Zwei Jahre nach dem Putsch: Myanmars Regime plant Wahlen

Dafür, dass Myanmars Militär seit Jahrzehnten darum bemüht ist, dem Land notfalls mit einem Höchstmaß an Brutalität seinen Willen aufzuzwingen, ist es erstaunlich fixiert auf Wahlen. Auch genau zwei Jahre nach dem abermaligen Militärputsch am 1. Februar 2021 ist die Frage, ob es in diesem Jahr zu der für August geplanten Wahl kommen wird, wieder das vorherrschende Thema.

Zum Unabhängigkeitstag am 4. Januar hatte der Diktator Min Aung Hlaing noch einmal seine Absicht bekräftigt, in diesem Jahr Wahlen abhalten zu wollen. Vergangene Woche hatte das Regime außerdem neue Regeln für die Registrierung von Parteien verabschiedet, die von einer südostasiatischen Parlamentariergruppe sogar als „Angriff auf die Demokratie“ bezeichnet werden. Denn sie sind so gestaltet, dass die Opposition von Beginn an weitgehend ausgeschlossen wird.

So verlangt das Gesetz etwa, dass sich alle Parteien innerhalb von 60 Tagen neu registrieren müssen. Sie müssen ein Register von mindestens 100.000 Mitgliedern vorweisen und in mindestens der Hälfte der Gemeinden Niederlassungen haben und Kandidaten aufstellen. Parteien können aufgelöst werden, wenn sie als unrechtmäßig eingestuft werden und Verbindungen zu „Terroristen“ unterhalten. Menschenrechtler sehen dies vor allem als Stich gegen die Nationalliga für Demokratie (NLD) der Partei der inhaftierten Friedensnobelpreisträgerin und entmachteten Staatsrätin Aung San Suu Kyi, aus der auch die Mitglieder der Gegenregierung (NUG) kommen. Denn wie die demokratischen Experimente vor dem Coup noch einmal gezeigt haben, gewinnt die NLD freie Wahlen in der Regel mit überwältigender Mehrheit.

In einer Mitteilung wies die Partei die Wahl als „Schwindel“ zurück. Jeder, der sich daran beteilige, mache sich des Hochverrats schuldig. Denn sollte in diesem Jahr tatsächlich eine Wahl stattfinden, wollen die Militärs sichergehen, dass ihre Verbündeten die meisten Stimmen bekommen. Amerikanische Diplomaten wie Derek Chollet halten es deshalb für ausgeschlossen, dass die Wahl „frei und fair“ ablaufen könnte. Sie sei ein durchschaubarer Versuch, den Putsch zu legitimieren, sagte Chollet kürzlich dem Sender Voice of America. Darüber hinaus gibt es Zweifel, dass das Regime überhaupt einen landesweiten Urnengang durchziehen könnte. Große Teile des Landes stehen unter Kontrolle ethnischer Rebellen und Widerstandskämpfer. Das Militär kontrolliere nur bis zu 50 Prozent des Territoriums, sagte Chollet.

Regimevertreter als Ziel von Attacken

Bei der laufenden Wählerregistrierung werden die Regimevertreter schon heute Ziel von Attacken. Das räumt auch das Regime ein. Es komme zu diversen „subversiven Aktivitäten“, sagte der Sprecher Zaw Min Tun. Es sei deshalb nicht sicher, ob die Wahlen stattfinden könnten. Sollte es tatsächlich zu einem Urnengang kommen, droht Menschenrechtlern und Fachleuten zufolge eine Welle der Gewalt. Beide Seiten dürften ihre Angriffe intensivieren. „Sofern nicht vorausgesetzt ist, dass das Volk Myanmar seine politischen Rechte frei wahrnehmen kann, droht mit der geplanten Wahl das Risiko verschärfter Instabilität“, ließ UN-Generalsekretär António Guterres durch einen Sprecher verlauten.

Schon jetzt herrscht ein extremes Maß an Gewalt. Das Land steckt außerdem in einer humanitären Krise. So sagte der UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk kürzlich, dass verlässlichen Quellen zufolge mindestens 2890 Menschen vom Militär getötet und 16 000 festgenommen worden seien. Es gebe 1,2 Millionen Binnenflüchtlinge, 70 000 Migranten hätten das Land verlassen, zusätzlich zu Hunderttausenden, die in früheren Jahren geflohen seien, darunter viele Angehörige der muslimischen Rohingya. Mehr als 34.000 zivile Häuser seien zerstört, darunter Privathäuser, Krankenhäuser, Schulen und Gotteshäuser. Die Wirtschaft sei zusammengebrochen. Die Hälfte der Bevölkerung lebe unter der Armutsgrenze. Die Zivilbevölkerung wird zum Ziel von Artilleriebeschüssen und Luftangriffen, außergerichtlichen Hinrichtungen und Folter. Ganze Dörfer werden niedergebrannt.

Das Ziel der Wahl dürfte aber sein, dem Regime den Anschein von Legitimität zu verleihen. Der ambitionierte frühere General und Diktator Min Aung Hlaing könnte seinen Plan vollenden, sich selbst zum Präsidenten zu erheben. Doch in jedem Fall dürfte es dem Regime schwerfallen, irgendwen von der Rechtmäßigkeit der Wahlen zu überzeugen. Dafür hat es sich schon selbst zu sehr diskreditiert. „Es ist unvorstellbar, dass irgendeine Form des friedlichen und demokratischen Wandels von denjenigen angestoßen wird, die ihren eigenen Bürgern Schaden zufügen“, sagte Noeleen Heyzer, die UN-Sondergesandte für Myanmar. Die Wahlen würden „größere Gewalt befeuern, den Konflikt verlängern und die Rückkehr zu Demokratie und Stabilität schwieriger machen“.

Noch erscheint es möglich, dass das Regime noch nach einem Ausweg sucht, die Wahlen vertagt oder erst einmal in einigen wenigen Gebieten wählen lässt, die sich fest unter seiner Kontrolle befinden. Für die Menschen in Myanmar wird sich mit einem Urnengang jedenfalls nichts verbessern, im Gegenteil. „Jeder, der wählt, für wen auch immer, wird als mitschuldig und damit als legitimes Ziel radikaler Guerilla-Gruppen gesehen werden. Unterdessen muss jeder, der sich weigert zu wählen, damit rechnen, von der Polizei Besuch zu bekommen – oder Schlimmeres“, schreibt die Professorin Mary Callahan in „Nikkei Asia“. International wird mit Ausnahme von China und Russland sich kaum eine Regierung finden lassen, die die Wahl anerkennen wird. „Kostbares Geld und Ressourcen werden verschwendet“, lautet das Fazit Callahans zu den Wahlplänen des Regimes.

Source: faz.net

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