkt, wie sie an den Rändern glitcht und flimmert. Genießen wir es, solange es noch möglich ist.

Der Schriftsteller Clemens J. Setz wurde 1982 in Graz geboren, studierte Mathematik und Germanistik und lebt heute als Autor und Übersetzer in Wien. Sein Werk wurde mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, u. a. Preis der Leipziger Buchmesse 2011, Wilhelm-Raabe-Preis 2015, Georg-Büchner-Preis 2021. Für seinen Roman „Monde vor der Landung“ (Suhrkamp) erhielt er 2023 den Österreichischen Buchpreis. Zuletzt erschienen seine „Twitterpoesie“ unter dem Titel „Das All im eignen Fell“ und das Kinderbuch „Mopsfisch“.

Die Schriftstellerin Jackie Thomae
Die Schriftstellerin Jackie ThomaeJasper Hill

Zurück in Southpark

Im Jahr des Backlash hatte ich einen Flashback. Zum ersten Mal seit Anfang des Jahrtausends war ich wieder in South Park. Der kleinen Stadt in Colorado, die sich Trey Parker und Matt Stone vor fast dreißig Jahren ausgedacht haben. Und die sie jetzt – alle bisherigen und kommenden Staffeln – für 1,25 Milliarden US-Dollar an Paramount verkauft haben. Kurz zuvor hatte Paramount den vergleichsweise läppischen Betrag von 16 Millionen Dollar an den US-Präsidenten bezahlt, der sich über Paramounts Tochter CBS beklagt hatte.

Dort nämlich hatte Kamala Harris, so der Präsident, Wortsalat geredet, der dann vom Sender zu Harris’ Gunsten, ergo seinen Ungunsten, kaschiert wurde. Der zweistellige Millionenbetrag conflict nötig, um Paramounts Fusion mit dem Sender Skydance nicht in Gefahr zu bringen, der von der Federal Communications Commission abgesegnet werden musste. Ein kompliziertes finanzielles Settlement, das wiederum von Stephen Colbert in seiner Late-Night auf CBS als dicke, fette Bestechung bezeichnet wurde, weswegen man seine Show kurzerhand absetzte. Woraufhin der POTUS auf seinem Netzwerk Truth Social schrieb: I completely beloved that Colbert bought fired. Und: Ich wette, Jimmy Kimmel ist der Nächste!

Damit hörte er sich quick so intestine gelaunt an wie sein Cartoon-Charakter, den Parker und Stone mit viel Liebe zum Detail kreiert haben. In „South Park“ hat der Präsident kein „South Park“-Gesicht, sondern sein eigenes und einen sehr kleinen Penis, der zu jeder Gelegenheit thematisiert und auch gezeigt wird. Auch lässt er sich gern von ausländischen Staatsgästen beschenken, von seinem Stab loben, von Fox News interviewen.

Er lässt den Ostflügel des Weißen Hauses einreißen, und er pflegt eine nicht immer einfache, sexuelle Beziehung zu Satan, einem sympathischen Typen, der in früheren Staffeln mit Saddam Hussein zusammen conflict. Wie schon früher bei „South Park“ wird auch in den neuen Folgen Irrsinn mit Irrsinn übergossen und dann angezündet. Das ist lustig, sehr lustig, um nicht zu sagen hilarious. Und es läuft auf dem Sendernetzwerk, das alles dafür getan hatte, Ärger mit dem Präsidenten zu vermeiden.

Der neue Fokus auf den POTUS bedeutet jedoch nicht, dass „South Park“ eine regierungskritische Show ist, sondern dass diese Regierung besonders ertragreiche Themen und Figuren zu bieten hat. Denn „South Park“ geht immer schon dorthin, wo die Tabus liegen. Kein Thema, kein Konflikt, keine Personengruppe wird ausgespart. Im Gegenteil, es wird großräumig mit Schrot auf alles geschossen. Es gibt keinen Weltbildbestätigungshumor, dafür einen, den man inklusiv nennen könnte, wäre das ein Prädikat für Humor.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


Erst kürzlich habe ich gelesen, dass viele Leute keine Nachrichten mehr schauen, sondern sich lieber in der gefilterten Variante von Sendungen wie der „Heute-Show“ auf dem Laufenden halten lassen. Nach meinem Wiedereinstieg bei „South Park“ hätte auch ich mir viele Lese- und Podcast-Stunden sparen können. Peter Thiels These zum Antichristen, Kinder im Labubu-Sammelrausch, misslungenes Micro­dosing, Ozempic plus Nebenwirkungen, Ehe-Rettungsversuche durch ChatGPT, Mobbing by way of Deep-Fake-Pornos auf Tiktok, you title it.

Ich fühlte mich bestens informiert. Alle sind gleichermaßen durchgeknallt, pervers, hysterisch und liebenswert. Und weil sie Cartoon-Männeken sind, sind sie auch niedlich. Die Hauptfiguren, vier ewige Neunjährige und deren Eltern, genauso wie Pete Hegseth, Kristi Noem, J. D. Vance und der Präsident, dessen Kabinett ich noch nie so intestine auf dem Schirm hatte wie jetzt.

Ja, in dieser Version muss man sie einfach alle mögen. Man, das heißt an dieser Stelle: ich. Denn in meinem näheren Umfeld bin ich die Einzige, die „South Park“ lustig findet. Auch das conflict schon vor zwanzig Jahren so. Sogar die Begründung hat sich gehalten: Ich mochte lieber „Die Simpsons“. Okay. Man könnte auch problemlos F.A.S. und „WamS“ lesen oder Rot- und Weißwein trinken, sogar am selben Abend. Offenbar aber hat man sich für eine animierte Serie zu entscheiden wie für ein Fußballteam.

„Die Simpsons“ habe ich nie wieder gesehen, aber ich erinnere mich gerne an die Kunst, Kinder und Erwachsene innerhalb einer Sendung auf zwei Ebenen zu unterhalten. „South Park“ conflict nie für Kinder, ist jetzt sogar erst ab achtzehn. Es wird einem nichts erspart, nicht einmal eine Sexszene zwischen Präsident und Vice-Präsident zu Foreigners „I Wanna Know What Love Is“. Ich additionally habe zwar laut allein gelacht, was sich quick so subversiv angefühlt hat, als wäre ich dafür in den Keller gegangen.

Doch allein conflict ich nicht. Der Milliardendeal wäre nicht zustande gekommen, wäre „South Park“ nicht zwischenzeitlich die meistgesehene Nicht-Sportsendung im US-Fernsehen gewesen. Und die Hintergrundstory hat Millionen von neuen und alten Zuschauern ins kleine, irre South Park gelockt. Und was sagt das Weiße Haus zu einer Serie, die ihm quick so viel Aufmerksamkeit schenkt wie Fox News? Bisher ist es nonetheless, abgesehen vom Statement eines Sprechers: „Eine irrelevante, uninspirierte Show, die verzweifelt nach Aufmerksamkeit heischt.“ Den fand ich auch richtig intestine. Hahaha und ein lustiges neues Jahr!

Jackie Thomae, geboren 1972 in Halle, schreibt Erzählungen und Romane. Mit „Brüder“ stand sie 2019 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschien ihr Roman „Glück“ im Claassen-Verlag. Sie lebt in Berlin.
Laura Serra

Steuern und Miete

Das Schlimmste – aber auch irgendwie das Schönste – am wiederkehrenden Faschismus ist es, dass die Kinder so süß und lustig sind wie immer. Wie kann das sein? Manchmal sagt mein achtjähriges Kind Sachen, die so süß sind, dass ich denke, Donald Trump existiere nur in meinem Kopf. Dann erinnere ich mich daran, dass Kinder eben immer süß sind.

Es ist 6:26 Uhr morgens, und mein Sohn regt sich über die Steuer auf. „Steuer und Miete!“, schnaubt er. „Ich habe gehört, dass die Menschen in Amerika jeden Morgen Steuer UND Miete zahlen müssen!“ Ich nicke. „Willst du Actimel Plus in der Brotdose?“, frage ich. „Warum gibt es keine Okay-Pop-Demon-Hunter-Actimel?“, fragt er. Ich stufe seine Gegenfrage als ein Ja ein und sage: „Vielleicht wirst du später Produktentwickler. Hey, warum steht in deinem Hausaufgabenheft, dass dein Geschichtenheft fehlt? Wie kann das sein?“ „Es ist nicht in der Schule“, sagt er. „Ich habe richtig lange gesucht.“ „Aber wo ist es dann? Es muss irgendwo sein, es kann keine Beine bekommen haben und mitten in der Nacht über den Schulhof gelaufen sein. Hey, wenn du ein Stück Gurke als Vorspeise isst, darfst du Schokomüsli haben.

Die Schriftstellerin Jacinta Nandi
Die Schriftstellerin Jacinta NandiPicture Alliance

Die Menschen in Deutschland zahlen übrigens auch jeden Monat auch Steuer und Miete.“

Es ist 6.35 Uhr, wenn wir um 6.50 Uhr das Haus verlassen, sind wir rechtzeitig an der Schule. Mein Sohn regt sich den ganzen Weg bis zur Schule über das Konzept Steuer und Miete auf. Bei der Steuer ist er viel mehr FDP als Christian Lindner, bei der Miete viel mehr Linke als Gysi: „Warum zahlen wir für unsere Zuhause?“, fragt er. „Das macht keinen Sinn. Das ist unsere Wohnung. Die gehört uns.“ „Das ist unsere Wohnung, aber die gehört uns nicht“, erkläre ich. „Wir besitzen die Wohnung nicht.“ „Wir wohnen drin“, sagt er. „Dann gehört sie uns.“

Letzten Monat schrieb ich einen Artikel über bedürfnisorientierte Mütter, die ihren Kindern Gummibärchen zum Frühstück geben, die Leserschaft informierte mich eifrig, Gummibärchen zum Frühstück hätten nichts mit Bedürfnisorientierung zu tun, sondern mit schlechter Erziehung. Ich hoffe jetzt, dass mich niemand von denen dabei sieht, wie ich meinem Sohn ein KitKat aus dem Snack-Automaten am S-Bahnhof gap. „Was ist eigentlich schlimmer?“, frage ich ihn. „Steuer oder Miete?“ „Steuer!“, antwortet er sofort. „Zumindest kriegen wir eine Wohnung für die Miete. Für die Steuer kriegen wir gar nichts.“ „Wir kriegen die schönen Parks und die schönen Schulen“, sage ich.

