Die Traumvilla, die sich als Horrorhaus entpuppte

Als Derek und Maria Broaddus im vergangenen Jahr zum ersten Mal ihr neues Zuhause besichtigten, glaubten sie sofort, ihr Traumhaus gefunden zu haben. Sechs Schlafzimmer, zwei moderne Bäder, hohe und schön verzierte Wände, ein Kamin, eine überdachte Veranda zur Straße sowie eine offene, sonnengefüllte Terrasse zum Hinterhof, wo die Kinder ungestört spielen konnten – all das hatte sie auf Anhieb überzeugt.

Auch der Preis von 1,355 Millionen Dollar für 364 Quadratmeter Wohnfläche schien für das neu renovierte Haus in Westfield im amerikanischen New Jersey für die Broaddus geradezu ein Schnäppchen zu sein. Selbst der Immobilienmakler musste sie da nicht lange zum Kauf überreden.

Der hatte von dem „malerischen Ort“, nur 40 Autominuten von New York entfernt, geschwärmt. Eine 30.000-Seelen-Gemeinde mit „guten Schulen“ und den „freundlichsten Nachbarn“, die man sich vorstellen könne, hieß es weiter.

Die Familie ist geflüchtet, das Haus steht leer

Fast genau ein Jahr später ist von der Begeisterung nicht viel geblieben. Die Traumvilla entpuppte sich schon kurz nach dem Kauf als „Horrorhaus“, als ein Albtraum für eine Familie, die mit ihren drei jungen Kindern fernab der Hektik von New York die Ruhe auf dem Land genießen wollte. Die Broaddus sind längst wieder ausgezogen, oder genauer gesagt, sie sind geflüchtet. Das Haus steht leer, ein Wiederverkauf blieb bisher ohne Erfolg.

Anfang dieses Monats haben sie den früheren Eigentümer sowie den Immobilienmakler verklagt. Was sie in den Gerichtsunterlagen über ihre Erlebnisse in dem Haus an 657 Boulevard in Westfield berichten, erinnert dabei an einen eher schlecht gemachten Horrorfilm aus Hollywood als an ein romantisches Dorfidyll.

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Denn schon drei Tage nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages bekamen die Broaddus am 5. Juni einen seltsamen, anonym verfassten Brief. Darin wurde ihnen angekündigt, dass das Haus „unter Beobachtung stehe“. Unterzeichnet war das Schreiben mit dem Namen „The Watcher“.

Was der Unbekannte dann schrieb, hielten die Broaddus zunächst für einen schlechten Scherz. Gruselig war es dennoch. „Warum seid ihr hier?“, fragte der selbsternannte Beobachter und kündigte an: „Ich werde es schon herausfinden. „Wenn ich erst einmal all eure Namen kenne, kann ich auch besser planen.“

„Jetzt bin ich an der Reihe. Meine Zeit ist gekommen“

Immerhin lieferte der unbekannte Schreiber eine Erklärung, warum er wissen müsse, was in dem Haus vorgehe. „Mein Großvater hat es bereits in den 20er-Jahren beobachtet“, schrieb „The Watcher“. „Mein Vater in den 60er-Jahren. Jetzt bin ich an der Reihe. Meine Zeit ist heute gekommen.“

Dabei behauptete er auch, dass die Villa seit Jahrzehnten „der eigenen Familie gehören würde“. Ein Hinweis, der bei den späteren Ermittlungen der Polizei aber zu keiner heißen Spur nach dem anonymen Autor führte. Auch ein mögliches Motiv konnten die Beamten bisher nicht finden.

Knapp zwei Wochen später, am 18. Juni, erreichte die Broaddus dann ein zweiter Brief. Lachen konnten sie darüber allerdings nicht mehr. „Ich habe den Woods gesagt, dass sie mir junges Blut bringen sollten“, hieß es in dem neuen Schreiben. Gemeint waren dabei die Vorbesitzer John und Andrea Woods. „Haben sie sich daran gehalten? Und wo spielen sie denn, im Keller?“ Die Woods hatten dort ein Extra-Spielzimmer für Kinder eingerichtet.

Unser Traumhaus, dachte Familie Broaddus. Es wurde ein Albtraum
Quelle: AP

Aus Sorge um ihre beiden Töchter und ihren Sohn im Grundschul- sowie Kindergartenalter alarmierten die Broaddus die Polizei. Bis heute fehlt von dem mysteriösen Stalker allerdings jede Spur. Auch in den Briefen, von denen die Familie laut Prozessakten „zahlreiche“ bekommen haben will, gab es keine entscheidenden Hinweise auf die Identität von „The Watcher“. Für die Broaddus waren sie jedoch der blanke Horror.

„Habt ihr herausgefunden, was in den Wänden ist?“

„Habt ihr eigentlich schon herausgefunden, was sich in den Wänden befindet“, musste die Familie in einem der Briefe lesen. „Mit der Zeit werdet ihr das schon herausfinden.“ In einem Schreiben fragte der Stalker, wer denn „eigentlich im vorderen Schlafzimmer wohne, das, was zur Straße hinausgehe?“ Und ergänzte: „Ich hoffe, ihr macht 657 Broadway nicht zu einem unglücklichen Ort.“

„Ich wäre ziemlich sauer, wenn ich ein Haus kaufe, und mir jemand solche Briefe schreiben würde“, sagt Robert Hagen aus Westfield gegenüber dem TV-Sender CBS über den Fall, der mittlerweile den ganzen Ort beschäftigt. „Ich frage mich, was die früheren Eigentümer von diesem ‚Watcher‘ wissen.“ Das wollen jetzt auch die Broaddus in ihrer Klage gegen die Woods herausfinden.

Sie verlangen für den „Stress, den Horror und die Angst vor den Briefen des Watchers“ Schadenersatz in unbekannter Höhe. Zumindest aber wollen sie den Kaufpreis von 1,355 Millionen Dollar zurück. Ihr Versuch, die Villa zu verkaufen, ist bisher gescheitert.

Mittlerweile sind die Geschichten über das Horrorhaus und den „Watcher“ nicht nur in Westfield bekannt. Auch Bürgermeister Andrew Skibitsky hat es zum Thema der Stadtversammlung in dieser Woche gemacht. Er kündigte an, alles dafür zu tun, dass der anonyme Stalker wegen der Drohbriefe verhaftet werde.

Juristen beobachten den Fall mit Interesse

Unter Juristen gilt der Fall dagegen als hochinteressant. „Der Verkäufer muss den neuen Besitzer über die Probleme des Haues informieren“, sagt Rechtsprofessor Jack Feinstein von der Rutgers School of Law in Newark gegenüber NJ.com. „Das betrifft aber eigentlich nur bauliche Mängel oder Probleme mit Ungeziefer.“ Dass auch ein Haus-Stalker darunter fallen sollte, habe er in seiner ganzen 40 Jahre langen Karriere noch nicht gehört.

„Der Verkäufer muss den neuen Besitzer über die Probleme des Haues informieren“
Rechtsprofessor Jack Feinstein

Ähnlich sieht das auch Charles Sullivan von der Seton Law School. „Einige Bundesstaaten verlangen, dass ein Verkäufer auch Auskunft über tragische Unfälle oder Morde gebe, die sich in dem Haus ereignet haben.“ New Jersey habe ein solches Gesetz allerdings nicht. „In diesem Fall gibt es also eigentlich keinen Grund, über den ‚Watcher‘ Auskunft zu geben.“

Dieser Artikel wurde erstmals im Jahr 2015 veröffentlicht.

Source: welt.de

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