26 Seiten hat Hans-Georg Maaßen an die CDU-Spitze geschrieben und sich und seine Positionen gerechtfertigt. Sogar Strafmaßnahmen würde der ehemalige Verfassungsschutzchef und frisch gekürte Vorsitzende der rechtskonservativen Werte-Union akzeptieren, was man durchaus als Teilgeständnis des Juristen sehen kann. Aber es hat ihm nichts genützt.
Der CDU-Bundesvorstand hat beschlossen, ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen einzuleiten. Es ist ein Befreiungsschlag von Parteichef Friedrich Merz: Ein einerseits nachvollziehbarer Schritt, weil Äußerungen Maaßens ohne Zweifel unerträglich sind und weil sie den politischen Gegnern der Union einen steten Fluss billiger Munition liefern. Für völkisches und antisemitisches Gedankengut darf nirgendwo in Deutschland Platz sein, in keiner Partei. Aber ob es auf längere Sicht klug war, Maaßen so den Stuhl vor die Parteizentrale zu stellen, ist fraglich.
Parteiausschlussverfahren ziehen sich, Parteien wie die AfD werden viele Monate, vielleicht sogar Jahre lang jede Wasserstandsmeldung für ihre Zwecke instrumentalisieren. Zudem ist höchst unsicher, ob das Verfahren Erfolg haben wird. Im Fall des ehemaligen SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin waren mehrere Anläufe nötig, um ihn aus der Partei auszuschließen. An Altkanzler Gerhard Schröder arbeiten sich die Sozialdemokraten seit Monaten schiedsgerichtlich und bisher erfolglos ab. Nicht auszudenken die Blamage, wenn die CDU Maaßen am Ende seine an diesem Montag entzogenen Mitgliedsrechte zurückgeben müsste.
Doch Merz wollte ein Zeichen setzen, dass für eine „Sprache aus dem Milieu der Antisemiten bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen“ kein Platz in der CDU ist. Das ist richtig und notwendig.
Dennoch ist Maaßen mit seinen Ansichten nicht allein, er steht für ein rechtskonservatives, in Teilen radikalisiertes Milieu, das sich aber noch nicht der AfD oder anderen, rechtsextremistischen Parteien angeschlossen hat. Das Zeichen, das Merz in diese Richtung sendet, lautet, dass man dieses Milieu aufgegeben hat.
Vorsichtige Ablösung vom Merkel-Kurs
Jahrzehntelang wurden diese Kräfte des rechten Randes zumindest in Teilen von der Union absorbiert und damit kanalisiert, also gebändigt. Es galt der Grundsatz des früheren CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß: „Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitimierte Parteien geben.“ Das gilt nicht mehr, und Merz hat diesen Teil des Spektrums angesichts der fortschreitenden Radikalisierung aufgegeben. Zugleich löst sich Friedrich Merz vorsichtig vom liberalen Kurs der Mitte der Altkanzlerin Angela Merkel.
Was der CDU-Vorsitzende da wagt, ist eine Gratwanderung zwischen politischer Mitte und gemäßigter Rechter. Das soll das Profil schärfen. Volkspartei kann man aber auf Dauer nicht bleiben, wenn man die Ränder an beiden Seiten aufgibt.
Der Manager Merz weiß, dass es für Unternehmen nötig sein kann, sich gesundzuschrumpfen. Aber der Politiker Merz müsste wissen, dass dieser Kurs für Parteien, die eine Führungsrolle im politischen System Deutschlands einnehmen wollen, nicht immer zum Erfolg führt.
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Source: welt.de