Die Stimmung unter den Bundesbürgern, was die Zukunft betrifft, ist zuversichtlicher als noch im Herbst des vergangenen Jahres. Während im Oktober knapp drei Viertel der Bevölkerung eher sorgenvoll an die Zukunft dachten und sehr große Angst vor ihr hatten, ist dieser Anteil nun auf weniger als zwei Drittel gesunken. Das hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Wirtschaftsauskunftei Schufa ergeben, die WELT AM SONNTAG exklusiv vorliegt. Insbesondere die Sorge vor Problemen bei der Energieversorgung hat deutlich abgenommen.
„Im Oktober 2022 waren die Menschen in Deutschland sehr verunsichert, was im Winter finanziell auf sie zukommt“, sagt Schufa-Vorstandsmitglied Ole Schröder. In der Folge hätten viele Menschen beim Konsum und beim Energieverbrauch gespart. „Jetzt können sie die finanziellen Folgen der Krise abschätzen und viel besser planen.“
Vor fünf Monaten war kaum absehbar, ob Deutschland mit seinen Gasspeichern über den Winter kommt. Steigende Strompreise und hohe Forderungen der Energieanbieter für Abschlagszahlungen hatten Verbraucher zu Sparmaßnahmen gezwungen. Heute gehen mehr als sechs von zehn Deutschen davon aus, die gestiegenen Energiepreise gut stemmen zu können.
Seit Anfang März sind die Strom- und Gaspreisbremsen in Kraft. „Inzwischen sind die Strompreise bei vielen Anbietern schon wieder gesunken“, sagt Steffen Suttner, Chef Energie beim Verbraucherportal Check24. „Verbraucher können sich nun Tarife sichern, die deutlich unter der Strompreisbremse liegen, was bei 65 Prozent der Tarife schon der Fall ist.“
Auch wenn die Stimmung der Deutschen insgesamt wieder gestiegen ist, so hat doch die Mehrheit nach wie vor Angst vor einem allgemeinen Preisanstieg. Zwar ist der Anteil etwas zurückgegangen, doch gut drei Viertel der Befragten zeigen sich noch besorgt.
Immerhin drei von zehn Befragten gehen davon aus, dass es ihnen in diesem Jahr schwerfallen wird, mit ihrem Einkommen ihren Lebensstandard zu halten. Obwohl die Mehrheit der Deutschen mit einer steigenden Inflationsrate bis Mitte des Jahres rechnet, glaubt fast jeder Zweite, dass das kommende Jahr für ihn persönlich besser wird als das aktuelle Jahr.
Nach wie vor hoch wird die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes eingeschätzt. 85 Prozent bezeichnen ihren Job als sicher. Jeder Dritte hat der Umfrage zufolge von seinem Arbeitgeber bereits eine Inflationsausgleichsprämie erhalten oder sie in Aussicht gestellt bekommen. Für die repräsentative Erhebung wurden im Februar insgesamt 1000 Menschen befragt.
Die durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelösten Preissteigerungen haben nicht dazu geführt, dass die Deutschen ein Nachgeben bei den Sanktionen gegen Russland fordern. Zwar liegt der Anteil derjenigen, die eine Lockerung befürworten, der Umfrage zufolge bei etwa einem Drittel, doch im vergangenen Oktober waren es noch mehr als 40 Prozent. Sechs von zehn Deutschen sind nach eigenen Angaben bereit, persönliche Einschränkungen hinzunehmen, um die Sanktionen zu unterstützen.
Insgesamt sind 55 Prozent der Befragten mit ihrer derzeitigen finanziellen Situation zufrieden, obwohl mehr als die Hälfte seit Anfang des Jahres Einbußen beim Einkommen im Haushalt verzeichnet hat. In beiden Fällen ist der Anteil leicht steigend. Mehr als ein Viertel der Deutschen hat nach eigenen Angaben genügend Rücklagen, um die steigenden Lebenshaltungskosten abzufedern.
Doch fast ein Viertel ist unverändert ohne jegliche Rücklagen. Bei Haushalten mit einem Nettoeinkommen von weniger als 2000 Euro liegt der Anteil ohne Rücklagen sogar bei 37 Prozent. „Gerade in dieser Gruppe sind die Konsumausgaben relativ hoch, und Preissteigerungen in den Bereichen Wohnen, Mobilität und Ernährung wirken sich hier entsprechend stark aus“, erklärt Peter Kenning, Vorsitzender des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen, der die Bundesregierung berät. Rücklagen seien da kaum möglich.
Wolle man diese Menschen unterstützen, sei es wichtig, zunächst einmal eine Infrastruktur zu schaffen, die es ermögliche, die Gruppe mit zielgerichteten Maßnahmen zu erreichen. „Diese Notwendigkeit ist seit Langem bekannt und wurde bereits in Zusammenhang mit dem Klimageld diskutiert.“
Tatsächlich hatten SPD, Grüne und FDP einen Mechanismus für solche direkten Zahlungen bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, um einen Ausgleich von steigenden CO₂-Preisen zu schaffen. Doch der Weg dahin ist mühsam. Das Finanzministerium hatte im vergangenen Sommer mitgeteilt, dass es mindestens eineinhalb Jahre dauern werde, um die dafür notwendigen Daten wie die Steueridentifikations- und Kontonummern der Bürger für Direktzahlungen zusammenzutragen.