„Tatort: MagicMom“ aus Münster: Mord unter Momfluencerinnen

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In zwanzig Jahren im Dienst der Fern­seh­ermittlung sind Hauptkommissar Thiel (Axel Prahl) und sein Kollege Gerichtsmediziner Professor Boerne (Jan Josef Liefers) weniger durch spektakuläre Fälle als durch ihre fortwährende Gagproduktion bekannt geworden. Gerne und nicht selten gehen die Witze auf Kosten von Kollegin Alberich (Christine Urspruch), deren Körpergröße unter dem Durchschnitt liegt. Politisch korrekt ist das nicht. Deshalb war es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Quotenkönige unter den „Tatort“-Ermittlern genau diesem Thema einmal widmen musste.

Das Polizeipräsidium hat den Posten der Sensibilitätsbeauftragten zu besetzen. Dafür würde sich Alberich anbieten, gäbe es da nicht noch den schwulen Kollegen Schrader (Björn Meyer). Der gendert fleißig und moniert Boernes frauenfeindliche Witze – bis ihm selbst einer rausrutscht. Denn ganz so zeitgeistig, dass jeder kommentarlos sprechen könnte, wie er eben spricht, ist man dann doch nicht, und so muss dem woken Teil des Personals schon irgendein Fauxpas passieren.

Boerne erklärt, was „bigott“ ist

Kein Zufall dürfte es sein, dass Allround-Experte Boerne in einem an Tiktok angelehnten Erklärvideo ausgerechnet den Begriff „bigott“ näher erläutert. Denn die Episode „MagicMom“ befasst sich nicht nur mit der politischen Korrektheit, sondern mit so ziemlich allem, was irgendwie gegenwärtig ist – von Hatespeech über fragile Männlichkeit bis hin zu Smarthomes. Da dürfen die sozialen Medien nicht fehlen.

Schere, Stein oder Papier? Axel Prahl (links) und Jan Josef Liefers

Schere, Stein oder Papier? Axel Prahl (links) und Jan Josef Liefers : Bild: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas

Das Mordopfer in diesem Fall aus Münster ist Evita Vogt (Laura Louisa Garde) alias „MagicMom“, eine sogenannte „Momfluencerin“. Die macht ihr Geld mit ihrem Dasein als Mutter, berichtet also, was man tut, wenn der Geburtstagskuchen im Eimer ist oder Chaos im Kinderzimmer herrscht. Beliebt macht sie sich damit nicht bei allen, und so ist „Schrader*in“ (dieser Gag darf nicht fehlen) bald damit beschäftigt, potentielle Mörderinnen unter den Hatern ausfindig zu machen.

Jugendsprache für die Zuschauer erklärt

Moderne Kommunikationsformen gekonnt ins Filmische zu übersetzen ist immer eine Herausforderung, denn das zweite Leben, das inzwischen fast alle im Internet führen, lässt sich szenisch eben nicht so gut abbilden wie ein einfaches Telefonat. Noch schwieriger wird es, wenn man annimmt, dass die angesprochene Zielgruppe möglicherweise nicht auf dem allerneusten Stand ist, man also erklären muss, was die jungen Leute im Internet so tun und wie sie sprechen: „Beef ist Neudeutsch für Ärger“, heißt es dann, und man möchte anmerken, dass es für solcherlei Ausführungen ein anderes neudeutsches Wort gibt: „cringe“.

Trailer : Tatort: „MagicMom“

Video: Das Erste, Bild: WDR/Bavaria Fiction GmbH/Thomas

Wenn man nun also wie die Drehbuchautorin Regine Bielefeldt davon ausgeht, dass die Zuschauer von all den neuen Phänomenen, von denen man erzählen will, noch nie was gehört haben, sollte man seinen Bildungsauftrag schon ernst nehmen. Denn bestimmte Ungereimtheiten fallen auch denjenigen auf, die nicht den ganzen Tag bei Tiktok abhängen.

So hat zum Beispiel eine ehemalige Fitnessinfluencerin einen Karrierewechsel vorgenommen und ist, weil sie mit den ganzen Teenies nicht mehr mithalten konnte, Momfluencerin geworden („Kinder sind das It-Piece des Lebens“). Die Sache hat aber – kleiner Spoiler – einen Haken: Das Kind fehlt. Und so filmt sich BusyBine (Agnes Decker), statt sich auf Ernährung, Meditation oder sonst etwas zu spezialisieren, lieber mit sogenannten Reborns, also täuschend echt aussehenden Puppen. Nun wachsen Babys, und sie altern noch schneller als der weibliche Körper – für wie viele Jahre sollen einem die Follower abnehmen, ein nicht älter werdendes Baby zu Hause zu haben?

Gelungen ist das Rätsel um den Mord, das sogar Genie Boerne ratlos werden lässt. Bis zum Schluss ist nicht klar, wer Evita Vogt wie getötet haben könnte. Die Lösung liegt in einer Mischung aus neuer und alter Welt. Ganz anschaulich und generationenübergreifend erklärt natürlich.

Der Tatort: Magic Mom läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten.

Source: faz.net