Proteste in Lützerath: Aktivisten verschanzen sich in Tunneln

Stand: 12.01.2023 21:26 Uhr
Oberirdisch ist Lützerath bereits fast geräumt – doch nun wurden Tunnel entdeckt, in denen sich Aktivisten verschanzt haben. Der Unmut vieler Aktivisten richtet sich immer sträker gegen die Grünen: In verschiedenen Städten gab es Aktionen gegen Parteibüros.
Einige Besetzer im Braunkohle-Dorf Lützerath haben sich in Tunneln unter dem Dorf verschanzt. “In mindestens einer dieser unterirdischen Bodenstrukturen sind Menschen drin, die müssen geborgen werden”, sagte Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach. Die Situation für die Aktivisten sei nicht ungefährlich: “Wir wissen nicht, wie stabil diese unterirdischen Bodenstrukturen sind. Wir wissen auch nicht, wie die Luftzufuhr dort ist”, sagte Weinspach – im Moment komme die Polizei nicht an die Aktivisten heran. Spezialkräfte des Technischen Hilfswerks und von RWE kümmerten sich nun darum, sie herauszuholen.
Die Besetzer hatten die Polizei selbst auf die Tunnel aufmerksam gemacht: In sozialen Netzwerken berichteten sie von den Gängen und warnten die Polizei, mit schwerem Gerät in den Bereich zu fahren. “Wie lange jetzt die Räumung aus den unterirdischen Bodenstrukturen dauern wird, das ist nicht abzusehen. Da wird es auch darauf ankommen, ganz vorsichtig vorzugehen und keine Risiken einzugehen”, sagte Weinspach.
Räumung fast abgeschlossen
Bis auf die Tunnel sei die Räumung des Dorfes aber fast abgeschlossen. “Wir haben fast alle Häuser geräumt bis auf eins. Es ist die Wiese geräumt, ein Großteil der Baumhäuser ist geräumt. Insofern bleibt gar nicht mehr so viel über”, sagte Weinspach. Eine Prognose, wie lange der Einsatz noch dauern wird, wollte er trotzdem nicht abgeben. Das hinge nicht zuletzt davon ab, wie sich die Räumung der entdeckten Tunnel gestalte.
Eines der für die Klimaaktivisten wichtigsten Gebäude – der Hof des Bauern Heukamp – war am frühen Donnerstagmorgen geräumt worden. Die Beamten hatten ein Loch in das Tor des besetzten Gehöfts gesägt und sich dadurch Zutritt zu dem jahrhundertealten Duissener Hof verschafft, an dem ein großes gelbes Banner mit der Aufschrift “1,5°C heißt: Lützerath bleibt!” hängt.
Dort wo bereits geräumt wurde, reagiert der Energiekonzern RWE schnell: Hütten, Baumhäuser und eine Halle wurden abgerissen, Bäume wurden gefällt.
Zu schaffen machte Aktivisten wie Einsatzkräften das schlechte Wetter: Bei Dauerregen und stürmischen Böen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 63 km/h gerieten die provisorischen Baumhäuser ins Wanken.
Neubauer von Polizei weggetragen
An einer Demo vom Ortsteil Keyenberg in Richtung Lützerath beteiligten sich laut Schätzung der Polizei am Nachmittag etwa 800 Menschen. Einige von ihnen versuchten dabei auch, näher an den Tagebau heranzukommen und verließen die angemeldete Demostrecke. Ein Polizeisprecher sagte, dies sei gefährlich und habe verhindert werden müssen.
An einer Sitzblockade beteiligte sich auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer mit etwa 100 anderen Personen. Sie wurde von Polizisten weggetragen. Nach Neubauers Angaben hatte die Polizei zuvor vereinzelt Pfefferspray gegen Aktivisten eingesetzt. Ein Polizeisprecher sagte, er könne das weder bestätigen noch ausschließen.
Neubauer erklärte in einem Live-Video in sozialen Netzwerken, wenn die Regierung das Pariser Abkommen verletzte, sei friedlicher Protest nötig. Auf einer Pressekonferenz sagte sie, es gehe nicht um ein Symbol, sondern “um 280 Millionen Tonnen CO2 unter dem Dorf”. Neubauer bestätigte zudem, dass bei der Demonstration am Samstag auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg in Lützerath erwartet werde. Die Polizei geht von bis zu 6000 Teilnehmenden aus.
Angriffe auf Grünen-Büros
Viele der Demonstranten kritisieren den Wirtschaftsminister Robert Habeck und die Grünen in NRW für ihre Zustimmung zur Räumung der Siedlung. Etwa 30 Personen besetzten die NRW-Parteizentrale in Düsseldorf, wie ein Parteisprecher bestätigte.
“Wir fordern ein Moratorium, um die unsinnige und gefährliche Räumung im Rheinischen Braunkohlerevier zu stoppen”, erklärte das “Bündnis Lützerath Unräumbar” in einer Mitteilung. Die Besetzer forderten, mit NRW-Energieministerin Mona Neubaur persönlich zu verhandeln. Die Aktivisten kritisieren, dass Neubaur dem Kohleabbau unter Lützerath zustimmte, um im Gegenzug den Kohleausstieg in NRW um acht Jahre auf 2030 vorziehen zu können.
In Leipzig wurden aus einer Spontandemonstration heraus Steine in die Fenster eines Grünen-Büros geworfen, die Scheiben gingen kaputt. Auch in Aachen wurden die Steine eines Parteibüros eingeworfen. In Flensburg besetzten Aktivisten das die Kreisgeschäftstelle – es ist der Wahlkreis von Habeck.
Source: tagesschau.de