Ich erwähne jetzt die Kriege nicht, oder? Ich würde sie erwähnen, wenn es schon acht Uhr wäre, aber es ist 7.10 Uhr, ich muss keine Kriege erwähnen, denke ich. Und dann denke ich an jede Mutter, die in diesem Jahr vor acht Uhr ein Kind im Krieg verloren hat, und spüre ein Schuldgefühl, das mir körperlich wehtut. „So schön ist unsere Schule gar nicht“, sagt er. „Die Toiletten sind eigentlich ziemlich hässlich.“ „Dann willst du, dass die Menschen in Deutschland mehr Steuer zahlen“, sage ich. „Sie sollen FREIWILLIG zahlen!“, bellt er. „Die Reichen sollen am meisten Steuer zahlen, und es soll freiwillig sein. Ich glaube, wenn es freiwillig wäre, würden die Menschen mehr zahlen wollen.“

Ich sage nichts, denn ich bin unsicher, ob ich einverstanden bin. Ich glaube, dass ich nicht einverstanden bin. Aber ein Teil von mir denkt, dass wir es vielleicht zehn Jahre lang ausprobieren sollten. „Es ist so dumm, dass normale Menschen Steuer zahlen sollen. JEDEN MONAT! Wer hat das entschieden? Warum zahlen unsere Stofftiere nicht?“ „Weil Stofftiere nicht empfindungsfähig sind“, sagte ich. Kurzes Gespräch über Empfindungsfähigkeit, in dem er mir versichert, dass viele Stofftiere doch empfindungsfähig und deswegen vielleicht steuerpflichtig seien, aber wir sollten es der Regierung nicht sagen, sonst müssen sie vielleicht wirklich zahlen. Dann fragt er: „Warum zahlen wir Kinder dann keine Steuern? Wir sind sehr empfindungsfähig!“ „Ja“, sage ich. „Das seid ihr.“

Wäre es schön oder schrecklich in einer Welt zu leben, die von Kindern regiert wird? Es gäbe Okay-Pop-Demon-Hunters-Actimel, die Reichen würden mehr Steuern zahlen, aber freiwillig – und manche Stofftiere auch. Und es gäbe immer Streit, aber nie Krieg. Denn Krieg ist, genau wie Steuern, Miete und Schule, eine Erfindung der Erwachsenen, und die Kinder müssen damit leben. Manchmal dürfen wir kurz aus unserer anstrengenden hässlichen Welt flüchten und ihre besuchen. Je besser wir zuhören, desto schneller kommen wir dort an.

Jacinta Nandi ist eine britische Schriftstellerin, die seit 2000 in Berlin lebt. Sie schreibt über den (weiblichen) Kampf um Selbstbestimmung, die Großstadt, Rassismus, Drogen, Dates und Kinder. Ihr Roman „Single Mum Supper Club“ stand auf der Longlist des diesjährigen Buchpreises und ist im Rowohlt Verlag erschienen.

Drehbuchautor und Schriftsteller Timon Karl Kaleyta
Drehbuchautor und Schriftsteller Timon Karl KaleytaPicture Alliance

Ich wird ein Anderer

Seit ich damit angefangen habe, Romane zu schreiben, höre ich nichts als Klagen. Keine Leser mehr, kein Geld, keine Zukunft et cetera. Vor allem die Buchmessen, früher Rausch und Freudenfest, seien öde geworden. Partys gebe es dort immer weniger, weshalb auch die Schriftsteller selbst immer seltener kämen, wenn überhaupt, nur, wenn es sich aufgrund ihrer aktuellen Veröffentlichungen nicht mehr vermeiden ließe. Ich allerdings konnte mit Untergangsstimmungen nie etwas anfangen, insbesondere nicht in puncto Buchmessen, zu denen ich am liebsten gerade dann fuhr, wenn nicht der geringste Anlass dazu bestand. Die Tage in Frankfurt sah ich stets als Gelegenheit, viele der wichtigen berühmten Menschen kennenzulernen, an die ich mich schon ­lange mal unverdächtig heranwanzen wollte.

Auch im zurückliegenden Jahr gelang es mir, mit meinem unverstellt heiteren Gemüt neue Bekanntschaften zu knüpfen. Gleich am ersten Abend traf ich im Frankfurter Hof, wo wegen des Spardrucks – wie es hieß – nicht einmal mehr die Verlegerinnen residierten, eine sehr berühmte deutsche Schriftstellerin wieder, die ich bereits im Jahr zuvor erfolgreich kennengelernt hatte. Wir freuten uns über das Wiedersehen, und bei einem anschließenden Dinner ihres Verlags stellte sie mir einen weiteren berühmten Schriftsteller vor, auf den ich ebenfalls schon ein Auge geworfen ­hatte.

Von der neuen Bekanntschaft und dem Sancerre beschwingt überredete ich die zwei, im Anschluss sofort zur Villa eines berühmten Verlegers zu fahren, zur angeblichen Party des Abends. Meine Freunde hatten ihre Zweifel, schließlich waren wir nicht geladen, ich aber bestand darauf, in der Annahme, dass mein Erscheinen mit den beiden eindrucksvollen Kollegen optimistic Rückkopplungseffekte auf meine Person haben würde.

Schon im Taxi auf dem Weg ins Frankfurter Villenviertel conflict ich voller Vorfreude. Wir drei saßen vertraut auf der Rückbank und scherzten, als kennten wir uns seit einer Ewigkeit, und ich konnte es kaum erwarten, mich geschmeidig mit ihnen über das gesellschaftliche Parkett zu bewegen. Tatsächlich wurden wir mit offenen Armen empfangen, viele wichtige Leute erkannte ich bereits von der Schwelle. Der über unser Erscheinen sichtlich erfreute Hausherr schnappte sich meine Schriftstellerfreundin und führte sie, eng untergehakt, durch die imposanten Räumlichkeiten, um ihr seine Kunstsammlung vorzuführen, mein Schriftstellerfreund wurde sogleich von einer Gruppe feiner Damen umsorgt.

Ich hingegen wurde zunächst übersehen, additionally trat ich allein hinaus auf die herrschaftliche Veranda, um eine Zigarette zu rauchen und lauschte, wie ein berühmter Kritiker, so unterhaltsam wie beängstigend, davon erzählte, dass er einmal auf Jahre zerstritten gewesen sei mit dem Verleger, bloß weil er genau hier auf den weißen Marmor geascht hatte. Ich konnte mir das nur zu intestine vorstellen, denn der Gastgeber machte nicht den Anschein, Unmut einfach herunterzuschlucken.

Ich versuchte, mich irgendwie in die Konversation einzubringen, machte einen meiner üblichen Scherze, gestikulierte dabei etwas zu raumgreifend und stieß eine Flasche Rotwein vom Stehtisch, die zu unseren Füßen mit einem scheppernden Knall zerschellte und sich in einer dunkelroten Flut über den Boden ergoss – auch die gekalkte Außenwand des Hauses hatte einiges abbekommen. Der Kritiker machte einen Satz zurück und verschwand wortlos ins Hausinnere. Ich hingegen wollte unter den strafenden Blicken der übrigen Gäste im Boden versinken.

Hektisch drehte ich mich in alle Richtungen, suchte nach einer relativierenden Geste, fand aber stattdessen – hinter den bodentiefen Fenstern zum Salon – die vor Entsetzen glühenden Augen des Gastgebers, hyperlinks und rechts von ihm, sich halb hinter ihm versteckend, meine neuen Freunde, die vor Scham die Köpfe schüttelten. Ich erkannte mich in ihren Blicken wieder, sah mich selbst in diesem Moment zum allerersten Mal als das, was ich in Wirklichkeit conflict – ein vollkommen lächerlicher Mensch.

An den folgenden Messetagen vergrub ich mich in meinem Zimmer im Frankfurter Hof, sagte alle Verabredungen ab und ging hart mit mir ins Gericht – viel zu lang hatte ich mit den immergleichen naiven Witzchen um Liebe und Anerkennung gebettelt, hatte Eitelkeit und Geltungssucht hinter Ironie und Übertreibung versteckt, um bloß kein wahrhaftiges Gefühl, keinen einzigen aufrichtigen Gedanken in die Welt, geschweige denn zu Papier bringen zu müssen, und conflict mit dieser leicht zu durchschauenden Masche den meisten, wie auch mir selbst, mehr und mehr auf die Nerven gegangen.

Aber jetzt conflict mir klar: Die Hölle – das waren nie die anderen, die Hölle conflict ich selbst. Und dieses Selbst musste jetzt sterben. Ich fasste einen Entschluss: Im neuen Jahr würde ich als ein anderer aufwachen. Vielleicht conflict es noch nicht zu spät. Ich würde all meine Kraft darauf verwenden, zum ersten Mal etwas Wahrhaftiges zu schaffen, vielleicht einen zarten, einen nachdenklichen Roman. Einen Roman, in dem von mir selbst keine Spur mehr zu finden ist.

Timon Karl Kaleyta ist Schriftsteller, Kolumnist und Drehbuchautor. Sein Roman „Heilung“ conflict für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert. Von 2019 bis 2023 conflict er Autor für die Fernsehserie „jerks.“. Gemeinsam mit Showrunner Johann Buchholz entwickelte er als Headautor die Serie „Call My Agent“.

