„Bund und Länder zeigen aufeinander. Davon ist noch kein Kind klug geworden“

Es hatte viel Kritik gegeben an diesem sogenannten Bildungsgipfel von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Ein Gipfel, an dem außer dem Hamburger Bildungssenator Ties Rabe und der Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), der ohnehin bald aus dem Amt scheidenden Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (beide SPD) kein weiterer der 16 Kultusminister teilnimmt?

Dem es an „professioneller Struktur“ fehle und er so zur „reinen PR-Show“ wird, wie Hessens Kultusminister Alexander Lorz monierte und der somit zu einer „lustlosen Abarbeitung des Koalitionsvertrags“ geraten müsse, wie seine Kollegin Karin Prien (beide CDU) aus Schleswig-Holstein sekundierte?

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Niedriger hätten die Erwartungen nicht hängen können vor diesem Treffen, das zudem noch als Vormittagsprogramm auf die ohnehin alle zwei Jahre stattfindende Bildungsforschungstagung des Bundesbildungsministeriums „gewissermaßen aufgepfropft“ wurde, wie Moderator Armin Himmelrath zur Begrüßung zugab.

Mit Blick auf Format, Vorbereitung, Agenda und Teilnehmer werde dieser Gipfel den Herausforderungen nicht gerecht, hatten im Vorfeld 50 Stiftungen, Gewerkschaften und Bildungsverbände in einem gemeinsamen Appell bemängelt. Und einen echten „nationalen Bildungsgipfel“ gefordert, unter Einbeziehung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Regierungschefs der Länder.

„Abkehr vom Prinzip Gießkanne“

Und dennoch zeigte sich Stark-Watzinger angesichts der lautstarken Kritik vergleichsweise unbeeindruckt. „Ich schätze den Bundeskanzler wirklich. Aber die Arbeit wird nicht bei einem Treffen gemacht. Es ist etwas oldschool, zu denken, man macht einen Gipfel, und die Probleme sind gelöst“, sagte Stark-Watzinger. „Es geht darum, Themen zu benennen.“ Man werde jetzt mit fünf Thesen in einen gemeinsamen Arbeitsprozess einsteigen. „Und wenn am Ende des Prozesses ein Treffen steht, bei dem auch der Kanzler dabei ist, ist mir das auch recht.“

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Dazu plant Stark-Watzinger, der Kultusministerkonferenz jetzt die Einrichtung einer „Taskforce Bildung“ vorzuschlagen, an der neben Bund, Ländern und Kommunen auch Wissenschaft und Zivilgesellschaft teilnehmen sollen. Im Moment befinde man sich eben noch nicht auf dem Gipfel, sondern starte gewissermaßen in der „norddeutschen Tiefebene“, ergänzte KMK-Präsidentin Busse.

Wann die von Stark-Watzinger angestrebte Taskforce gegründet wird, wer genau ihr angehören wird, wann erste Ergebnisse präsentiert werden sollen – all das blieb am Dienstag noch vage. Die Aufgabenstellung aber hat die Bildungsministerin in einem Thesenpapier niedergelegt. „Die Bildungsrepublik Deutschland steckt in einer tiefen Krise“, heißt es dort.

In den Grundkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen erreiche jedes fünfte Kind die Mindeststandards nicht, besonders Kinder aus sozial benachteiligten Familien seien betroffen. „Wir brauchen eine bildungspolitische Trendwende, die das Aufstiegsversprechen erneuert. Ein Weiter-so darf es nicht geben.“

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Nichts weniger als eine „Herkulesaufgabe“ sieht Stark-Watzinger da auf die Verantwortlichen zukommen. Es brauche daher eine neue Kultur der Zusammenarbeit. „Viele Probleme sind strukturell“, so die Bildungsministerin. „Man zeigt aufeinander, Bund und Länder. Davon aber ist noch kein Kind klug geworden.“

Angesichts knapper Mittel sei auch eine „Abkehr vom Prinzip Gießkanne“ nötig, so die Bildungsministerin. „Milliardenprogramme können ins Leere laufen, wenn wir nicht klare Ziele und Daten und Indikatoren haben. Ohne kritische Erfolgskontrolle läuft die beste Initiative ins Leere.“ Das war ein klarer Hinweis auf das „Startchancenprogramm“, mit dem der Bund gezielt ausgewählte Schulen in sozial schwachen Stadtteilen fördern will. Auf konkrete Informationen bezüglich Ausstattung und Startpunkt allerdings warten die Länder bislang vergebens.

„Das jetzige System mag nicht perfekt sein …“

Hamburgs Bildungssenator Rabe wies auf einem Podiumsgespräch aber bereits vorsorglich darauf hin, dass der Königsteiner Schlüssel, nachdem normalerweise Bundesgeld auf die Länder verteilt wird, hier nicht der geeignete Maßstab sei. „Benachteiligte Länder sollten unbedingt mehr aus dem Programm bekommen.“ Großer Applaus im Fachpublikum.

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Und noch etwas merkte Rabe an: Zeit für langwierige föderale Zuständigkeitsdebatten hat die Politik angesichts der Bildungskrise und des grassierenden Lehrkräftemangels nicht. „Mehrheiten für eine nötige Grundgesetzänderung gibt es seit 70 Jahren nicht – diese sinnlose Debatte wäre wirklich verschwendete Zeit. Das jetzige System mag nicht perfekt sein, aber es gibt jedem, der handeln will, dazu große Möglichkeiten.“

Über die Erfolgsaussichten der nun zu gründenden „Taskforce Bildung“ allerdings gingen die Meinungen nach dem Treffen weit auseinander. Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Nina Stahr, bezeichnete den Dienstag als „Auftakt für einen dringend notwendigen Reformprozess. Wir wollen weg vom Kooperationsverbot und hin zu einem neuen, kooperierenden Bildungsföderalismus.“

Für ihre Kollegin Nicole Gohlke von der Linksfraktion ist die Taskforce hingegen nichts als „die Kirsche auf der Torte des Lustlos-Gipfels“.

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Source: welt.de

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