Die Nachricht lässt sich knapp zusammenfassen. Die Federal Reserve hob den Leitzins um einen Viertelprozentpunkt an. Damit liegt er jetzt bei etwa fünf Prozent. Das war von den meisten Beobachtern erwartet worden. Doch die Entscheidung war alles andere als Routine. Fed-Chef Jerome Powell stand am Mittwoch bei der Pressekonferenz zwar wie gewohnt in Anzug, Krawatte und typisch tief sitzender Lesebrille am Rednerpult. Metaphorisch gesehen musste er jedoch einen heiklen Drahtseilakt vollbringen. 

Die US-Notenbank steht vor zwei Herausforderungen: Zum einen muss sie nach wie vor die Inflation bekämpfen. Die jüngste Lesung des Konsumentenpreisindex für den Februar zeigte zwar insgesamt eine leichte Abkühlung. Doch schließt man Lebensmittel und Energie aus, belief sich die Teuerungsrate nach wie vor auf 5,5 Prozent. Damit gilt diese Kerninflationsrate, die von den Notenbanken besonders beobachtet wird, als nach wie vor zu hoch.

Auch der Arbeitsmarkt zeigt kaum Anzeichen, sich zu verlangsamen. Die meisten Ökonomen sehen bei der niedrigen Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent die Gefahr, dass Arbeitnehmer durch höhere Löhne und Gehälter die Preisspirale immer weiter nach oben treiben. Wenn – fast –alles teurer wird und Unternehmen händeringend Arbeitskräfte suchen, dann ist es mehr als nachvollziehbar, dass Arbeitnehmer mehr Geld verlangen. Die davongaloppierende Inflation schien deshalb noch bis vor Kurzem das dringendste Problem der Fed.

Ein unmöglicher Balanceakt

Doch dann brachen vor 14 Tagen erst Silvergate Capital, eine Kryptobank, und gleich darauf die Silicon Valley Bank (SVB) zusammen. Die Schweizer Traditionsbank Credit Suisse musste mit staatlicher Hilfe von der Rivalin UBS aufgefangen werden. Weitere US-Banken kämpfen ums Überleben. So sieht sich die Fed plötzlich gezwungen, als Retter in der Not eine weitere Ausbreitung der Bankenkrise zu verhindern. Was den Balanceakt für Powell und seine Kollegen fast unmöglich macht: Beide Probleme bedrohen die Wirtschaft, aber sie erfordern Antworten, die sich gegenseitig widersprechen. 

Um die Inflation nachhaltig zu dämpfen, müssen die Notenbanker die Zinsen weiter anheben. Noch Anfang März gingen die meisten Investoren, Banker und Ökonomen deshalb davon aus, dass die Fed die Zinsen ein weiteres Mal um 0,5 Prozentpunkte anziehen würde. Zinsschritte in dieser Höhe sind so feinfühlig, wie die Handbremse anzuziehen, um ein Auto abzustoppen, das immer schneller den Berg hinunterrollt. Selten hat die Fed die Zinsen so drastisch angezogen wie in den vergangenen Monaten. Noch vor einem Jahr lag der Leitzins in den USA bei praktisch null. Jetzt erreicht er knapp fünf Prozent.

Ein klassischer Bank-Run als Folge der radikalen Zinskur

Was uns zur Bankenkrise führt. Denn sie ist nicht zuletzt auch eine Folge dieser radikalen Zinskur. Die Bank hatte während der Pandemie, als die Techbranche einen Höhepunkt erlebte, rund 91 Milliarden Dollar in US-Staatsanleihen und garantierten Hypothekenpapieren angelegt. An sich die sichersten Wertpapiere der Welt. Dann begann die Fed, die Leitzinsen anzuziehen. Das hatte direkte Folgen für den Wert der Anleihen in den Beständen der SVB. Weil sie niedrigere Renditen bieten als neu ausgegebene Papiere, verlieren sie an Wert.

An sich ist ein solcher Verlust kein Problem, denn er besteht nur auf dem Papier. Nur wenn die Anleihen veräußert werden, wird daraus ein tatsächliches Minus. Genau dazu wurde die SVB in den vergangenen Monaten jedoch gezwungen. Auch weil ihre Kunden – zum Großteil Start-ups – ihr Geld bei der SVB abhoben, um höhere Kosten zu decken. So kam es zu einem Milliardenminus und zu dem fatalen Vertrauensverlust der Kunden.

Mehr Liquidität befeuert die Inflation

Es war ein klassischer Bank-Run, bei dem die Panik schnell auf weitere Teile des Finanzsystems überspringt. Wie auf die Credit Suisse, die zwar angeschlagen, aber vor dem SVB-Zusammenbruch nicht unmittelbar in einer Schieflage war. Das bewährte Mittel, mit dem Notenbanker in einem solchen Fall einen Flächenbrand verhindern: mehr Liquidität in den Markt pumpen. Weniger vornehm ausgedrückt: billiges Geld. Wenn Banken dank der Fed Zugang zu frischen Mitteln haben, müssen Kunden nicht um ihre Einlagen fürchten – also beruhigen sich alle wieder. Mehr Liquidität würde die Inflationsbekämpfung jedoch konterkarieren. 

Die Anhebung um 0,25 statt um die ursprünglich erwarteten 0,5 Prozent soll das Unmögliche schaffen. Es soll signalisieren, dass die Fed entschlossen ist, weiter gegen die Inflation zu kämpfen. Powell erwähnte während der Presserunde auch, man habe in der Diskussion des Gremiums, das die Zinsentscheidungen fällt, kurz darüber nachgedacht, die Zinserhöhungen erst einmal auszusetzen. Wohl kaum eine zufällige Bemerkung. Dass die Fed über eine Pause quasi laut nachdenkt, soll heißen: Keine Angst, wir sind uns der Gefahr durch die Bankenkrise bewusst.

Ein tröstliches, womöglich zu optimistisches Szenario

Powell suchte das Flattern bei den Banken sogar positiv zu sehen. Die jüngsten Schocks dürften das Ausreichen an Krediten erst einmal verlangsamen – und damit auch die Wirtschaftsaktivität und die Inflation. Und das könnte wiederum weitere Zinsschritte ersetzen, sagte Powell. Ein tröstliches Szenario. Doch erinnern wir uns: Im Herbst 2021 beharrten Powell und seine Mitstreiter darauf, dass die heraufziehende Inflation nur “vorübergehend” sei.

So verpassten sie die Gelegenheit, zu einem Zeitpunkt einzugreifen, der weniger schmerzhaft gewesen wäre. Damit hätten sich die Notenbanker unbeliebt gemacht, denn sie hätten eine gerade erst wieder erstarkende Wirtschaft gedrosselt. Nach dieser Sitzung, bei der die Fed die Bankenkrise als beherrschbar, ja sogar bis zu einem gewissen Grad nützlich darstellte, bleibt die bange Frage: Ist die Fed wieder zu optimistisch?