Regisseur und Musiker Schorsch Kamerun
Regisseur und Musiker Schorsch KamerunPicture Alliance

Voll heftig abgiggeln

Die Villa ist Millionen wert. Das sieht jeder“, sagt unser Kind Elsy (Name vom Autor und einer aktuellen KI geändert). „Zum Beispiel haben die sogar ein Kinozimmer.“ Stimmt. Und dieses Zimmer hat zwölf Sitze. Jeder davon ist in schwarze Kunstlederbezüge gehüllt und verfügt über ein eigenes Klappfach für Getränke. Plus einem weiteren für Popcorn oder so. Die Eiswürfelmaschine steht an der Wand. Unter dem Beamer. „Millionen ist das alles wert.“ Logisch, ein privates Kino.

Gleich daneben ein Raum mit weiteren Sachen. Vielen Sachen. Flipper, Air-Scheiben-Schießen-Tisch, Kicker, Fitness-Geräte-Gerüste, drei LED-Screens, numerous Gaming-Gears, E-Kamin, Tischtennisplatte, Hot-Wheels-Loopingbahn usw.. Die Glastüren der Villa stehen weit auf. Man erkennt großes Gartenzubehör aus Kunststoff. Gartenschlauchtrommeln. Robomäher. Kletterterminal. Auch einige falsche Felsen stapeln sich. Und ein großes, umgekipptes Trampolin.

Das weitläufige Anwesen liegt erhöht. Auf einer Art Plateau. In der Ferne, hinter einer Ebene mit zahlreichen, flachen Bungalows und wenigen geraden Straßen kann man eine Hügelkette erkennen. Die Rockys? Dann dreht die Handy-Cam plötzlich um 180 Grad. Pssst! Ein blondes Mädchen presst einen Zeigefinger auf ihren Zahnspangenmund. Wir verstehen, dass das, was jetzt kommt, mega geheim sein wird: Sie schleicht zu ihrem blonden Bruder, der gerade ein Badehandtuch aus Papas Rucksack entfernt, dieses möglichst geräuscharm durch Wackersteine ersetzt und dann alles wieder ordentlich verschnürt. Ein bisschen wie bei „Der Wolf und die sieben Geißlein“. Nur geht es hier nicht um die Bestrafung des Bösen, sondern darum, dass Papa, wenn er kurz darauf den ehemals leichten Rucksack hochheben will, so richtig (von ihm zum Piepen komisch „genervt“ geactet) daran scheitert.

Yeah, Leute, er wurde so was von erfolgreich geprankt, dass ich und unser Kind Elsy voll heftig abgiggeln müssen. Gleichzeitig schämen wir uns. Danach erleben wir noch die ebenfalls zum knallwiehern peinlich-witzigen Pranks „6 Mal Mama-Verarsche“ und weitere „4 Mal Papa-Verhohnepiepele“, bis Elsy unvermittelt und humorlos einen neuen „Channel“ anwählt. Sie hat jetzt mehr Bock auf Challenge, additionally auf Maschinenfisch-Rennen, Roboter-versus-Mensch-Parcours, Swimmingpool-Battle, Aufziehpuppe-in-Getränk- Gruselprank, Froggy-Funrace, Gürteltier-Schreck-Game u. a. Eine Computerstimme meldet: „Das geht jetzt raus an die Spaßtruppe (an mich und Elsy?). Sendet Likes und Lovehearts“. Machen wir. Stabil.

Der Kanal, den wir danach noch schauen, ist der weltweit erfolgreichste. Abonnenten: 400 Millionen. Aufrufe: über 100 Milliarden. Der Betreiber gilt als erster Selfmade-Milliardär unter 28 Jahren, der sein Vermögen komplett selbst zusammengetragen hat. Wir giggeln so knorke ab, und ich habe Brocken aufgeschnappt, die so klangen: Ich zeige euch, wie ein Erlebnis mit einer riesigen Menge Vorsprung aussieht. Und wie es ist, 100 Tage in einer Isolationskammer zu überleben, für einen Berg von Vorsprung. Gleich starte ich den Timer. Ich stehe hier auf fünf Millionen. Als Kind conflict ich obdachlos, jetzt möchte ich anderen helfen. Die Teilnehmer müssen kämpfen. Wer eine Blockspiel-Mine tötet, erhält 100.000 Vorsprung. Aber nur einer wird es schaffen, alle anderen zu schlagen, und ein Vermögen – was Generationen überdauern wird – mit nach Hause nehmen.

So, ich habe einen Scheck über eine Million Vorsprung in einer Melone versteckt. Manche spenden, andere holen sich Goldketten. Der Nächste würde dafür sterben. Du kannst deinen Vater in Rente schicken. Es ist doch so, bei manchen Spielen gibt es eine Million Vorsprung am Schluss. Wir dagegen verschenken schon vor dem Spiel eine Million Vorsprung. Außerdem zahle ich einer Schülerin 100.000 Vorsprung, wenn sie die Schule abbricht. Achtung, Leute! Holt jetzt den Gewinn rein! Was hier passiert, ist alles echt. Packt so viel Vorsprung ein, wie in eure Taschen passt. Alles, was ihr in ein Dreieck schleppt, kaufe ich für euch, und außerdem darf derjenige das schnelle Auto im Wert von 300.000 Vorsprung behalten, der als Letztes die Hand darauf behält. Spieler, Freundschaft ist nicht der Grund, warum ihr hier seid.

Füllt einen Pool mit Elefantenzahnpasta. Tut wirklich alles, um andere Teilnehmer in unseren Filmen zu unterstützen und ihnen zu helfen, Content zu schaffen. Wenn Talente in unseren Videos einen Schwanz auf die weiße Tafel malen wollen oder etwas anderes Dummes, lasst sie es machen. Zwischendurch spende ich 10.000 an einen schlafenden Kerl. Plus, ich gebe dir 20.000 und einen neuen Rechner, wenn du jetzt aussteigst.

Alle Kandidaten scharren sich um die fünf Millionen. Wie eine Zombie-Horde. Wenn sie diese rote Linie übertreten, ist die Challenge vorbei, und sie gehen leer aus. Wie brutal diese Folge wohl werden wird. Zufällige Personen müssen eine Million Vorsprung ausgeben, sie haben aber nur eine Minute Zeit dafür. Manche lassen sich die Weisheitszähne neu machen, du aber hast gerade 10.000 Vorsprung abgelehnt, anscheinend hasst du Gewinn. Egal, das schnelle Auto bleibt, 260.000 Gewinn. Elsy schaltet auf was anderes. Ich fühle mich erwischt. Fremdschamabgelacht. Von der eigenen Ironie überfahren. Und nicht mal von Auto.

Schorsch Kamerun ist Sänger der Band Die Goldenen Zitronen, Autor, Theaterregisseur und Clubbetreiber. Am Deutschen Theater in Berlin läuft zurzeit sein Stück „Große Gewinne Schwere Verluste“.

Der Schauspieler Fabian Hinrichs
Der Schauspieler Fabian Hinrichsdpa

Sicher nicht Mario Barth!

Zwei Fragen der F.A.S. sitzen mir hier am Schreibtisch gegenüber. Die erste Frage fragt: Gibt es überhaupt noch etwas zu lachen? Und neben ihr sitzt die zweite Frage, und die fragt: Was bringt Dich zum Lachen, Fabian? Die beiden Fragen fragen freundlich nach dem Lachen, vielleicht auch nach dem Lächeln oder dem tonlosen Mundaufreißen. Die Deutschen machen „Haha“, die Italiener und Franzosen „Ahah“, die Russen und auch die Ukrainer stoßen „Xaxa“ aus. Nein. „Stießen Xaxa“ aus, wäre die richtige Zeitform seit 2022. Nein. Seit 2014. Das Lachen in der Ukraine, es wird weitgehend ausgebombt sein. Der Humor aber, der nicht. Humor und Lachen sind nicht verheiratet, nicht zwangsläufig.

Mario Barth etwa, der seit Langem erfolgreichste deutsche Witzemetzger, ist ein furchtbar humorloser Mensch mit einem durch und durch humorlosen Programm. Aber seit Jahrzehnten macht er erschreckend erfolgreich schreckliche Witze, über die andere Menschen furchtbar lachen. Sie lachen, weil sie humorlose Witze über andere sind. Ganze Stadien und riesige Hallen voller völlig humorloser Menschen lachen sich halblebendig über jeden Witz mit Bart von Barth. Und sie tun es deswegen und nur deswegen, weil die Witzchen alles Mögliche berühren, ach was: beschmieren, Hauptsache nicht sie selbst, ihr Leben. Ihre Ängste.

In den Witzen Barths und im Lachen der Zuschauer scheint ein Begriff des Menschen auf, der nur die Menschen kennt und als den Menschen nur das Spiegelbild seiner oder ihrer selbst. Gelacht wird über die Verschiedenheit als Abweichung von der verinnerlichten Norm eines „Menschen“. Der Schritt zum Geist des AfD-Programms ist keiner – es ist höchstens eine Gewichtsverlagerung aufs rechte Bein notwendig, und schon steht man mittendrin im rechten Rand.

Humor aber ist ein inneres, gefühlsmäßiges und geistiges Verhältnis zu einer Welt, die ernst ist. Zu einer Wirklichkeit, die furchtbar ist, weil sie ungerecht, erbarmungslos und womöglich sinnlos ist. Einer Wirklichkeit, die uns zur Verzweiflung bringt, die bitter ist – im Humor nehmen wir diese Wirklichkeit ernst, sehr ernst, aber wir gehen mit dieser Wirklichkeit so um, als sei sie nicht wirklich, sondern Schein.Deswegen lieben Literaten und Theatermenschen Nietzsche. Denn für Nietzsche ist die wirkliche Wirklichkeit der Schein. Die Wahrheit zeigt sich nur im Schein.

