Die 2022er-Bilanz der Möbelbranche in Deutschland sieht super aus – allerdings nur auf den ersten Blick. Zwar meldet der Handel ein Umsatzplus in Höhe von acht Prozent auf 35,3 Milliarden Euro. Und auch die heimische Industrie konnte bei den Erlösen um sieben Prozent zulegen auf 18,8 Milliarden Euro.
„In normalen Jahren würden wir uns darüber auch freuen“, sagt Elmar Duffner, der Präsident des Verbands der Deutschen Möbelindustrie (VDM). Die Lage sei aber nicht normal – und die durchaus beachtliche Umsatzentwicklung allein preisgetrieben. „Die Verkaufsmengen dagegen waren unter dem Strich rückläufig“, bilanziert Duffner und spricht von einem „schwierigen Marktumfeld“ und sogar von einem „zu geringen Wachstum“ angesichts der dahinter liegenden Kostenbelastungen.
Probleme gab es dabei vor allem im Preiseinstiegssegment. „Unsere Händler im Bereich Mitnahme und Discount hatten schwer zu kämpfen“, berichtet Markus Meyer, der Präsident des Handelsverbands Möbel und Küchen (BVDM). Gemeint sind damit zum Beispiel Billiganbieter wie Poco, Möbel Boss oder Roller, bei denen vor allem Haushalte mit kleinerem Geldbeutel einkaufen, die in der aktuellen Lage mit Inflation und hohen Energiepreisen noch klarer entscheiden müssen, was sie mit ihrem Geld machen. „Da wird dann als Erstes bei den Möbeln gespart“, weiß Meyer. Denn ausreichend Geld für Lebensmittel sei in diesem Moment wichtiger.
Zudem gab es gerade im Billigsegment die höchsten Preissprünge. Denn die dort angebotene Ware kommt mehrheitlich aus dem Ausland, allen voran aus Asien, aber auch aus Osteuropa. Damit aber spielen neben höheren Energie- und Rohstoffpreisen insbesondere die Logistikkosten eine entscheidende Rolle.
Und die haben in den letzten Monaten und Jahren zeitweise Rekordhöhen erklommen. „Der Preis für Importmöbel hat sich deswegen teils verdoppelt“, beschreibt Handelsvertreter Meyer, der im Hauptberuf Geschäftsführer von City-Polster mit Sitz in Kaiserslautern ist. „Und das mussten wir an die Endverbraucher weitergeben.“
Diese Gemengelage zeigt sich auch in den Importstatistiken. Danach ist der Einfuhrwert 2022 zwar gestiegen, konkret um knapp drei Prozent auf 10,7 Milliarden Euro, wie der VDM berichtet. Gleichzeitig ist die Menge der importierten Möbel aber um zwölf Prozent eingebrochen. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt beim weiterhin größten Lieferland China: Während sich der Einfuhrwert um sechs Prozent auf 3,2 Milliarden erhöht hat, sind die Stückzahlen um 15 Prozent und damit überdurchschnittlich eingeknickt.
Ob sich aus der aktuellen Entwicklung nun ein grundlegender Trend hin zu höherwertigen Möbeln entwickelt, müssen die kommenden Monate zeigen. Erstmal meldet BVDM-Präsident Meyer eine leichte Erholung für das Billigsegment in den Monaten Januar und Februar. Zumal es durch zuletzt wieder sinkende Frachtraten eine Normalisierung bei den Preisen gebe.
Dennoch rechnet der Verband damit, dass die Nachfrage nach mittel- und hochpreisigen Möbeln generell stabiler bleibt als nach günstigen Produkten. Zumal die Käufe von den Verbrauchern nicht mehr impulsiv getätigt werden, sondern besonnen und überlegt. „Beide Segmente haben ihre Berechtigung“, glaubt Meyer.
Seine Branche sieht allerdings auch eine deutliche Dynamik bei Themen wie Nachhaltigkeit, Recycling und Kreislaufwirtschaft. Gleichzeitig gewinne das Geschäft mit gebrauchten Möbeln an Bedeutung. „Der Endkonsument hat immer weniger Hemmungen, Gebrauchtes zu kaufen.“
Billige Möbel-Importe haben es künftig bei den Kunden schwerer
„Beide Entwicklungen werden dazu führen, dass billige Importware es künftig schwerer haben wird in Deutschland“, prognostiziert auch Jan Kurth, der Geschäftsführer des Industrieverbandes VDM. „Wir sehen bei den Kundenwünschen einen klaren Trend zum Thema Nachhaltigkeit. Und das wird auf Dauer zu Verschiebungen im Einkaufsverhalten führen“, ist er sich sicher.
Die Industrie setzt deswegen seit einiger Zeit auf eine Imagekampagne „Möbel Made in Germany“, bei der Hersteller entsprechend zertifiziert werden und Urkunden bekommen. „Wir wollen den Kunden damit eine verlässliche Orientierungshilfe bei ihrer Kaufentscheidung geben“, erklärt Kurth.
Auch für diese Möbel müssen die Verbraucher aber absehbar tiefer in die Tasche greifen. „Weitere Preissteigerungen sind zu erwarten“, kündigt Kurth an. Auf rund zehn Prozent schätzt er die Möbelinflation im Jahr 2022. Weitere Preisrunden habe es dann bei vielen Herstellern zum Jahreswechsel gegeben. Und zur Jahresmitte könnte dann der nächste Aufschlag folgen.
Grund dafür seien die hohen Kosten für Energie und Rohstoffe, die bislang nur teilweise hätten weitergegeben werden können. Eine Kompensation sei aber zwingend nötig. „Ansonsten geraten die Unternehmen in Schieflage.“ Zumal angesichts hoher Lohnforderungen der Gewerkschaften bereits die nächste Kostenlawine absehbar sei. „Für rückläufige Preise fehlt mir aktuell die Fantasie“, pflichtet daher auch Handelsvertreter Meyer bei.
Für 2023 sind der Handel wie auch die Industrie daher gleichermaßen zurückhaltend mit ihren Prognosen. Der VDM fürchtet einen Umsatz auf dem Niveau des Vorjahres – was angesichts der Preiserhöhungen weitere Mengenverluste bedeuten würde. Und auch der Handel hofft auf eine zumindest stabile Nachfrage.
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Source: welt.de