In Chile hat sich die illegale Migration in den vergangenen Jahren zu einem derart großen Problem entwickelt, dass die linke Regierung von Präsident Gabriel Boric nun drastische Maßnahmen ergreift. Am Montag entsandte die Regierung Truppen an die Grenze zu Peru und Bolivien, die dabei helfen sollen, die illegale Einwanderung einzudämmen. Das chilenische Fernsehen zeigte Bilder von patrouillierenden Soldaten an einem Grenzgraben in der Andenregion, nahe der Stadt Colchane. In der Ortschaft an der Grenze zu Bolivien kommen nach Angaben der lokalen Behörden jeden Tag bis zu 400 Migranten ohne Papiere an. Unter ihnen befinden sich viele Venezolaner, doch auch die Zahl von Haitianern, Kolumbianern und Zentralamerikanern soll demnach zugenommen haben.
Während viele Migranten die gefährliche Route Richtung Norden antreten, um in die Vereinigten Staaten zu gelangen, hat sich in Südamerika das relativ wohlhabende und stabile Chile zu einem beliebten Ziel entwickelt. Zwischen 2017 und 2021 hat sich die Zahl der Ausländer verdoppelt. Heute leben fast 1,5 Millionen Ausländer in Chile, das eine Bevölkerung von etwa 19 Millionen hat. Bei fast einem Drittel der Ausländer handelt es sich um Venezolaner, 17 Prozent stammen aus Peru, je zwölf Prozent aus Haiti und Kolumbien und acht Prozent aus Bolivien.
Eines der ersten Ziele ist meist die nordchilenische Hafenstadt Iquique. Dort sind die Migranten bereits mehrmals Ziel von gewalttätigen Attacken durch die lokale Bevölkerung geworden, bei denen die ärmlichen Behausungen und die Habseligkeiten der Migranten verbrannt wurden. Viele versuchen es in die Hauptstadt Santiago de Chile zu schaffen, wo sie zumeist in überfüllten Unterkünften leben, teilweise in improvisierten Zeltlagern auf der Straße. Auf ihren Fußmärschen durch das Andenhochland sind die Migranten extremen Witterungsverhältnissen und anderen Risiken ausgesetzt. Dutzende sind dabei gestorben.
Vor der Wahl war die Rhetorik anders
Der Einsatz der Armee soll abschreckend auf die Migranten und beruhigend auf die Bevölkerung wirken. Grundlage für den Einsatz ist ein im Januar vom Kongress gutgeheißenes Gesetz, das am Montag in Kraft getreten ist. Es befugt die Armee, Maßnahmen wie Personenkontrollen und Durchsuchungen durchzuführen und unter Umständen auch Warnschüsse abzugeben. Im Falle einer ernsthaften Bedrohung darf auch scharf geschossen werden. Die Armee unterstützt die Polizei auch bei Straßenkontrollen im Norden des Landes. Der Einsatz ist auf vorerst neunzig Tage beschränkt. „Chile hat lange Zeit nicht das getan, was es tun sollte, um eine gute Kontrolle zu haben“, sagte Innenministerin Carolina Tohá während einer Pressekonferenz in Colchane.
Der Schritt kann auch als Reaktion auf das Stimmungstief in der Bevölkerung gesehen werden. Nach einer im Februar veröffentlichten Umfrage des Instituts Cadem heißen nur 27 Prozent der Befragten die Arbeit der Regierung gut. Zu den größten Problemen der Chilenen zählt die Kriminalität, die in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat. Auch die Sicherheit der Grenze und die illegale Migration stehen weit oben auf der Liste. Immer deutlicher wird, dass der linke Präsident Boric – entgegen der Rhetorik vor seiner Wahl – in Fragen der Sicherheit auf die harte Hand setzt. Auch im Konflikt mit radikalen Gruppen des indigenen Mapuche-Volkes im Süden des Landes weicht Boric nicht von der Strategie der Militarisierung seiner Vorgänger ab.
Source: faz.net