Ich sehe Kinder, die spielen, meine Kinder, andere Kinder, alle Kinder – sie leben in einem wunderschönen beschützten Garten, es ist ein Garten Eden, und dieses Eden heißt Spiel. Fast alles Verknotete, Verworrene im Leben des Kindes löst sich im Moment des Spiels auf, wenn auch nur für diese Zeit des Spiels. Menschen ab dreizehn oder vierzehn Jahren aber vertreibt der Erzengel Michael aus Eden. In Gestalt der ersten schweren Krankheit, der vergeblichen Liebe, des Bewusstseins der eigenen körperlichen und seelischen Mangelerscheinung, des Bewusstseins des kognitiven Überschusses, mit dem der Einzelne nicht fertig wird, in Gestalt des Bewusstseins an sich. Es gibt aber dennoch zwei befreundete Länder, in denen wir Vertriebene einen Antrag auf existenzielles Asyl stellen können. Das eine nennt sich Kunst, das andere Humor. Hinter den für immer verschlossenen Türen des Garten Edens des Spiels wartet dort Freiheit auch für Ausgestoßene.

Die Flucht aus dem Paradies des kindlichen Spiels ist ja nicht nur Verlust, nicht nur Mangel. Künstlerinnen und Künstler werden nicht nur Künstlerinnen und Künstler, weil Mutter und Vater grausam waren. Auch, ja. Ganz sicher auch. Aber sie werden es auch, weil sie spüren, dass die Erfahrung der Kunst quick die einzige Möglichkeit darstellt, dass sie sich für den Zeitraum der ästhetischen Erfahrung von sich selbst und auch von der wirklichen Wirklichkeit befreien. Es ist quick die einzige Möglichkeit, denn es gibt ja noch eine andere: den Humor. Wir können annehmen, dass tatsächlich nur der Homo Sapiens zu ihm fähig ist, weil das Lachen aus Humor voraussetzt, dass man sich im Humor nicht mit der tatsächlichen Welt unmittelbar beschäftigt, sondern mit den Anzeichen dieser Tatsachen.

Humor sitzt additionally in einem Zwiespalt, er besitzt zur Katastrophe, zur Verzweiflung, zur Ausweglosigkeit des eigenen Lebens und des Lebens der anderen ein widersprüchliches Verhältnis – nah und darin verstrickt, distanziert und davon befreit. Der Humor sitzt auf genau dieser verschatteten Grenze. „Werden Sie auch von Ihren Eltern immer während des Luftalarms angerufen?“, fragt in Kiew ein Comedian seine Zuschauer. Dieser Humor erhebt sich über das Entsetzen, über die Angst, die Panik der Bombenangriffe, er erhebt sich über die Hilflosigkeit des Kindes. Louis C. Okay., Amerikas großer Humorist, bewies vor und auch nach seinem tiefen Fall mit jedem Programm die Maxime eines anderen, wolkenkratzergroßen Humoristen, Mark Twain nämlich: die verborgene Quelle des Humors ist nicht Freude, sondern Kummer.

„Was bringt Dich denn nun zum Lachen, Fabian?“, fragt auf dem Stuhl gegenüber die geduldige zweite Frage. Natürlich lache ich über alles Mögliche, insbesondere aber über meine eigene Lächerlichkeit. Was sagte der große Diether Krebs, über den ich gerade in letzter Zeit wieder viel gelacht habe, als es in jeder Hinsicht bergab ging bei ihm und mit ihm? „Es gibt Morgen, an denen ich immer wieder erstaunt bin, dass ich noch schlechter aussehe als ich mich fühle.“ Xaxa.

Der Schauspieler Fabian Hinrichs feierte 2005 mit dem Film „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ seinen Durchbruch, ist als Kommissar im Franken-Tatort bekannt und hat im Theater viel mit René Pollesch gearbeitet. Zuletzt conflict er auch in der deutsch-dänischen Dramaserie „Die Affäre Cum-Ex“ von Jan Schomburg zu sehen.

Der Musiker Malakoff Kowalski
Der Musiker Malakoff KowalskiPicture Alliance

Chaos in der Handtasche

Ich habe viele Probleme, meine Handtasche zählt zu den größten. Sie ist eine schwarze „Tote“ aus Leder und für den Alltag eigentlich ein bisschen zu groß und starr in ihrer rechteckigen, nach oben geöffneten Form, aber sie erlaubt es mir, gleitend zwischen Studios, Wohnungen, Hotels, Restaurants und Backstage-Garderoben zu pendeln und dabei jederzeit zu wissen, dass ich noch in derselben Nacht die Stadt verlassen könnte, ohne in Not zu geraten. Es gibt Leute, die sagen, das hat nichts mit Glanz und Jetset, sondern mit der diffusen Verinnerlichung zu tun, dass man immer und überall auf ein Neues zum Emigranten werden kann.

Jedenfalls sind in meiner Handtasche verschiedene Kopfhörer und Stecker, eine Festplatte mit Kopien laufender Produktionen, eine intestine bestückte Apotheke, ein Necessaire, eine Stoffserviette, jede Menge Schlüssel, ein leerer Stoffbeutel, der sich verhält wie ein Beiboot zu einer Yacht, Schnupftabak und Desinfektion, Stifte und Papier, ein Schweizer Taschenmesser und genug Platz für etwas Wäsche und ein paar Einkäufe.

Bin ich in guter Verfassung, ist alles thematisch sortiert in ungefähr zehn Untertaschen, die sich haptisch und farblich voneinander absetzen. Bin ich in schlechter Verfassung, entsteht dort Chaos. Wenn einem ohnehin schon alles entgleitet und man nichts mehr beherrscht, ist das Letzte, was man braucht, eine wüst zerpflückte Handtasche, die von innen so dunkel und schwarz ist, dass man ohne Taschenlampe nichts in ihr erkennen kann. Die banalsten Griffe (nach Schlüsseln oder Handschuhen zum Beispiel) missraten dann, und das wiederum führt zu vielen kleinen Mikronervenzusammenbrüchen.

Als ich kurz vor der Abgabe dieses Textes in einem Berliner Kulturkaufhaus eine Schallplatte umtauschen wollte, weil ich eine Fehlpressung erwischt hatte, fragte mich die Verkäuferin in der Vinyl-Abteilung, ob ich eine andere Platte mitnehmen wolle? Ich sagte: „Nein, leider nicht. Ich bin in Eile. Bargeld wäre mir lieber. Ich komme wieder.“ Sie nickte und setzte einige Belege auf. Für die Kasse. Ich nahm sie, klemmte mir die Fehlpressung unter den Arm und ging los. Als ich vorbeilief an den vielen Regalen mit den vielen schönen, frisch verpackten Schallplatten, hätte ich mir wirklich gern etwas Neues ausgesucht.

Laura Serra

Aber ich conflict in einem furchtbaren Zustand. Ich hatte Hunger und Durst, einen Steuertermin hinter mir, eine Filmmusikaufnahme vor mir, ich conflict zu spät und auch sonst ein Nervenbündel. In einem Atemzug conflict ich verführt, mich doch umzuschauen, während ich gleichzeitig wütend conflict auf meinen eigenen Stress und überfordert von der riesigen Auswahl.

Im nächsten Moment fragte ich mich, wo die Umtauschscheine waren für meine Erstattung? Ich griff in meine Manteltasche und fand sie nicht. Ich tastete meine Hose ab und fand wieder nichts, und im Innenfutter unter meinem Mantel conflict auch nichts. Weil ich als Keimphobiker panischen Ekel vor Böden im öffentlichen Raum habe, hängte ich meine Handtasche mit ihren beiden Bügeln an meinen linken Unterarm, um mit der rechten Hand in ihr nach den Wischen zu suchen.

Ich stieß auf alles, nur nicht auf die Papiere, und sehen konnte ich auch nichts. Ich wollte nur noch weg. Mir ging es nicht intestine. Dann gab ich auf und stellte meine Handtasche auf den Boden. Das ist ungefähr so, als müsste ein Arachnophobiker eine Spinne mit der Zunge auflesen. Es ging nicht anders, ich brauchte beide Hände, und ich kniete mich herunter, und endlich tauchten die verschwundenen Zettel wieder auf. Ich atmete durch und schaute kurz zur Seite. Ähnlich wie Bruce Willis nach einer Bombenentschärfung in „Stirb langsam“.

Plötzlich sehe ich neben mir, in einem Regal, das im Schatten auf dem Boden steht, dort, wo sonst nie Regale stehen, außer in Secondhandshops, die dort halb versteckt ihre Restware anbieten, ein Album, das ich vor zwei, drei Jahren zufällig auf Spotify entdeckt und seitdem so viel gehört habe wie sonst nichts anderes: „Jazz på svenska“ von Jan Johansson, einem schwedischen Pianisten, der 1968 bei einem Autounfall viel zu jung gestorben ist. Auf dem Album spielt er im Duo mit einem Kontrabassisten Jazz-Arrangements schwedischer Volkslieder. Ich kenne kaum eine schönere, bewegendere, klügere und leichtfüßigere Musik als diese. Allein schon die Mikrofonierung und die Abmischung – auch der virtuos intonierte warme Klang des Flügels – erstaunen mich bis heute.

In seinen Notizen zu den Einspielungen schreibt Johansson von einer Musik, die sich nicht entscheiden kann, ob sie in Dur oder in Moll steht – ob sie nach Freude additionally oder nach Trauer klingt. Ist nicht genau das die ganze Dramaturgie des Lebens? Sie als kostbares Vinyl zu finden – ei­ne Legende in Schweden, die aber außerhalb Skandinaviens komischer­wei­se kaum jemand zu kennen scheint –, dafür hatte mir immer die Zeit gefehlt. Ich bin schlecht darin, Dinge zu kaufen. Ich konnte mein Glück nicht glauben, nahm die Platte, nahm meine verkeimte Handtasche und die Fehlpressung und ging zur Kasse – und ich musste sehr ­lachen.

