Die Jecken in Deutschland haben Nachholbedarf. Nach drei Jahren Corona-Zwangspause finden in diesen Tagen quer durch die Republik wieder Faschingsfeiern, Karnevalsumzüge und Kostümsitzungen statt.
Millionen Karnevalisten haben sich hierfür offenbar neu ausgestattet: Das Statistische Bundesamt meldet jedenfalls einen kräftigen Sprung bei der Einfuhr von Karnevals- und Unterhaltungsartikeln, vor allem aus China.
Ware im Wert von knapp 115 Millionen Euro ist für die laufende Session 2022/2023 importiert worden. Das sind fast 50 Prozent mehr als ein Jahr zuvor und immerhin 12,5 Prozent mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019.
Mit den steigenden Zahlen setzt sich ein Trend fort. Denn auch vor der Pandemie hatten Import und Verkauf von Karnevalsartikeln der amtlichen Statistik zufolge bereits stetig zugenommen.
Allerdings profitieren nicht nur die Verkäufer von Kostümen, Accessoires und Deko vom wachsenden Interesse an der sogenannten fünften Jahreszeit. Auch für Gastronomie und Hotellerie ist die närrische Zeit äußerst lukrativ, außerdem für Dienstleister und das Transportgewerbe.
Die Jecken müssen schließlich zu den klassischen Karnevals- und Faschingshochburgen anreisen, dort vielfach auch übernachten und wieder nach Hause fahren. Auf jährlich 1,5 Milliarden Euro schätzt das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) den Umsatzausfall für die betroffenen Branchen während der pandemiebedingten Auszeit.
Als bundesweites Zentrum der Feierlichkeiten gilt Köln. In der Domstadt, in der in diesem Jahr das 200-jährige Bestehen des organisierten Karnevals gefeiert wird, zieht der mit Abstand größte und meistbesuchte Rosenmontagszug Deutschlands durch die Straßen.
Bis zu 1,5 Millionen Menschen säumten in der Vergangenheit zum Höhepunkt des Straßenkarnevals den meist acht Kilometer langen Weg. Auch in diesem Jahr wird mit großem Andrang gerechnet.
Die angemeldeten rund 12.000 Zugteilnehmer versorgen dabei die Besucher am Straßenrand mit rund 700.000 Schokoladentafeln, 220.000 Schachteln Pralinen, 300.000 Strüßjer – also kleinen Blumensträußen – und weiteren 300 Tonnen Süßigkeiten sowie Tausenden Stoffpuppen und Präsenten, wie das Festkomitee Kölner Karneval meldet. Das jeweilige Wurfmaterial wird dabei von den Zugteilnehmern selbst bezahlt.
Bunte Umzüge gibt es aber auch andernorts in der Republik, etwa in Düsseldorf und Aachen, Mainz, Koblenz, Würzburg, Nürnberg, Braunschweig oder in Marne in Schleswig-Holstein. Je nach Region hat das närrische Treiben dabei jeweils einen anderen Namen, etwa Karneval, Fasching und Fastnacht bis hin zu Fasnet und Fasteleer.
Bereits vor den für die breite Öffentlichkeit gut sichtbaren Umzügen findet über viele Wochen hinweg der Sitzungskarneval statt. Er lockt bundesweit Millionen Jecken zu Büttenreden, Gardetanz und Musik in die Säle.
Trotz der anhaltenden Popularität der fünften Saison in Deutschland sorgen sich die Rheinischen Karnevals-Korporationen (RKK) um das närrische Brauchtum. Die RKK sind ein karnevalistischer Bundesverband, dem mehr als 1400 Vereine angeschlossen sind. „Leider ist beim Sitzungskarneval die Tendenz festzustellen, dass die Anzahl der Redner rückläufig ist“, sagt Präsident Hans Mayer. Vielerorts fehle es an Nachwuchs.
Zudem gehe der Trend offenbar hin zur „Partysitzung“, in der Musik und Stimmung eine wichtigere Rolle spielten. Beim Straßenkarneval wiederum bemängelt der Verband einen „zunehmenden Bürokratismus“, der sogar schon zur Absage von Umzügen geführt habe.
So würden insbesondere die Sicherheitsauflagen ständig verschärft. „Das Interesse der Bevölkerung am Karneval ist riesengroß, doch die Aktiven in den Vereinen sehen sich immer mehr Problemen und bürokratischen Hindernissen ausgesetzt.“
Source: welt.de