Misstrauensvotum erfolgreich: Die Slowakei wählt am 30. September neu

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In der Slowakei behält Mi­nisterpräsident Eduard Heger trotz ei­nes erfolgreichen Misstrauensvotums und beschränkter Befugnisse voraussichtlich bis Jahresende sein Amt. Das Parlament in Pressburg (Bratislava) hat am Dienstag zwar den Weg für eine vorgezogene Wahl freigemacht und den Wahltermin auf den 30. September festgelegt. Bis zur Bildung der neuen Regierung dürfte weitere Zeit verstreichen. Bis dahin behält Präsidentin Zuzana Čaputová die Zügel in der Hand, denn die vom Parlament gestürzte Regierung muss für die meisten Entscheidungen vorab ihre Zustimmung einholen.

Die Mitte-rechts-Koalition hat unter ständigen Streitigkeiten ihre ursprünglich komfortable Mehrheit verloren, die sie in den Wahlen von Januar 2020 errungen hatte. Die liberale SaS wechselte 2022 in die Opposition, im Dezember führte sie das Misstrauensvotum im Parlament herbei.

Inzwischen sehen Um­fragen zwei Oppositionsparteien vorn: Die Smer-SD unter dem langjäh­rigen Ministerpräsidenten Robert Fico, der sich mittlerweile von den Vorwürfen der Korruption und mafiöser Verfilzung erholt hat, die ihn einst zum Rücktritt zwangen. Und die davon abgespaltene Hlas-SD unter Ficos Nachfolger Peter Pellegrini, die derzeit an der Spitze liegt. Beide bezeichnen sich als sozialdemokratisch, stehen tendenziell aber für ei­ne Abkehr vom klaren Westkurs der Re­gierung Heger. Pellegrini wandte sich gegen ein Stationierungsabkommen mit den Vereinigten Staaten. Fico macht Front gegen Waffenlieferungen an die Ukraine.

Fico und Pellegrini wollten früher wählen

Ebenfalls von einer Neuwahl profitieren könnte die linksliberale „Progressive Slowakei“ (PS), aus der auch Präsidentin Čaputová hervorgegangen ist. Die PS war 2020 knapp an einer Sperrhürde zum Parlament gescheitert. Deutliche Verluste müssen die drei konser­vativen Parteien befürchten, die in der Regierung verblieben sind. Smer-SD­ und Hlas-SD drangen auf einen möglichst frühen Zeitpunkt für Neuwahlen. Das aber wendete die Regierung in ei­nem Zweckbündnis mit anderen Teilen der Opposition ab. Der 30. September liegt nur fünf Monate vor dem regulären Wahltermin. Fico sagte sarkastisch, dass eine im Dezember gestürzte Regierung so lange im Amt bleiben kann, verdiene einen Eintrag ins Guinnessbuch der Re­korde.

Eine Hürde auf dem Weg zur vorgezogenen Wahl war die Verfassung, die so etwas nicht vorsah. Čaputová machte Druck auf eine Änderung, indem sie drohte, andernfalls die Regierung Heger durch ein Beamtenkabinett zu ersetzen. So wurden vergangene Woche eine Verfassungsänderung beschlossen und am Dienstagabend auch der Neuwahlbeschluss mit der erforderlichen Drei­fünftelmehrheit herbeigeführt. 92 der 150 Parlamentarier stimmten dafür.

Igor Matovič, der Vorsitzende der bislang stärksten Regierungspartei (OĽaNO), kündigte einen „entschlossenen Wahlkampf“ an, „in dem wir für die Rettung der Demokratie in der Slowakei kämpfen werden“. Matovič ist allerdings in Umfragen inzwischen der unbeliebteste Politiker im Land. Sein eigenmächtiges und sprunghaftes Handeln spaltete die Koalition derart, dass er einen Schritt zurück ins Glied tat und 2021 den Posten des Regierungschefs an Heger (ebenfalls OĽaNO) ab­trat. Weil es mit Matovič auch als Fi­nanzminister so weiterging, schied schließlich die SaS aus. Deren nicht minder selbstbewusster Chef Richard Sulík hofft, künftig wieder das Zünglein an der Waage zu spielen.

Source: faz.net