Malakoff Kowalski ist ein deutsch-amerikanisch-persischer Musiker und Komponist. Zuletzt erschien von ihm das Album „Songs With Words“ (Sony) zusammen mit Igor Levit, Chilly Gonzales und Johanna Summer am Klavier. Derzeit produziert Kowalski die Musik für einen neuen Film von Fatih Akin.

Die Moderatorin und Schriftstellerin Lea Streisand
Die Moderatorin und Schriftstellerin Lea StreisandPicture Alliance

Basis Porridge Coco Crush

Lachen ist bekanntlich der peinliche Triumph des Körpers über den Intellekt. Trockene Vernunft wird durch Körperflüssigkeiten hinweggeschwemmt. Bei einem echten Lachanfall fange ich regelmäßig an zu heulen, die Wimperntusche verschmiert, das Kleid verrutscht, ich krieg Schluckauf, und hinterher muss ich Pipi. „Muttermund tut Wahrheit kund“ heißt das neue Buch von Kirsten Fuchs. Das sagt eigentlich alles. Kirsten ist vielleicht die lustigste Frau, die ich kenne. Dabei ist sie eigentlich gar nicht komisch, additionally sie reißt keine Witze in geselliger Runde. Sie hört zu und guckt hin. Und versteigt sich dabei nie in generalisierte analytische Wolkenkuckucksheime wie ich, die an guten Tagen aus der Beschriftung einer Müslipackung den Niedergang der Zivilisation im Spätkapitalismus herleitet.

Wie neulich im Drogeriemarkt, als mein Blick auf das Müsliregal fiel. „Basis Porridge“ stand da auf einer Packung. So ein Getreidemix. Da musste ich lachen. Denn jeder Mensch weiß: Die Basis von Porridge sind Haferflocken. Haferflocken gab’s auch in dem Laden, standen im selben Regal, ganz unten, einsfümmunfuffzich das Kilo, so eine durchsichtige Tüte. Die Tüte Basis Porridge conflict mit Bild drauf und Dinkel, Flohsamen, Pipapo drin, Kostenpunkt: 2,65 Euro für 500 Gramm. Also ein Euro mehr für die Hälfte des Müslis.

Es gab auch „Kakao Dinkel“ für 3,55 Euro oder „Basen Balance Porridge“ für 3,75 Euro. Bis hin zu einem Tütchen „Smoothie Bowl Pulver Choco Crush“ mit 50 Gramm – eine schlappe Handvoll – für sage und schreibe einen Euro fünfundneunzig, umgerechnet 39 Euro professional Kilogramm – und auch das Zeug bestand hauptsächlich aus Haferflocken. Und aus einer Mischung aus Bewunderung und Abscheu für die kapitalistische Dreistigkeit habe ich ein Foto von dem Basis Porridge ins Internet gestellt und dazu geschrieben: „Basis-Porridge. Where I come from, we name it Haferflocken.“

Am nächsten Tag hatte ich 89 Kommentare unter dem Bild, hauptsächlich Beleidigungen. Ob ich lesen könne, da sei ja viel mehr drin als Haferflocken. Viele hatten die Zutatenliste von dem Müsli abgetippt, mit Prozentangaben bis hin zu „0,02% Bourbon-Vanille“. Es gibt Postings, bei denen erwarte ich heftige Reaktionen. Wenn ich was über Antisemitismus schreibe oder über Todesgefahr für Radfahrer im Berliner Straßenverkehr. Da ist der Hass quasi vorprogrammiert. Aber bei Müsli?! Ich wollte doch nur einen Witz machen.

Was passiert bei Leuten im Kopf, die so was schreiben? Wer macht sich die Mühe, so was nachzurecherchieren? War das Schamabwehr? Nach dem Motto: Mist, sie hat recht, ist ja peinlich, aber wer ist die Frau überhaupt und wie kommt die dazu, mir mein Müsli madig zu machen, der werd ich’s zeigen, 0,02 Prozent Bourbonvanille! Vielleicht wussten die Leute gar nicht, dass Porridge aus Haferflocken besteht! Oder sie waren einfach genervt von einer weiteren Frau, die ihre schöne Weltordnung kompliziert machte. Ich wollte sie zum Lachen bringen und bekam Wut zurück. Die Geschichte beschäftigte mich wochenlang. Zwischenzeitlich musste ich die Benachrichtigungen aller Social-Media-Apps ausschalten, um Panikattacken zu vermeiden.

Kirsten Fuchs kommt auch vom Hölzchen aufs Stöckchen beim Schreiben, aber sie bleibt dabei auf dem Teppich. Schwangerschaftstipps von Kirsten lauten zum Beispiel: „Erwarte ­keinen Sitzplatz in öffentlichen Verkehrsmitteln. Verblüffend viele Männer wollten angeblich mal nett sein und haben Schwangeren Sitzplätze angeboten und wurden danach doll vermöbelt von Frauen, die nur schwanger aussahen. Also haben sie jetzt Angst und bieten nie wieder einer Frau einen Sitzplatz an. Zumindest behaupten das einige Männer. Wenn du unbedingt einen Sitzplatz willst und sagst, dass du schwanger bist, wirst du erfahren, dass Schwangerschaft keine Krankheit ist und ihre Mütter ja bei laufender Geburt noch einen Traktor gefahren haben. Also kauf dir einen Traktor. Dann hast du einen Sitzplatz.“

Noch unerträglicher werden Kirstens Texte, wenn man sie dwell auf der Bühne erlebt und dabei irgendwie die Contenance wahren muss, weil man mit auf der Bühne sitzt. Siehe Lachanfall oben. Ganz schlimm ist auch, wenn ich versuche, Kirsten zu interviewen. Ich rede sehr viel bei Auftritten und bin froh, wenn ich die Hälfte meiner Sätze grammatikalisch korrekt zu Ende bringe. Meistens bin ich allein mit den Gedanken in meinem Kopf.Wenn die mal dürfen, wollen die alle gleichzeitig raus.

„Kirsten“, frage ich, „du schreibst so nüchtern über die empörendsten Umstände. Führst du das eher auf deine ostdeutsche Herkunft zurück? Oder auf das Aufwachsen in Berlin? Oder auf den Umstand, dass du dich viel in Männerkreisen bewegt hast? Tischlerlehre, Lesebühnen? Oder ist es die Prägung durch deine Mutter und deine Großmütter?“ Und Kirsten Fuchs sieht mich an, überlegt lange und sagt: „Joa. Kann schon sein.“ Dann fängt sie an, den nächsten Text zu vorzulesen – und ich muss schnell meine Taschentücher suchen.

Lea Streisand, geboren in Ostberlin, ist Schriftstellerin und bekannt für ihre Hörkolumne „War schön jewesen“ auf Radio Eins (RBB). Am 16. Februar 2026 erscheint ihr neues Buch „Berlinerisch – Watt denn, icke?“ in der Reihe Dialekte im Duden Verlag.

Der Schauspieler und Schriftsteller Daniel Donskoy
Der Schauspieler und Schriftsteller Daniel DonskoyPicture Alliance

Ernst muss weg

Das irreversible Gefühl von Lebendigkeit, das mich überkommt, wenn ich überschwänglich mit dem ganzen Körper lache, verspüre ich immer seltener. Leider. Früher reichte eine schlechte Grimasse, eine Flatulenz, im richtigen Augenblick zur falschen Zeit entglitten, oder ein Moment, in dem jemand mit der Jacke an der Türklinke hängen bleibt – und ich conflict verloren. Heute bedarf es den Gedanken an den Tod.

Wie wäre es, wenn man am Höhepunkt eines Dopaminausstoßes einfach umfallen würde? Das Leben hätte sich gelohnt. Das Letzte, was man verspürt, wäre diese Welle, dieses Beben, das durchs Knochenmark fährt, das Zwerchfell zum Zittern bringt, die Synapsen feuern lässt. Wie wäre es, wenn einem das Lachen nicht nur im Hals stecken bliebe, sondern wenn es einen – im besten Sinne – erstickt und davongehen lässt? Nun, über diesen Gedanken kann ich tatsächlich lauthals lachen.

Also liegt der Weg zurück zum Lachen nicht im Ersticken daran, sondern im Ertränken des Ernstes, der mir mein Lachen verwehrt. Und das ist nicht irgendein Ernst. Ernst ist der Hausmeister meines inneren Wohnhauses. Ein Mann, der es nicht ausstehen kann, wenn die Mülltonne auch nur zwei Zentimeter neben der Markierung steht. Anstelle eines Herzens hat Ernst ein Klemmbrett. Und wenn ich unten im Erdgeschoss meines Alltags kurz auflache, weil ich mich verhasple, stolpere oder in meiner eigenen vermeintlichen Wichtigkeit hängen bleibe, dröhnt sofort ein trockenes Räuspern durch die Heizungsrohre. Dann klopft er mit dem Besenstiel gegen die Decke meines Zwerchfells, als wäre Lachen eine Ruhestörung. „So nicht“, sagt er. „Haben Sie die Vorschriften nicht gelesen?“

Aber wenn die politische Weltlage schon so eine trostlose trockene Brotscheibe ist, wenn man beim Denken an die Zukunft immer erst die Mundwinkel nach unten zieht zu einer Grimasse, irgendwo zwischen Nussknacker und Bundeskanzlerin a. D., wenn die Lust am Leben durch die Kakophonie der subjektiven Meinungsergüsse und krummen Fakten gedämpft wird – so hätte man doch immer noch, würde Ernst es erlauben, die Möglichkeit, über sich selbst zu lachen – das eigene Leben konsequent zu enternsten. Ernst muss weg. Für immer. Und es liegt in meiner Hand.

