Erdogan besucht Erdbeben-Region – Zahl der Toten steigt auf 11.700

In den Erdbeben-Gebieten in Syrien und der Türkei werden bei der Suche nach Verschütteten immer mehr Leichen aus den Resten eingestürzter Gebäude geborgen. Mehrfach korrigierten die türkischen Behörden am Mittwoch die Zahl bestätigter Opfer nach oben – in den beiden Ländern starben mehr als 11.700 Menschen.

Allein in der Türkei starben nach Angaben von Präsident Recep Tayyip Erdogan bislang mehr als 9057 Menschen. Aus Syrien wurden zuletzt 2662 Tote gemeldet. Mehr als 57.000 Menschen wurden in den beiden Ländern verletzt.

Die Opferzahl schnellte nicht zuletzt deshalb in die Höhe, weil sich nun deutlich mehr Rettungsteams an der Bergung beteiligen. Angesichts der vielen Vermissten wird befürchtet, dass noch mehr Leichen gefunden werden.

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Erdogan besuchte am Mittwoch zwei besonders betroffene Regionen und räumte Probleme beim Krisenmanagement ein. „Natürlich gibt es Defizite. Die Zustände sieht man ja ganz klar.“ Es sei nicht möglich, „auf so ein Erdbeben vorbereitet zu sein“, fügte er allerdings hinzu. Betroffenen Familien sagte er jeweils 10.000 Türkische Lira (rund 500 Euro) Soforthilfe zu.

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In der Türkei wird die Katastrophe zunehmend auch zum innenpolitischen Thema: Kemal Kilicdaroglu, Chef der größten Oppositionspartei CHP, warf Präsident Erdogan indes Versagen beim Krisen-Management vor. Der Präsident habe es versäumt, das Land in seiner 20-jährigen Regierungszeit auf solch ein Beben vorzubereiten.

Präsident Erdogan in der Stadt Kahramanmaras, die besonders von dem Erdbeben getroffen wurde
Quelle: AP

Zuvor hatte es heftige Kritik aus der Bevölkerung gegeben, dass sie bei den Bergungsarbeiten von den Behörden im Stich gelassen würden. Auch im Internet beklagten sich zahlreiche Menschen in den betroffenen Regionen bitter über das Katastrophenmanagement der türkischen Regierung. Doch zum Zeitpunkt von Erdogans Besuchs in den Erdbebenregionen war der Kurzbotschaftendienst Twitter größtenteils nicht mehr erreichbar.

„Wunder-Baby“ in Nordsyrien aus Trümmern geborgen

Vor allem im Norden Syriens ist die Lage durch den Bürgerkrieg unübersichtlich. Trotz der Probleme ist im Norden Syriens nach Krankenhausangaben ein Baby in den Trümmern zur Welt gekommen. Dem kleinen Mädchen gehe es gut, sagte der behandelnde Arzt Hani Maruf im Krankenhaus Afrin der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Das Heimatdorf der Familie nahe der türkischen Grenze wurde von den Erdbeben am Montag schwer getroffen. „Ihr Zustand ist stabil, aber sie hat einige Rippen gebrochen“, sagte Maruf. In sozialen Medien wurde das Kind auch als „Wunderbaby“ bezeichnet.

In der Stadt Harem in der syrischen Provinz Idlib bauen lokale Hilfsorganisationen Zelte als Unterkünfte für die Erdbebenopfer auf
Quelle: AP/Ghaith Alsayed

Dem Arzt zufolge kam die gesamte Familie des Mädchens bei der Katastrophe ums Leben – beide Eltern sowie vier Geschwister und eine Tante. Vermutet wird, dass die Mutter kurz nach der Geburt starb. Die Familie wurde den Angaben zufolge nahe einem Eingang zu einem Gebäude gefunden.

Die Familie sei zuvor aus der Provinz Dair al-Saur im Osten geflüchtet. Ein Retter habe die Nabelschnur mit einem Messer durchtrennt, ehe er sie aus den Trümmern zog. Die Mitarbeiter des Krankenhauses gaben dem Mädchen den Namen Aja.

Deutschland liefert 82 Tonnen Hilfsgüter – EU plant Geberkonferenz

Vor allem die Türkei kann sich bei den Rettungsarbeiten auf Hilfe aus dem Ausland stützen. Am Mittwoch trafen etwa 50 Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) in Gaziantep im Südosten des Landes ein. Die Diakonie Katastrophenhilfe teilte mit, Partnerorganisationen hätten damit begonnen, Matratzen, Winterkleidung, Decken und Trinkwasser an Betroffene zu verteilen. Viele Organisationen riefen zu Spenden auf.

Die Bundesregierung stockte ihre humanitäre Hilfe für Syrien und die Türkei um weitere 26 Millionen Euro auf. Davon sind nach Angaben des Auswärtigen Amts insgesamt 25 Millionen Euro für zwei Hilfsfonds der Vereinten Nationen vorgesehen sowie eine Million für den Malteser Hilfsdienst. Die EU plant für Anfang März eine Geberkonferenz, um internationale Hilfe zu mobilisieren

Ein Retter sucht im türkischen Kahramanmaras nach Überlebenden
Quelle: dpa/Li Zhenbei
Eingestürzte Gebäude in Kahramanmaras
Quelle: dpa/Mustafa Kaya

Aus Deutschland werden nach Angaben von Bundesinnen- und Verteidigungsministerium unter anderem Zelte, Schlafsäcke, Feldbetten, Decken, Heizgeräte und Generatoren ins Katastrophengebiet gebracht. Ein Sprecher des Innenministeriums berichtete von etwa 82 Tonnen Material im Gesamtwert von einer Million Euro. Die Bundeswehr will am Donnerstagvormittag laut Luftwaffe rund 50 Tonnen Hilfsgüter ausfliegen. Es soll täglich drei Flüge mit Hilfslieferungen geben.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte im Bundestag, Deutschland liefere Hilfsgüter in die Türkei und stehe in engem Kontakt mit den Vereinten Nationen, um humanitäre Hilfe auch in das syrische Erdbebengebiet zu bringen.

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Mit einer Stärke von 7,7 bis 7,8 hatte das Beben am frühen Montagmorgen das Gebiet an der Grenze zwischen der Türkei und Syrien erschüttert. Am Mittag folgte dann ein weiteres Beben der Stärke 7,5 in derselben Region. Tausende Gebäude stürzten ein. Temperaturen um den Gefrierpunkt machten den Überlebenden im Katastrophengebiet zusätzlich zu schaffen, viele haben kein Dach mehr über dem Kopf. Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird erst langsam deutlich.

Source: welt.de

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