Ukraines zuletzt umstrittener Verteidigungsminister Olexij Resnikow dürfte noch in dieser Woche in ein anderes Ressort wechseln. Das verlautete am Sonntagabend aus den Reihen der ukrainischen Präsidentenpartei Diener des Volkes. Wie deren Fraktionschef David Arachamija mitteilte, soll Resnikow auf den Posten des Ministers für strategische Industrie versetzt werden. Neuer Verteidigungsminister soll der bisherige Chef des Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, werden. Eine offizielle Bestätigung zu dem Wechsel gab es zunächst nicht.
Am späten Nachmittag hatte Resnikow noch erklärt, er wolle seinen Platz erst räumen, wenn ihm dies von Präsident Wolodymyr Selenskyj angetragen werde. „Die Entscheidung, ob jemand Verteidigungsminister wird oder nicht, wird laut Verfassung von einer Person getroffen – dem Oberbefehlshaber und Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj“, sagte er. Dieser hat sich bisher nicht geäußert.
Resnikow war nach einer Reihe von Skandalen um Korruption und Geldverschwendung in seinem Ministerium in die Kritik geraten. Unter anderem war zuletzt sein Stellvertreter Wjatscheslaw Schapowalow im Zusammenhang mit dem Skandal um den Einkauf überteuerter Lebensmittel für Soldaten zurückgetreten. Zudem sollen laut Medienberichten in einem anderen Bereich der Behörde beim Bau von Kasernen Gelder veruntreut worden sein. Resnikow hatte die Vorwürfe gegen ihn stets zurückgewiesen.
Die Ukraine wehrt seit fast einem Jahr die russische Invasion ab. Die Finanzierung der Militärausgaben hängt dabei zu großen Teilen von westlichen Geldern ab. Das osteuropäische Land gilt als einer der korruptesten Staaten Europas.
Selenskyj warnt vor „symbolhafter Aktion“ vor Jahrestag
Angesichts des näher rückenden Jahrestags des russischen Einmarschs in die Ukraine am 24. Februar warnte Selenskyj vor einer „symbolhaften Aktion“ der Besatzer gewarnt. Dazu gebe es bereits zahlreiche Berichte und Hinweise, sagte der Präsident am Sonntag in seiner allabendlichen Videoansprache. Russland wolle sich für die Niederlagen des vergangenen Jahres rächen. „Wir stellen fest, dass der Druck auf verschiedene Frontbereiche und auch im Informationsbereich zugenommen hat.“
Besonders schwierig sei aktuell die Lage in der Region Donezk. „Aber egal, wie schwer es ist und wie groß der Druck ist, wir müssen überleben“, sagte Selenskyj. Die Ukraine müsse jeden Tag und jede Woche nutzen, um die Verteidigungspositionen an der Front sowie die internationale Position des Landes zu stärken.
Derzeit steht die Ukraine vor allem rund um die Stadt Bachmut im Osten des Landes schwer unter Druck. Dort versuchen russische Truppen sowie Angehörige der berüchtigten Söldnertruppe Wagner seit Wochen, die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen. Das Verteidigungsministerium in Moskau meldete, Russland habe in der Region vorteilhaftere Positionen eingenommen.
Bachmut wird nach Einschätzung britischer Militärexperten immer mehr von russischen Truppen eingekreist, wie aus dem dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg des britischen Verteidigungsministeriums am Sonntag hervorgeht.
Zivile Opfer in Cherson und Charkiw
In der südukrainischen Stadt Cherson sind bei russischen Angriffen am Sonntag nach Angaben aus Kiew mehrere Zivilisten getötet und verwundet worden. Genauere Angaben zu den Opfern machte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht am Abend nicht. Die Stadt sei mindestens 40-mal aus Raketenwerfern beschossen worden, dabei seien zahlreiche Wohngebäude beschädigt worden. Auch die ostukrainische Stadt Charkiw war demnach Ziel russischer Angriffe aus Mehrfachraketenwerfern. Bei Treffern in einem Wohnhaus seien mindestens fünf Menschen verletzt worden.
Bei dem seit fast einem Jahr andauernden Krieg wird immer wieder auch zivile Infrastruktur getroffen, obwohl Russland behauptet, nur militärische Ziele anzugreifen. Nach UN-Angaben sind seit dem russischen Einmarsch mehr als 7000 Zivilisten getötet worden.
Grünen-Fraktionsvize drängt Partnerstaaten
Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger hat die europäischen Partner Deutschlands zu raschem Handeln bei der Lieferung von Kampfpanzern aufgefordert. „Wir haben angesichts der drohenden russischen Großoffensive keine Zeit zu verlieren, um in einem großen europäischen Kraftakt alle Panzersysteme an die Ukraine zu geben, die wir nur irgendwie entbehren können“, sagte sie dem „Tagesspiegel“. Das sei im europäischen Interesse.
Die Bundesregierung ringt nach ihrer Entscheidung zur Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine um die Zusagen weiterer Staaten. Nach der politischen Freigabe von Lieferungen sei die geplante Allianz noch nicht komplett, wurde der Deutschen Presse-Agentur am Wochenende aus Regierungskreisen in Berlin erklärt. Allerdings begannen Polen und Kanada mit konkreten Schritten – aus Portugal gab es am Wochenende eine Zusage für modernere Leopard 2A6, die auch Deutschland liefern will.
Source: faz.net