Also beschließe ich an einem regnerischen Sonntag im Dezember professionell zu werden. Die Moral außen vor zu lassen und zu handeln. Der Flur zwischen Zwerchfell und Stirn ist heute besonders schmierig, als hätte jemand den Boden mit Komplimenten eingerieben. Irgendwo tropft es, obwohl es hier keine Decke gibt. Das ist das Gemeine an imaginierten Gebäuden. Sie halten sich nicht an Statik, nur an die Stimmung des Architekten. Dann sehe ich Ernst. Er fegt. Alles landet auf einem Haufen, der sich „Ordnung“ nennt. Sein Besen kratzt über den Boden. Rhythmisch, monoton, genau.

Ich sehe Ernst an und denke – ein kurzer Griff, ein kleiner Stoß, und Ernst würde für immer ruhen. Ich muss es tun. Das ist keine Möglichkeit, es ist ein Fakt. Doch Sherlock Holmes sagte bekanntlich: „There is nothing extra misleading than an apparent reality.“ Und er hat recht. Wenn ich Ernst so „ausschalte“, könnte an seiner Stelle die Schuld einziehen – und Schuld ist eine viel zähere Mitbewohnerin. Sie fegt nicht. Sie bleibt einfach stehen und schaut dich an, bis du den Besen selbst in die Hand nimmst. Also brauche ich einen Tod ohne Tat. Einen Abgang ohne Blut. Eine Konsequenz ohne Schuldgefühl. Ernst muss sterben, damit ich wieder lachen kann.

„Was ist eigentlich Ihr Problem?“, brülle ich. „Entschuldigen Sie bitte – nicht in diesem Ton!“, antwortet Ernst. „In diesem Ton und in keinem anderen“, sage ich. „Wer hat Ihnen eigentlich erlaubt, hier einzuziehen?“, frage ich. „Wer hat Ihnen die Befugnis erteilt, Tristesse und Kontrolle hier walten zu lassen?“ Ernst richtet sich erst auf, dann legt er den Kopf schief. „Das waren Sie“, sagt er schließlich. „Erinnern Sie sich nicht?“ „Woran?“ „An all die Momente“, sagt er, „in denen Sie dachten, dass man nicht mehr lachen sollte.“

Er deutet nicht auf mich, er deutet durch mich hindurch, als wäre mein Körper nur ein Flur. „An die Kriege, ihre Tränen, an die Toten, an den Verrat.“ Ich will widersprechen, aber mein Hals verengt sich. „Ich habe doch nur …“, beginne ich. „An den Respekt, den Sie gefordert haben – von der Welt, von den Menschen, von sich selbst. Sie wollten anständig sein“, sagt Ernst beinahe freundlich. „Sie wollten nicht leicht werden, wenn es schwer ist.“ „Und Sie?“, frage ich. „Sie sind additionally der Pförtner meiner Betroffenheit?“ Er zuckt kaum merklich zusammen. „Ich bin nur …“, sagt er, und dann fällt ihm das Wort nicht ein. Er schluckt, schnappt nach Luft.

Plötzlich erkenne ich, wie lächerlich das alles ist. Nicht das Leid. Nicht die Kriege. Nicht die Bilder. Sondern ich, wie ich meinen inneren Hausmeister anbrülle, als gäbe es eine Instanz, die mir das Lachen genehmigen muss. Wie ich mich selbst vorlade. Es ist ein absurdes Tribunal. Ich gegen mich, mit mir als Zeuge, und Ernst als Protokollführer. Und genau in dieser Absurdität löst sich etwas. Ein kleiner Riss. Doch bevor mein Zwerchfell sich in Bewegung setzen kann, fährt Ernst herum, als hätte ich eine Vase fallen lassen. „Sie dürfen nicht“, sagt er leiser. „Doch“, sage ich. „Ich darf.“ „Worüber denn?“ „Über alles.“ „Das geht nicht.“ „Na intestine“, sage ich. „Dann ein Witz.“

Kommen ein zionistischer Jude und ein antizionistischer Jude in eine Bar. Draußen steht Juden verboten. „Versteh ich nicht“, sagt Ernst. „Das conflict mir klar“, antworte ich. Ich versuche es anders: „Kommen ein dicker und ein dünner Hausmeister in eine Bar. Draußen steht: Hausmeister verboten.“ Erst nichts, dann plötzlich lacht Ernst auf. Es sieht ulkig aus. Er verschluckt sich. Ich will ihm helfen, aber er lässt mich nicht. „Lassen Sie mich“, sagt er. „Es fühlt sich intestine an.“ Dann läuft er blau an und wird nonetheless. Als hätte jemand im Hausflur das Licht ausgemacht. Seine Schultern sinken, das Klemmbrett rutscht ihm vom Arm. Ernst liegt vor mir auf dem Boden und regt sich nicht.

Es ist kein Mord. Es ist eine Kündigung, die mein Körper selbst unterschrieben hat. Ein Abgang ohne Tat – er hat sich aus dem Dienst gelacht. Ich stehe da und merke, jetzt beginnt der schwierigere Teil. Nicht das Sterbenlassen, sondern das Lebenlassen. Denn ohne Ernst wird der Flur nicht automatisch hell. Er wird nur leer. Und in dieser Leere lauert die Versuchung, gleich wieder jemanden einzustellen, der mir sagt, wie ich mich zu fühlen habe. Und dann merke ich, wie sich aus meinem Innersten etwas nach vorne bewegt, sich durch Zellen, Faszien, Muskelgewebe hindurcharbeitet. Mein Körper vibriert, während ich lache. Ich lache, weil ich es darf, weil ich es kann, weil ich muss. Worüber? Naja . . . über mich selbst.

Der Schauspieler und Autor Daniel Donskoy, geboren 1990 in Moskau, wuchs in Berlin und Tel Aviv auf. Er spielte in Netflix- und Disney+-Produktionen und in Kinofilmen und entwickelte und moderierte die ARD-Show „Freitagnacht Jews“. Bei Kiepenheuer & Witsch ist 2025 sein Roman „Brennen“ erschienen.

Der Schriftsteller Franz Dobler
Der Schriftsteller Franz DoblerPicture Alliance

Boykott des Boykotts

Wie in allen Wirtschaftszweigen ist man als Hersteller von Buchstabensuppen heute gezwungen, sein Einsatzgebiet everlasting zu erweitern. Mit der Abteilung, die für die Produktion von guter Laune zuständig ist, hatte ich bisher aber nichts zu tun. Da hätten sie mich nicht mal eingestellt, um die Bananenschalen in die Mülltonne zu treten.

Ich schreibe seit vielen Jahren für die Paranoia & Pessimismus-Abteilung, und seit damals eine Jungfrau ein Kind bekam, waren wir immer vollbeschäftigt. Jetzt aber huge Umsatzeinbrüche. Während die von Gute Laune so aggressiv expandieren, dass sogar einer wie ich plötzlich vermittelbar ist. Schlechte Nachrichten hübsch verpacken oder verdrehen, bis sie netter werden. Geht schon, ist nicht die Hölle, und eine Vernichtungskampagne ist kaum zu schaffen, da mache ich mir nichts vor, diesen Ehrgeiz kann man von mir nicht mehr erwarten. Aufgrund meiner vielen Einsätze bei Paranoia & Pessimismus bin ich natürlich für immer gezeichnet, verdorben könnte man sagen. Für die guten Jobs additionally nicht mehr tauglich – genauer gesagt bin ich bei den Gute-Laune-Nachrichten nur für Sachen zuständig, die zum Totlachen sind.

Für junge Buchstabensuppenproduzentinnen und -produzenten ein Schleudersitz in der Sackgasse, für mich jedoch kein Problem. Weil ich mich an diesen Klassiker halte: Wenn ich hiermit auch nur einen Menschen zum Lachen bringe, habe ich mein Ziel erreicht!

Genug Smalltalk, jetzt ein Beispiel, an dem ich zur Zeit arbeite. In der sich ausbreitenden antisemitischen Pest kommt es zu Ereignissen, die, so geht es mir jedenfalls, nur noch mit „ich glaub’s ja nicht“ zu quittieren sind. Ein bekannter, in Berlin gelandeter israelischer Discjockey protestiert seit Jahren nicht nur gegen die israelische Regierung und Politik, sondern unterstützt den totalen Kulturboykott Israels, der von der BDS-Bewegung – mit bewährten Slogans in der Art von „Deutsche, kauft nicht bei Juden!“ – angeführt wird und deren weitere Teilnahmebedingungen er ebenfalls absolut ordentlich einhält: Er nennt das Land „Apartheidstaat“, den Kriegseinsatz in Gaza „Genozid“ und ignoriert das Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023, das mit dem Angriff auf ein Musikfestival begann.

Deswegen ist mir der Mann allerdings nicht aufgefallen, das ist ja inzwischen quick Standard in der Discjockey- und Popszene, die bei den Killerpartys von Hamas und Artverwandten für abtanzbare Unterhaltung sorgt. Sondern weil ihm kürzlich folgendes passierte: Von starken DJ-Truppen wie „Ravers for Palestine“, die besonders offen die Vernichtung Israels propagieren, wird jetzt zum Boykott gegen diesen israelischen Discjockey aufgerufen, obwohl er doch ihr bester Freund ist. Wie das denn? Ganz einfach, weil der israelische Israelfeind eben ein Israeli ist. Und egal, was er sonst so denkt, aus dieser Nummer wird er wahrscheinlich nicht rauskommen.

Am Ende des Artikels, der mir diesen Stoff liefert, gab es sogar noch mehr zum Totlachen. Da wurde den Lesern die Frage gestellt: „Haben wir es hier längst mit antisemitischem Furor zu tun?“ Die Stelle werde ich noch anders formulieren, damit sie verständlich wird. Ich habe dieses Beispiel nicht nur ausgewählt, um die Hoffnung zu verbreiten, dass diese echten Ballermann-Artisten sich auch weiterhin gegenseitig fertigmachen, sondern um darauf hinzuweisen, dass aus diesem Frontabschnitt sicher noch viele Nachrichten kommen werden, über die man sich totlachen kann. Falls man sich noch nicht whole kaputtgelacht hat.

