Berlins CDU-Spitzenkandidat Wegner: Der Unbekannte und die Unzufriedenen

Porträt

Stand: 07.02.2023 14:39 Uhr

Kai Wegner ist für viele Menschen ein Unbekannter – auch in Berlin. Trotzdem sehen die Umfragen seine CDU vor der Wiederholungswahl vorn. Sein größter Trumpf: die Unzufriedenheit mit Rot-Grün-Rot.

Von Andre Kartschall, rbb 

Kai Wegner kommt deutlich zu spät. Die Schuld gibt der CDU-Spitzenkandidat kurzerhand der rot-grün-roten Landesregierung: “Es lag an der Verkehrssenatorin”, sagt er und erklärt, er habe leider einmal quer durch die Stadt und wieder zurückfahren müssen. Es gebe eben Staus und Baustellen überall.

Andre Kartschall

Wegner ist im Wahlkampf – und das heißt Attacke. Ort und Zeitpunkt des Angriffs auf den politischen Gegner mögen ungewöhnlich erscheinen – ein Besuch in der “Alten Münze”, einer Kultureinrichtung in der Berliner City Ost – doch Wegner kennt momentan nur einen Modus: Frontalangriff auf die Berliner Regierenden.

Die kaputtregierte Stadt 

Die Umfragen geben ihm erst einmal Recht. Seine CDU liegt vorn, seine Themen sind oft die gleichen, die viele Berliner und Berlinerinnen umtreiben: eine nur bedingt einsatzfähige öffentliche Verwaltung, eine wackelig scheinende Sicherheitslage und eine Verkehrspolitik, die nicht nur ÖPNV und Radverkehr fördert, sondern sich auch direkt gegen das Auto richtet.

Das beste Beispiel für die Mobilitätspolitik des derzeitigen rot-grün-roten Senats findet sich direkt vor der Tür des Kulturzentrums: hier, direkt neben dem Alexanderplatz und vor dem Roten Rathaus wird gerade eine der größten Kreuzungen der Stadt umgebaut. Wenn alles mal fertig ist, soll die Gegend wenigstens teilweise autofrei sein. Solche Projekte gefallen nicht allen in der Hauptstadt. 

In der “Alten Münze” geht es aber um Kulturpolitik. Die will Wegner “noch einmal auf eine andere Ebene heben”. Was er damit meint, wird nicht ganz klar. Schließlich ist Kultur eines der wenigen Felder, mit denen Berlin nun wahrlich seit Jahren glänzt. Aber auch diese Flanke will geschlossen sein und so präsentiert Wegner seinen Kandidaten für das Amt des Kultursenators.

Eigentlich aber geht es ihm vor allem darum, zu betonen, wie sehr die Sozialdemokraten die Stadt seiner Meinung nach kaputtregiert haben: Straßen, Schule, Haushalt, Polizei, Feuerwehr – laut Wegner befindet sich alles in mehr oder weniger desolatem Zustand. Eine Einschätzung, der viele Berliner und Berlinerinnen vermutlich nicht allzu laut widersprechen würden. 

Wegner verspricht Normalität

Der 50-Jährige hat aus dem Unmut quasi ein Wahlprogramm gemacht: Schluss mit den Experimenten, zurück zu sachlicher Politik – so lässt sich seine Botschaft zusammenfassen. Oder noch kürzer: konsequent konservativ. 

Wegner verspricht Normalität. Unter seiner Führung solle es wieder möglich sein, einen Termin im Bürgeramt zu bekommen, ohne wochenlang darauf hoffen zu müssen, dass man im richtigen Moment bei der Online-Zuteilung dabei ist. Um die dysfunktionale Verwaltung in den Griff zu kriegen, will Wegner sogar die Landesverfassung ändern. In der Hauptstadt des Durchwurschtelns erscheint eine Verwaltungsreform fast schon als rebellisches Vorhaben. 

Ausgerechnet Wegner, dessen Name und Gesicht nur wenige Menschen in Berlin kennen, konnte seine Führung in den Umfragen immer weiter ausbauen. Zumal das Herz der Hauptstadt eigentlich zuverlässig klar links von der Mitte schlägt. Die SPD beherrscht das Rote Rathaus seit mehr als 20 Jahren – meist flankiert von Grünen und Linken. Es ist daher auch alles andere als ausgemacht, dass Wegner im Falle eines Wahlerfolgs das Amt des Regierenden Bürgermeisters übernehmen darf. Ihm fehlen möglicherweise schlicht die Koalitionspartner. 

Die Silvesternacht und die Frage nach den Vornamen

Als in der Silvesternacht in Berlin-Neukölln Randalierer Polizisten und Rettungskräfte angriffen, entbrannte in der Stadt eine Debatte darüber, welche Tätergruppe für die Ausschreitungen verantwortlich sei. Vom rot-grün-roten Senat wurde viel über sozial benachteiligte Jugendliche gesprochen. Wegners CDU aber fragte im Abgeordnetenhaus, welche Vornamen die Tatverdächtigen mit deutscher Staatsangehörigkeit tragen – ein Wink mit dem Zaunpfahl: arabische oder türkische Namensträger vermutete die CDU wohl in der Mehrzahl der Fälle. 

Die Namen wurden bislang nicht veröffentlicht, der öffentliche Aufschrei in anderen Parteien war groß – und Wegners CDU legte in Umfragen noch einmal zu. Auch wenn die Christdemokraten dem Wahlsieg damit ein Stück näher gekommen sein mögen – dem Ziel, Berlin zu reagieren, sind sie es wohl eher nicht. Nach Wegners Vorstoß zu den Vornamen haben die Grünen einer Koalition mit der CDU schon im Vorfeld eine Beinahe-Absage erteilt. Auch Wegner schloss eine Zusammenarbeit mit den Grünen nach der Wahl aus. Im “Tagesspiegel” begründete er dies mit deren Forderungen in der Verkehrspolitik.

Wer aber bleibt dann? Die FDP liegt nur knapp oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde. Und ob es allein mit den Sozialdemokraten auch nur rechnerisch für eine Regierungskoalition reichen würde, ist fraglich. Denkbar ist vielmehr, dass sich SPD, Grüne und Linke nach der Wahl erneut zu einer Regierung zusammenraufen könnten, auch wenn die CDU diesmal stärkste Kraft wäre. Ein möglicher Wahlerfolg Wegners könnte also ganz ohne Machtbeteiligung enden. Es bliebe dann beim Versuch einer konservativen Rebellion. 

Source: tagesschau.de

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