Väter: Raus aus der Hüpfburg

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Es tut sich was. Noch 2011 war eine Studie vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend notwendig, um zu belegen, wie wichtig Väter für “eine gedeihliche Entwicklung der Kinder” und überhaupt die Familie sind. Keine zehn Jahre später, 2020 und noch einmal 2021, konstatierte der Väterreport des Ministeriums, dass sich viele Männer heute an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder genauso wie die Mütter beteiligen wollen. 

Wollen. 

Wie viel Betonung dieses Wörtchen braucht, zeigt nun ein weiterer Bericht. Forschende der Hochschulen Braunschweig und Kiel haben herausgefunden, wie es um Geschlechtergerechtigkeit, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und so was steht – und zwar in der Selbstwahrnehmung der von Elternschaft betroffenen Männer. Rund 2.200 Väter haben sie dafür befragt. Am heutigen Montag wurde das Ergebnis der Befragungen vorgestellt: Ein Vater, der etwas auf sich hält, sieht sich als “aktiver Vater”. Unabhängig von Faktoren wie Konfession, Bildungsniveau, Umfang der Erwerbsarbeit oder Migrationserfahrung wollen sich Väter mehr an der Haus- und Erziehungsarbeit beteiligen. Doch mit der Umsetzung hapert es. 

Die große Mehrheit der befragten Väter, 78 Prozent, haben eine Partnerin (oder einen Partner), die länger in Elternzeit war als sie selbst, und lediglich sieben Prozent haben selbst länger als zwölf Monate genommen. Schuld daran ist jedoch nicht unbedingt der Gender-Pay-Gap. Mehr als die Hälfte dieser Kurzzeitväter gab an, sie seien nicht aus finanziellen Gründen so kurz in Elternzeit gewesen. Sondern: Die Partnerin habe es so gewünscht. Die Entscheidung sei gleichberechtigt gefallen, sagten die Väter mehrheitlich (58 Prozent). Die Forschenden haben für dieses Paradox den scheinbar ebenso paradoxen Begriff der “gleichberechtigten Entscheidung für eine ungleich-berechtigte Aufteilung” gefunden. Wir leben in unseren Familien also weiterhin ungleichberechtigt, aber die Mehrheit findet’s prima, obwohl nicht das Finanzielle den Ausschlag gegeben hat? Wie kann das sein? 

Ein Hinweis gibt die Kombination von zwei Befragungsergebnissen. Zum einen: Mit den Kindern spielen ist die Aufgabe, die Väter am liebsten übernehmen. Zum anderen: Spielen ist die Aufgabe, die Väter am häufigsten übernehmen. Mütter, wenn ihr euch mehr Beteiligung eures Partners an der Care-Arbeit wünscht, ist das, was euch abgenommen wird, nicht Putzen, nicht Einkaufen, nicht die To-dos auf der Longlist, nicht Problemgespräche führen, nicht zu Elternabenden oder Arztterminen gehen (was, Fun Fact aus dem Bericht, neun Prozent der Väter als absolut unmännliche Aufgabe ansehen). Nein, Väter, die sich aktiv einbringen, kümmern sich gern um den Spaß. “Wir sind immer beste Kumpels” zitieren die Forschenden einen der befragten Väter. Manche Mütter scheinen sogar ohne Schwangerschaft zu einem weiteren Kind zu kommen. 

Als Problemlösungsstrategien für mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie setzen manche Väter, heißt es in den Ergebnissen der Befragung, auf die Betreuung durch die Großeltern. Andere hoffen darauf, dass das Kind irgendwann selbstständiger wird. (Nicht als Fangfrage gemeint: Wie lange dauert es, bis ein Kind alleine zu seinen Vorsorgeterminen gehen kann?) Angesichts solcher Befragungsergebnisse hat es beinahe schon pädagogischen Sinn, dass Väter in dem Versuch, ihre Erwerbs- und Familienarbeit befriedigender aufzuteilen, auf ähnliche strukturelle Hemmnisse stoßen wie Mütter: In Deutschland mangelt es an väterfreundlichen Unternehmen, an Kinderbetreuungsplätzen, Väternetzwerken und kommunalen Angeboten speziell für Väter. Woran es offensichtlich nicht mehr so stark mangelt, ist die Haltung der Väter. Das Leitbild des “aktiven Vaters” verbreitet sich unter Vätern immer weiter. Es kann nicht mehr lange dauern und die ersten werden die Hüpfburg verlassen.