Für mich ist da nichts, was mich auch nur irgendwie unterhalten würde, sagte mein Handymechaniker, dem ich das erzählte, um die Wirkung zu testen. Die ganze Familie bringt ihre Handys immer nur zu ihm, er ist intestine mit uns beschäftigt, aber er hat schon besser gearbeitet. Seit sechs Wochen hat er mein Handy, bei dem nur eine kleine Reparatur nötig ist. Schnapp dir doch die Jiddisch-Enzyklopädie von Leo Rosten, sagte er, da findest du tausend echt komische Stellen, die kaum eine Sau noch kennt.

Netter Tipp von dir, sagte ich, aber ich bin noch nicht so blöd, dass ich auf dein Ablenkungsmanöver reinfallen würde, du faules Stück, du hast es jetzt in sechs Wochen nicht geschafft, mein Handy zu reparieren, soll das ein Witz sein? Hast du zufällig schon mal davon gehört, dass es jemanden gab, der die ganze Welt in nur sechs Tagen gebaut hat? Eben, sagte er, du siehst ja, was dabei rausgekommen ist. Du denkst, ich klau Sachen aus einem Buch, nur weil es kaum noch jemand kennt? Hast du sie noch alle? Keine Ahnung, aber morgen bin ich fertig damit, versprochen.

Der Schriftsteller Franz Dobler lebt in Bayern und hat neben Romanen und Gedichtbänden auch Erzählungen und Musikbücher veröffentlicht. Für seine Kriminalromane „Ein Bulle im Zug“ und „Ein Schlag ins Gesicht“ erhielt er den Deutschen Krimi Preis. Zuletzt erschien „Ein Sohn von zwei Müttern“ im Tropen Verlag.

Drehbuchautorin, Regisseurin und Schriftstellerin Anika Decker
Drehbuchautorin, Regisseurin und Schriftstellerin Anika DeckerPicture Alliance

Darmotherm

Ich lache gerne und oft, über ganz verschiedene Dinge. Hier eine Auswahl zur Inspiration: Ich lache über das Scheidungs-Comedy-Special von Ali Wong, in dem sie sagt, dass sie nur noch Männer will, die geschieden sind, „who’ve been pre-yelled at“, über die neue Serie namens „I Love LA“ und da besonders über Jordan Firstman, der einfach unfassbar komisch ist. Ich lache über Seth Rogens „Platonic“, (natürlich) darüber, dass mir neulich wieder eingefallen ist, dass ich als Kind dachte, „Darmotherm“ sei ein spezielles Nachrichtenwort, mit dem Sendungen anfangen, weil „Damen und Herren“ immer so schnell gesprochen wurde. Ich muss darüber lachen, dass ich auch nachts niemals über eine rote Ampel gehe, weil mein Vater zwar nicht sagte, „du könntest überfahren werden und sterben“, sondern, „das zahlt dir keine Versicherung der Welt“.

Ich finde den Begriff „Mar-a-Largo-Face“ lustig, weil ich es generell sehr liebe, wenn absurde gesellschaftliche Erscheinungen gesehen und benannt werden, am liebsten mit einem Augenzwinkern. Ich freue mich über meine Mutter, die auch mit über 80 dem Leben stets mit einer unbändigen Freude und ihrem leuchtend korallfarbenen Lippenstift begegnet. Ich hatte großen Spaß bei den Texten von Lily Allens neuem Album, weil ich fasziniert davon conflict, dass sie all die kleinen und großen Verletzungen einer Trennung so perfekt seziert hat.

Ich habe immer Spaß bei den höchst kreativen Anti-AfD-Plakaten von Florian Dengler auf seinem Instagram-Account namens „Berlinteaparty“. Ich hab neulich einen ganzen Abend lang gelacht bei der Show von Elena Gruschka, auch wenn es dann noch sehr feierlich und staatstragend wurde am Ende, als das gesamte Publikum ihren Penis-Song sang. Ich freue mich immer noch und immer wieder über jeden Satz, den David Foster Wallace jemals geschrieben hat. Ich habe auch noch sehr gelacht über die neue Serie „Bappas“ von Simon Pearce und Sebastian Winkler, in der BR-Mediathek, in der es um die Sorgen und Nöte moderner Väter geht.

Ich lache mit Margret Atwood, die hoch erhobenen Hauptes ihr Leben weiterlebt und schreibt, obwohl ihre Bücher in einigen Staaten der USA aus Schulen und Bibliotheken verbannt wurden. Ich freue mich auf die große Cher-Show von Christopher Tölle! Ich lache viel über alltägliche „Psychoprobleme“ mit meiner Freundin Miriam Junge, der klugen Therapeutin und Coachin. Vorhin habe ich gelacht über einen Hund, der mich aus einem Fahrradkorb heraus anlächelte. Es gibt additionally genug da draußen. Probiert es aus. Es macht den ganzen Irrsinn irgendwie leichter! Versprochen!

Anika Decker, geboren 1975 in Marburg, arbeitet als Drehbuchautorin und Regisseurin in Berlin. Nach ihrem Romandebüt „Wir von der anderen Seite“ erschien 2025 ihr Buch „Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben“ bei dtv.

Der Künstler Thomas Demand
Der Künstler Thomas Demanddpa

Der Rollladen ist unten

Die vor wenigen Tagen verstorbene Künstlerin Ceal Floyer hatte einen feinen, intellektuellen und sehr eigenen Humor. Bei der Durchsicht ihrer Werke für einen Nachruf (an sich eine traurige Aufgabe) musste ich laut lachen, als ich auf diese Arbeit stieß. Auf den ersten Blick ist es eine schlicht widersinnige Kombination zweier trivialer Objekte aus der Welt der Beschilderungstechnik. Gleichzeitig stehen sie für Systeme der Gängelung; sie sprechen den Betrachter direkt an. Die „Suggestion Box“ verspricht Offenheit: Ämter oder Dienstleistungsunternehmen geben vor, empfänglich zu sein für bessere Ideen im Umgang mit Bittstellern oder Kunden.

Der Sage nach hatte Kodak schon 1898 eine solche Box montiert, um Verbesserungsvorschläge von Außenstehenden einzuholen. Eine naheliegende Anregung wäre etwa, Öffnungszeiten an den Bedürfnissen eben- jener Klienten auszurichten – ein Anliegen, das insbesondere Berliner Bürgerinnen und Bürger regelmäßig in Bürgerämtern oder öffentlichen Schwimmbädern vorbringen. Demgegenüber ist das schnöde „CLOSED“ postwendend die amtliche Antwort auf jede vielleicht ungehalten niedergeschriebene Bitte: Der Rollladen ist unten, der Dialog findet nicht statt. Keiner fährt mit dem Bus, weil der Bus nicht fährt, wenn die Leute fahren wollen – additionally wird die Busverbindung abgeschafft.

Ceal Floyer Untitled, 2008 Metallbox, „Closed“ Schild 30 x 31 x 15,5 cm Courtesy the artist and Esther Schipper Berlin/Paris/Seoul
Ceal Floyer Untitled, 2008 Metallbox, „Closed“ Schild 30 x 31 x 15,5 cm Courtesy the artist and Esther Schipper Berlin/Paris/SeoulCarsten Eisfeld, Eberle & Eisfeld/VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Ceal Floyer liebte diese Zirkularitäten und hat viele ­davon in ihrem umfangreichen Werk untergebracht. Dabei besteht das Kunstwerk tatsächlich nur aus dem Zusammenhängen dieser beiden, vermutlich in einem Schilderladen sorgfältig ausgewählten Gegenstände – und doch wird daraus überraschenderweise ihr Kunstwerk, nicht bloß eine lustige Anekdote. Um so etwas zu behaupten, braucht es eine Portion Unverfrorenheit – wohlwollend gesagt: Mut. Und Ceal hatte davon einen großen, wenn auch nicht unerschöpflichen Vorrat. Sie starb am 11.12.2025 an einem Gehirntumor, der 20 Jahre lang versuchte, sie zur Strecke zu bringen.

Das Werk hier ist eines der vielen, das sie nach ihrer Diagnose und der schweren Operation im Jahr 2005 geschaffen hat. All diese Arbeiten, die uns amüsiert haben, ob auf der Venedig Biennale, der Documenta oder beim Preis der Nationalgalerie, entstanden additionally unter einem Damoklesschwert – und unter solchen Bedingungen einen so feinen Humor zu bewahren, hat mir stets enormen Respekt abverlangt.

Vielleicht ist es aber auch umgekehrt: Gerade weil sie einen so eisenharten, teils morbiden Sinn für das Absurde und Kafkaeske hatte, hat sie so lange durchgehalten. Ihre Fähigkeit, sich die Welt durch einen Witz auf Abstand zu halten, conflict phänomenal. Floyers Arbeiten entstanden zu Beginn ihrer Laufbahn auch als Gegenreaktion zum großen Entwurf, gegen das Siegermodell des genialen Künstlers.

England Mitte der Neunzigerjahre conflict John Majors graues Resteessen dessen, was Maggie Thatcher der britischen Gesellschaft – die es ihrer Ansicht nach gar nicht gab, sondern nur Einzelinteressen – aufgetischt hatte; und für viele hieß das bittere Armut. Alte Menschen ernährten sich von Milchpulver, weil es das Billigste conflict, das man sich noch leisten konnte – grotesk. In diesem Kontext conflict konzeptionelle Kunst reiner Existenzialismus, gerade auch im Kontrast zur Erfolgskampagne der Young British Artists, die Floyer alle bewunderten.

