Streiks an Flughäfen – „Die nächsten Streiks haben eine andere Dimension“, droht Verdi

Gähnende Leere in Terminals und ungewohnte Stille auf den Rollfeldern: Ein Streik der Gewerkschaft Verdi hat am Freitag den Flugverkehr in Deutschland großflächig zum Erliegen gebracht. An den Drehkreuzen Frankfurt/Main und München sowie an fünf weiteren großen Flughäfen fielen laut Betreibern und Gewerkschaft praktisch alle Passagier- und Frachtflüge aus. Insgesamt waren dem Verband der Flughäfen zufolge mehr als 2400 Flüge mit annähernd 300.000 Passagieren betroffen.

An den beiden größten deutschen Flughäfen in Frankfurt und München lag jeweils praktisch der gesamte kommerzielle Flugverkehr lahm. „Frankfurt steht still“, sagte ein Verdi-Sprecher am Freitag in der hessischen Metropole. Einem Sprecher des Flughafenbetreibers Fraport zufolge waren für Freitag zwölf Flugbewegungen statt wie regulär etwa 1000 Flüge geplant.

Bei diesen handelte es sich um Flüge mit Hilfsgütern für Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien, für deren Abfertigung zuvor eine Notvereinbarung getroffen worden war. Ansonsten sei es am Flughafen „sehr ruhig“, der Personenverkehr liege faktisch lahm, sagte der Sprecher des Betreibers.

Kaum Passagiere am Münchner Flughafen

Ein vergleichbares Bild zeigte sich in München. Dort wurden einem Flughafensprecher zufolge rund 750 Flüge abgesagt. Passagiere kamen demnach so gut wie gar nicht erst zum Flughafen. Nur „sehr vereinzelt“ seien Menschen erschienen, die vom Streik anscheinend nichts mitbekommen hätten.

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Abgewickelt wurden in München nach Angaben des Sprechers nur angemeldete Sonderflüge mit Teilnehmern der Münchner Sicherheitskonferenz, an der etliche Regierungsvertreter aus dem In- und Ausland teilnehmen. Deren Abfertigung sei gemäß vorheriger Absprachen „gewährleistet“, betonte er.

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„Es geht darum, ein wirklich kräftiges Signal zu setzen“, sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle am Freitagmorgen im Inforadio. „Wir haben einen katastrophalen Arbeitskräftemangel.“ Wegen der schlechten Jobbedingungen und geringen Bezahlung kehrten viele Beschäftigte den Flughäfen den Rücken zu. „Wenn sich jetzt nichts tut bei der Vergütung, dann wird uns allen wieder ein Chaos-Sommer bevorstehen.“ Der Personalmangel hatte in der Urlaubssaison 2022 zu langen Warteschlangen, massiven Verspätungen und Tausenden Flugstreichungen geführt.

Der Streik in Frankfurt, München, Stuttgart, Hamburg, Dortmund, Hannover und Bremen startete teilweise schon mit der Nachtschicht am Donnerstag und führte noch am Abend zu ersten Flugausfällen. Verdi hat in drei laufenden Tarifkonflikten gleichzeitig die Beschäftigten zum Ausstand gerufen, um den Druck zu erhöhen.

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Auch in Hamburg war es sehr ruhig. „Heute Morgen sind die Terminals wie leer gefegt“, sagte eine Sprecherin des Hamburger Flughafens, wo keine Starts und Landungen stattfinden. Von den rund 32.000 betroffenen Passagieren seien nur sehr wenige vor Ort erschienen. „Die Fluggesellschaften und alle Partner am Standort haben sich bestmöglich auf den Verdi-Streik vorbereitet und die Fluggäste frühzeitig informiert.“

Am Frankfurter Flughafen waren am Freitag nur wenige Urlauber zu finden – dafür umso mehr streikende Angestellte
Quelle: Arne Dedert/dpa
Der Passagierbetrieb in München wurde am Freitag komplett eingestellt, Betroffene sollten möglichst auf die Bahn umsteigen
Quelle: Stefan Puchner/dpa

Nach Ende des 24-stündigen Warnstreiks in der Nacht zum Samstag sollte der Flugverkehr wieder anlaufen. Die Flughäfen rechneten mit starkem Andrang, weil Fluglinien teilweise Fluggäste umbuchten. In Frankfurt und München wollten Unternehmen nach Angaben von Flughafensprecher unter anderem größere Flugzeuge einsetzen, teils auch zusätzliche Flüge anbieten. Der Münchner Flughafen riet Reisenden, einen hinreichenden „Zeitpuffer“ einzuplanen.

Lufthansa streicht 1300 Flüge – „Verdi überspannt den Bogen“

Die Lufthansa etwa stellte den Flugbetrieb an ihren Drehkreuzen Frankfurt und München am Freitag komplett ein und strich insgesamt über 1300 Flüge. Airlines und Flughäfen sprechen von einer beispiellosen Eskalation. „Hiermit überspannt Verdi den Bogen völlig und trägt den Tarifkonflikt auf dem Rücken der Passagiere aus“, argumentierte der Präsident der Luftfahrtlobby BDL, Jost Lammers. „In unzumutbarer Weise soll ein ganzes Land vom internationalen Luftverkehr abgeschnitten werden“, monierte auch der Flughafenverband ADV. Die Passagiere würden zum „Spielball der Verdi-Streiktaktik“.

Verdi rief Beschäftigte im öffentlichen Dienst, das Bodenpersonal und die Belegschaft bei der Luftsicherheit zum Streik auf. Die Beschäftigten machten gemeinsam Druck auf die jeweiligen Arbeitgeber, weil man in den bisherigen Verhandlungsrunden nicht weitergekommen sei, sagte Behle. Die Gewerkschaft verlangt ein Lohnplus von 10,5 Prozent für eine Laufzeit von zwölf Monaten, mindestens jedoch monatlich 500 Euro mehr.

Verdi-Chef kündigt Ausweitung auf andere Branchen an

Verdi-Chef Frank Werneke kündigte schon eine mögliche weitere Eskalation an. „Die nächsten Streiks haben eine andere Dimension“, sagt er im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ („F.A.S.“). „Die Aktionsbereitschaft der Mitglieder ist groß“, fügte er hinzu.

Sollten die Arbeitgeber bei der Verhandlungsrunde in der kommenden Woche kein verhandlungsfähiges Angebot vorlegen, seien bisherige Aktionen nur ein Vorgeschmack, drohte Werneke. Er verwies auf „Müllabfuhr oder die Krankenhäuser.“ Verdi organisiert seit Tagen bundesweit Warnstreiks im öffentlichen Dienst. Sie betrafen auch schon den Nahverkehr sowie Kitas.

Die bereits jetzt bestreikten Airlines mussten derweil nun Flüge streichen, Passagiere auf andere Tage oder die Bahn umbuchen. Einige Verbindungen konnten auf nicht betroffene Flughäfen umgeleitet werden. So wickelt etwa der Flughafen Düsseldorf rund 20 Starts und Landungen für den größten deutschen Flughafen in Frankfurt ab.

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Source: welt.de

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