Verfolgte Medien in Georgien: Der Oligarch, die EU und der Fernsehsender

So ging Nika Gwaramia einen Tag nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf Sendung. Im Hintergrund sind Bilder einer Großdemonstration in Tiflis zu sehen. Bild: Mtawari

Der Medienmacher Nika Gwaramia erklärte sich mit der Ukraine solidarisch und ist zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Seine Geschichte zeigt, wie Georgiens Machthaber gegen kritische Sender vorgehen.

An dem Tag im Mai vorigen Jahres, an dem Nika Gwaramia zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, war Georgiens Ministerpräsident gerade auf dem Weg nach Brüssel. Diese Reise, so teilte die Regierung vor dem Abflug mit, sei wegen der Treffen mit der Führung der EU von ganz besonders großer Wichtigkeit. Georgien hatte Anfang März 2022 ebenso wie die Ukraine und Moldau den Antrag gestellt, EU-Beitrittskandidat zu werden. „Die volle Integration mit der EU ist Toppriorität für unsere Regierung“, twitterte Ministerpräsident Irakli Garibaschwili nach seinem Treffen mit EU-Ratspräsident Charles Michel. Einen guten Monat später erhielt Georgien im Gegensatz zur Ukraine und Moldau aus Brüssel eine Absage: kein Kandidatenstatus. Das Urteil gegen Gwaramia wog für die EU schwerer als die wohlgesetzten Worte des Ministerpräsidenten.

Die Haftstrafe für den Journalisten, Medienmanager und Miteigentümer eines der größten Fernsehsender Georgiens war nicht der einzige Grund für die negative Entscheidung der EU. Aber sein Fall hat eine ebenso herausgehobene Bedeutung für die künftigen Beziehungen des Landes zur EU wie der Umgang der Machthaber mit dem in Haft mutmaßlich vergifteten und lebensbedrohlich erkrankten früheren Präsidenten Micheil Saakaschwili. Wird das Urteil gegen Gwaramia vom Obersten Gericht in Tiflis in dem zurzeit laufenden Verfahren in letzter Instanz bestätigt, dann wird Georgien auch dieses Jahr den Kandidatenstatus nicht erhalten. Im Juni vorigen Jahres forderten nach der Entscheidung Brüssels bei einer Demonstration für die EU mehr als hunderttausend Menschen in Tiflis den Rücktritt der Regierung – es waren die größten Proteste seit der Rosenrevolution 2003. In dieser Woche hat ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Organisationen und unabhängigen Medien in Tiflis vor dem Gefängnis, in dem Gwaramia einsitzt, eine Bewegung zu seiner Befreiung gegründet.

Source: faz.net

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