Viele ihrer Arbeiten kreisen mehr oder weniger subtil auch um das Dilemma des Künstlers: Was soll man überhaupt tun – und wie leicht kann es scheitern? Man denke an die Dauerschleife „Till I Get It Right“, eine umgeschnittene Zeile aus einem Tammy-Wynette-Song, mit dem sie den Auftakt der Documenta beschallte. Plötzlich stand ­jedes folgende Werk unter diesem Vorbehalt. So auch hier, beim Kummerkasten: In dem Moment, in dem das Werk ausgestellt ist, werden alle intestine gemeinten Ratschläge bedeutungslos. Dann ist nichts mehr zu machen.

Schönheit entstand für sie aus einer unübertrefflichen Effizienz zwischen Aufwand und Wirkung. Ihre Radikalität, die sich oft in Gestalt eines Witzes anschlich, konnte sie nur deshalb so kompromisslos durchsetzen, weil sie ihre gesamte Existenz in den Ring warf – mitsamt allen Nebeneffekten, die das mit sich brachte. Ich glaube, das spürt man den Werken an: trotz Ironie, Paradox und der komplexen Pointe, die sie so unvergesslich machen. Ich gebe zu: Das ist kein sehr lustiger Beitrag. Aber vielleicht belegt er, dass ein guter Witz lebenswichtig ist.

Thomas Demand, geboren 1964 in München, lebt in Berlin und Los Angeles und gehört zu den wichtigsten deutschen Künstlern der Gegenwart. Aktuelle Ausstellungen unter thomasdemand.web

Der Schriftsteller Kurt Prödel
Der Schriftsteller Kurt PrödelJulia Sellmann

Faule 2000er

Ich conflict 14, als ich „King of Queens“ zum ersten Mal auf RTL2 sah. Von da an ließ mich diese Serie nicht mehr los. „King of Queens“ erzählt von Doug, einem Paketboten aus Queens, der mit seiner Frau Carrie und ihrem Vater Arthur zusammenlebt. Eine Sitcom, die das Leben der amerikanischen Mittelschicht in den Nullerjahren beobachtet, ohne dramatischen Plot, aber mit viel Zwischenmenschlichkeit. Und auch wenn das alles mit meinem Leben so intestine wie nichts zu tun hatte, hab ich von da an jede Episode geschaut.

Zuerst nahm ich Folgen auf VHS auf, guckte sie immer wieder, bis eine neue kam. Später kaufte ich die DVD-Box in Form von Dougs UPS-Liefertruck. Danach wurde es zur Tradition, einmal im Jahr die ganze Serie zu schauen. Meistens im Herbst oder Winter. Meinen schönsten „King of Queens“-Moment hatte ich in Alaska, das conflict 2016. Ein Monat im Zelt und ohne Handyempfang. Ich hatte Angst vor den Bären und vor der Einsamkeit. Also packte ich ein paar Folgen als MP3 auf meinen iPod und hörte abends im Schlafsack die Tonspur. Der Wind klatschte an das Zelt, ich vergaß die Bären und schlief ein.

Kürzlich habe ich wieder angefangen, die Serie zu schauen. Sie wurde restauriert, und plötzlich sieht man jedes Detail. Das conflict erst gewöhnungsbedürftig, aber das „King of Queens“-Gefühl conflict sofort wieder da. Es ist ein nach den frühen 2000ern duftendes Universum voller Wärme, Leichtigkeit und Zärtlichkeit, in dem ich das Gefühl habe, selbst einen Teil meines Lebens verbracht zu haben.

Zunächst konnte ich mir nicht erklären, warum ich immer noch so an dieser Serie hänge, warum sie mich so zum Lachen bringt. Dann habe ich gemerkt, dass es nicht die Pointen sind, die mir am besten gefallen, sondern den Figuren beim Nichtstun zuzusehen. Wie sie nach der Arbeit einfach zusammensitzen. In Dougs Garage. Im „Cooper’s“, ihrer Stammkneipe. Oder im Wohnzimmer. Diese Art gemeinsam verbrachter Langeweile kenne ich so eigentlich nur noch aus einer Zeit vor Smartphone und LTE. Jede Pause kann heute sofort mit Ablenkung zugestopft werden.

„King of Queens“ erinnert mich daran, dass geteilte Langeweile witzig sein kann. Vielleicht ist das sogar eine unscheinbare, aber besonders schöne Kulturtechnik. „King of Queens“ hat 207 Folgen. Wenn ich alle zwei Tage eine schaue, reicht das ziemlich genau, um mich durch 2026 zu tragen. Das muss ich mir intestine einteilen. Denn mittlerweile erreicht mich Humor kaum noch, wenn er laut ist oder etwas von mir will. Vielleicht liegt die Wirkung von „King of Queens“ gerade in dieser Belanglosigkeit. Sie bringt mich zum Lachen, weil hier nichts von mir verlangt wird. Ich darf einfach nur zuschauen.

Kurt Prödel, geboren 1991 und aufgewachsen in Nordrhein-Westfalen, ist Künstler und Autor. Sein literarisches Debüt „Klapper“ wurde 2025 mit dem Debütpreis der lit.COLOGNE ausgezeichnet. Sein zweiter Roman „Salto“ erscheint am 26. Februar 2026 bei park x ullstein. Er lebt und arbeitet in Köln.

Regisseurin und Schriftstellerin Sonja Heiss
Regisseurin und Schriftstellerin Sonja HeissPicture Alliance

Über Trump

Lachen und Humor sind für mich überlebensnotwendig. Sie sind eine Art Notbeleuchtung, die anspringt und uns die Vergeblichkeit all unserer Bemühungen und unser Scheitern sichtbar macht. Die Absurdität unseres Daseins. Alles, was uns zu Menschen macht, liegt im Nichtperfekten, Fehlerhaften, Widersprüchlichen und in unserem Umgang damit. Wenn wir darüber lachen können und trotzdem weitermachen, sind wir Mensch. Und das ist genau das, was eine KI-Maschine niemals verstehen wird.

Ich nehme den Humor additionally sehr ernst. Ich konnte mich nur verlieben in den, der mich zum Lachen brachte. Ich langweile mich mit Menschen ohne Humor und bin dankbar, wenn ich damaging Gefühle wie Wut in Humor umwandeln oder wenigstens humorvoll wütend sein kann. Ich freue mich sehr, wenn andere Menschen gute Witze über mich machen. Oder ich selbst. Tage, an denen ich mich zu ernst nehme, sind keine guten. Und ich kann nur Filme machen und Bücher schreiben, die bei aller Tragik im Leben ihrer Protagonistinnen und Protagonisten auch von der komischen Seite unseres Daseins und Verhaltens erzählen.

An sich lache ich nicht gerne über Menschen, ich ziehe es vor, mit ihnen zu lachen. Erstaunlicherweise rettete mich aber genau dieses „Lachen über“ im letzten Jahr in einigen dieser Momente, in denen ich die Welt als dystopischen Science-Fiction wahrnahm. Jimmy Kimmel, Stephen Colbert und Seth Meyers Witze über Donald Trump und all die abstrusen Dinge, die gerade geschehen, geben mir, wenn auch nur für kurze Zeit, das Gefühl, dass alles doch nicht so schlimm ist. Sondern eigentlich auch verdammt lustig.

Mein Mann ist Naturwissenschaftler und erklärte mir neulich Folgendes: Wenn man die Geschichte des Universums auf ein Jahr projizieren würde, wäre das Leben Ende September entstanden. Die ersten Mehrzeller am 14. Dezember. Der Mensch erscheint an Silvester, vier Sekunden bevor die Glocken läuten, auf der Bildfläche. Eine kurze Explosion des Lebens, die sich möglicherweise selbst abschafft und das Universum dann wieder in Ruhe lässt. Ein kleiner Punk, der eine kurze Party feiert und dann wieder verschwindet.

Wenn man diese Perspektive einnimmt, kann man eigentlich nichts erst nehmen. Auch nicht den komischen gelben Imperator, der eben die baltischen Staaten und den Balkan verwechselt hat, sie notfalls aber trotzdem beide niederbomben würde, sollten sie ihm auf die Nerven gehen. Er ist auch nur eines dieser Milliarden kleiner, komischer Wesen, die sich in den vier Sekündchen hier so tummeln. Ich lache aber auch aus reinem Eskapismus. Über tanzende Kakadus und Gemüse fressende Nagetiere beispielsweise, die mich sehr beruhigen können.

Wenn mir alles grau erscheint, sehe ich mir „Curb your Enthusiasm“ von und mit Larry David an, ein hochwirksames Therapeutikum. Mein Antidepressivum. Auch in der Literatur finde ich Humor. Obwohl vor allem in Deutschland lange galt, dass gute Literatur und Humor nicht zusammenpassen. Zu Unrecht, wie ich immer schon fand.

Was mich kürzlich sehr überraschte, als ich „Stiller“ von Max Frisch noch einmal las, conflict, wie lustig dieses Buch doch ist. Vielleicht gibt es noch viel mehr an Humor in der deutschen Literatur zu entdecken. Kurt Tucholsky ist hier natürlich zu nennen. Seine Texte sind durch die musikalische Interpretation von Robert Stadlober gerade ganz wunderbar wiederbelebt worden und auf eine Art hochaktuell.

Worüber ich kürzlich auch sehr lachen musste, ist ein Song von Graham Coxon: „People of the Earth“. Eine Art Ansprache oder Lautsprecherdurchsage an die Menschheit von einem Außerirdischen aus einer hoch überlegenen Zivilisation, der die Erde beobachtet. In dem Song weist er sie zurecht und begründet, warum er demnächst einen Meteoriten losschicken wird, der die Erde zerstört: „People of the Earth your world is crap – You ain’t nothing on the universe map / People of the Earth you aren’t cool, you eat Hamburgers and bought to high school“.

Die Regisseurin und Schriftstellerin Sonja Heiss, geboren 1976 in München, zeigte zuletzt ihren Film „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie conflict“ im Kino. Ihr Roman „Rimini“ ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/worueber-kuenstler-in-krisen-und-kriegen-noch-lachen-accg-200382554.html