Bahn, Auto, Flughäfen – das kommt beim Warnstreik am Montag auf Sie zu
Die Gewerkschaften Ver.di und EVG lassen die Tarifkonflikte im öffentlichen Dienst und bei der Bahn eskalieren und haben für den kommenden Montag einen ganztägigen Warnstreik angekündigt, der Deutschland weitgehend lahmlegen soll. Es ist eine ungewöhnlich schnelle Eskalation der Auseinandersetzung, bislang fanden sowohl im öffentlichen Dienst als auch bei der Bahn nur zwei erste Verhandlungsrunden statt. Die Arbeitgeber haben jeweils Angebote vorgelegt.
Neben dem öffentlichen Nah- und Fernverkehr sollen auch Flughäfen, die Autobahn-Gesellschaft und die Schifffahrt bestreikt werden, um Druck auf die Arbeitgeber zu machen. Von 0 Uhr bis 24 Uhr am Montag sind Ausstände der Beschäftigten bei der Deutschen Bahn, bei privaten Eisenbahnunternehmen, des Bodenpersonals an allen Flughäfen außer in Berlin sowie der Luftsicherheit geplant.
Der Warnstreik bei der Autobahn GmbH soll nach Angaben von Ver.di auch dazu führen, dass einige Autobahntunnel für den Verkehr gesperrt werden müssen. Der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) wird in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen bestreikt.
Die Beschäftigten an Schleusen sollen ebenfalls ihre Arbeit niederlegen und so zu Behinderungen der Binnenschifffahrt beitragen, auch der Hamburger Hafen wird bestreikt.
Die beiden Gewerkschaften wollen mit diesem Versuch eines Mobilitäts-Generalstreiks das Land weitgehend zum Stillstand bringen. Ver.di-Chef Frank Werneke sagte, er gehe davon aus, dass der Warnstreik „massive Wirkung“ haben werde. „Das ist uns gegenwärtig und es ist notwendig.“
Überraschend ist rasante Eskalation vor allem im Konflikt zwischen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und der Deutschen Bahn. Bislang galt die EVG als die gemäßigtere der beiden Bahn-Gewerkschaften. Die großen Bahnstreiks der vergangenen Jahre gingen stets auf die konkurrierende Lokführer-Gewerkschaft GDL zurück. Sie ist diesmal nicht an den geplanten Ausständen beteiligt.
Einschränkungen schon ab Sonntag möglich
EVG-Chef Martin Burkert riet Reisenden, sich am Sonntag schon frühzeitig auf den Weg an ihr Ziel zu machen. Zwar beginne der Streik offiziell erst um Mitternacht, doch man könne nicht garantieren, dass es nicht schon am Sonntagabend zu Einschränkungen komme, wenn Schichten von Mitarbeitern betroffen sein sollten, die erst nach Mitternacht enden würden.
Die EVG fühle sich von den Arbeitgebern „nicht ernst genommen“, sagte Burkert. „Die Arbeitgeber verschließen die Augen vor den Nöten der Beschäftigten.“ Es dürfe nicht passieren, dass die Bahn-Beschäftigten von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt werden.
Die Deutsche Bahn hatte erst Mitte März ein Angebot vorgelegt und bietet unter anderem eine steuerfreie Inflationsausgleichszahlung in Höhe von 2500 Euro, außerdem sollen die Löhne in zwei Schritten um fünf Prozent erhöht werden.
Der Abschluss soll 27 Monate gültig sein. Die EVG hat hingegen unter anderem eine Erhöhung um zwölf Prozent bei zwölf Monaten Laufzeit gefordert, außerdem sollen alle Gehälter um mindestens 650 Euro angehoben werden. Ver.di fordert 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro. „Wir können das Angebot der Bahn kaum als Angebot bezeichnen“, sagte die Vize-EVG-Chefin Cosima Ingenschay.
Bei den Gewerkschaften argumentiert man neben der Inflation auch mit dem Arbeitskräftemangel in vielen der Berufsgruppen, die nun zum Streik aufgerufen sind. Die Mitarbeiter seien deshalb „völlig überlastet“, außerdem gebe es niedrige Einstiegsgehälter, die sich oft nur knapp oberhalb des Mindestlohns bewegen würden.
Die Deutsche Bahn kritisierte den angekündigten Warnstreik und kündigte eine komplette Einstellung des Fernverkehrs am Montag an, auch im Regionalverkehr würden die meisten Züge ausfallen. „Die EVG muss sich ihrer Verantwortung stellen und umgehend an den Verhandlungstisch zurückkehren“, forderte Personalvorstand Martin Seiler.
Auch Ostern sind Streiks möglich
„Wir haben ein verantwortungsvolles Angebot vorgelegt und sind zu jeder Zeit gesprächsbereit.“ Der nächste reguläre Verhandlungstermin Ende April sei viel zu spät. „Jetzt streiken und dann vier Wochen lang nicht verhandeln, das kann nicht der Ernst der Gewerkschaft sein“, sagte Seiler.
EVG-Chef Burkert schloss auch Streiks über die Osterfeiertage ausdrücklich nicht aus. Arbeitsniederlegungen seien zwar das letzte Mittel, sagte seine Stellvertreterin Ingenschay. Doch man stehe in der Tarifauseinandersetzung unter Zeitdruck, da die Beschäftigten schnelle Hilfe bei der Bewältigung der hohen Inflation brauchen würden.
„Wir haben keine Zeit für Verhandlungsgeplänkel“, sagte Ingenschay. Deshalb werde es weitere Warnstreiks geben, wenn es keine großen Fortschritte in der nächsten Verhandlungsrunde gebe. Ver.di-Chef Werneke forderte insbesondere deutliche Verbesserungen der Angebote der Arbeitgeber bei der Laufzeit und dem Mindestbetrag.
Dass man mit dem frühen Streik die Unterstützung der Bevölkerung verlieren könne, fürchte die Gewerkschaft nicht, sagte Ingenschay. Doch eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Arbeitgeberverbandes AGV Move lässt an dieser Einschätzung zumindest zweifeln.
Fast die Hälfte der Befragten (48,4 Prozent) beurteilte die Forderungen der EVG als nicht angemessen oder eher nicht angemessen. Lediglich 34,9 Prozent bezeichneten sie hingegen als angemessen oder eher angemessen.
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Source: welt.de