Regierungskonsultationen: 24 Stunden Tokio

Der Flug wird am Ende länger gedauert haben als der Aufenthalt. Schon am Sonntagnachmittag, nach nicht einmal 24 Stunden in Tokio, wird der Bundeskanzler wieder zurück in Berlin sein. In der Luft hat er dann mehr als 26 Stunden verbracht. Aber vielleicht gehört auch das zu dem deutlichen Signal, das Olaf Scholz aussenden wollte: Japan ist uns so wichtig, dass wir diese Strapaze nicht scheuen.

Als der Kanzler am frühen Samstagnachmittag mit dem japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida und einer kleinen Delegation beisammensaß, nannte er die Regierungskonsultationen, zu denen er mit einem Teil des Kabinetts nach Tokio gereist war, ein „sicheres Zeichen der guten Kooperation“ zwischen beiden Ländern. Später, bei einer Pressekonferenz mit Kishida, bezeichnete Scholz Japan als einen „zentralen Wertepartner“ für Deutschland.

Dass der Besuch stattfand, war letztlich wichtiger als die konkreten Inhalte. Man verabschiedete zwar eine 25 Punkte umfassende Abschlusserklärung, aber die enthielt im Wesentlichen Absichtserklärungen für die Zusammenarbeit. Schwerpunkt war die wirtschaftliche Sicherheit, ein Thema, das für die beiden rohstoffarmen und exportabhängigen Länder mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine noch mehr Bedeutung bekommen hat.

Es geht um wirtschaftliche Sicherheit

In vielen Gesprächen stand die wirtschaftliche Sicherheit im Vordergrund. Die Palette der Themen war breit, von der Sicherung des Zugangs zu seltenen Mineralien und Rohstoffen über die Sicherung von Lieferketten bis hin zum Schutz von Unternehmen und Institutionen vor Cyberangriffen. „In einer Welt im Umbruch geht es darum, die Wirtschaftspolitik sicherer zu machen“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck vor seinem Dialog mit seinem Amtskollegen Yasutoshi Nishimura.

Japan bietet da viel Anschauungsmaterial. Das Land verfolgt in Sachen wirtschaftlicher Sicherheit eine breit angelegte Strategie, die von gesamtwirtschaftlichen Fragen wie der Energiesicherheit bis zu konkreten Anleitungen für Betriebe zum Schutz der Daten- und Informationssysteme reicht. Doch es schien nicht so, als ob es an dieser Stelle neben dem vertieften und künftigem Informationsaustausch zu konkreten Vereinbarungen kam.

Habeck hatte sich Fortschritte in Sachen Rohstoffsicherheit erhofft mit der Idee, dass Deutschland und Japan kooperieren, um die Abhängigkeit von chinesischen Lieferungen zu verringern. Von der gemeinsamen Exploration und Erschließung neuer Quellen, Vorkommen und Minen sprach er vor dem Gespräch mit Nishimura und darüber, dass man „da vielleicht wirklich konkret vorankommt”.

Gruppenfoto der an den deutsch-japanischen Regierungskonsultationen Beteiligten am Samstag in Tokio : Bild: AFP

Scholz kündigte später an, dass die deutsche Bundesagentur für Geowissenschaften und Rohstoffe und das japanische Gegenstück, die dem Wirtschaftsministerium zugeordnete Jogmec, stärker kooperieren sollen. Hinsichtlich der gemeinsamen Exploration aber sprach Scholz nur von einer „gemeinsamen Blickrichtung und Perspektive“.

Außenministerin Annalena Baerbock kündigte vor dem Gespräch mit ihrem japanischen Amtskollegen Yoshimasa Hayashi an, dass eine direkte verschlüsselte Telefonleitung zwischen ihren Büros installiert werde. „Das ist das tiefste technische Signal der Freundschaft und des gegenseitigen Vertrauens“, sagte Baerbock.

Entscheidend war die Botschaft: Hier haken sich zwei wirtschaftlich sehr starke und in ihren demokratischen Werten ähnliche Mittelmächte unter. Die gemeinsamen Wertvorstellungen sorgen auch dafür, dass beide Länder den „unrechtmäßigen, unprovozierten und durch nichts zu rechtfertigenden Angriffskrieg gegen die Ukraine“ verurteilen, wie es in er Erklärung steht. Man versichert einander, die Ukraine so lange zu unterstützen und die Sanktionen gegen Russland aufrecht zu halten, wie es erforderlich sei.

Kurz bevor das Treffen in Tokio stattfand, hatte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Scholz und Kishida wurden gefragt, was sie davon hielten. Der Internationale Strafgerichtshof sei „die richtige Institution, um Kriegsverbrechen zu untersuchen“, sagte der Kanzler. Niemand stehe über Recht und Gesetz. Kishida äußerte sich noch zurückhaltender als sein Gast. Der Haftbefehl sei ein erster konkreter Schritt. Die Ermittlungen würden noch fortgesetzt, man werde weitere Ermittlungen des Strafgerichtshofs „mit großem Interesse“ verfolgen.

Verstärkte militärische Zusammenarbeit

Die Rückkehr des Krieges dürfte auch ein Argument dafür sein, die militärische Zusammenarbeit Deutschlands und Japans weiter zu vertiefen. Scholz kündigte an, dass die Bundesmarine im kommenden Jahr wieder mit einem Schiff im Pazifik Präsenz zeigen und dabei auch einen japanischen Hafen anlaufen werde. Das ist ein Jahr später als noch 2021 geplant, als die Fregatte Bayern als erstes deutsches Kriegsschiff seit 19 Jahren in Japan Flagge gezeigt hatte.

Überlegungen und Gespräche gibt es auch für Übungen der Luftwaffe mit den japanischen Selbstverteidigungskräften. „Wir werden 2024 teilnehmen hier an Übungen, mindestens mit der Marine, möglicherweise auch mit der Luftwaffe”, sagte Boris Pistorius, der als erster deutscher Verteidigungsminister seit 16 Jahren Japan besuchte. Weil Deutschland und Japan mehr Geld für die Verteidigung ausgäben, öffneten sich ganz neue Möglichkeiten „für eine engere Kooperation in Übungsfragen, aber auch möglicherweise in Rüstungsfragen“, sagte Pistorius.

Die beiden Außenminister vereinbarten nach Auskunft der japanischen Regierung, dass Verhandlungen über einen Rechtsrahmen beschleunigt aufgenommen werden sollten, um gemeinsame Aktivitäten der Bundeswehr mit den japanischen Selbstverteidigungskräften zu fördern. Pistorius sagte vor Journalisten, dabei gehe es um ganz profane Dinge wie das Betanken von Flugzeugen, wenn keine Verträge vorhanden sind.

Der Bundeskanzler hatte insgesamt sechs seiner Minister mit nach Japan genommen, fein austariert nach Parteifarben: Innenministerin Nancy Faeser reiste neben Pistorius als zweites Kabinettsmitglied mit SPD-Parteibuch mit, die Grünen waren durch Baerbock und Habeck vertreten, die FDP durch Finanzminister Christian Lindner und Verkehrsminister Volker Wissing. Fast hätte es sogar mit der Parität geklappt.

Die Sieben waren zur Regierungskonsultationen unterwegs. Deutschland pflegt das mit einigen Ländern, auch in Asien, etwa mit Indien und China. Aber für Japan ist es eine völlig neue Erfahrung.

Source: faz.net

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