Stand: 19.03.2023 10:00 Uhr
Vor 20 Jahren begann die US-Invasion im Irak. Hunderttausende Iraker und fast 4500 US-Soldaten starben. Der Irak-Krieg hat auch in den USA bis heute Folgen: für die Amerikaner selbst – und für ihr Ansehen in der Welt.
Von Julia Kastein, ARD-Studio Washington
Es ist kurz nach 22 Uhr Ortszeit in Washington am 19. März 2003: US-Präsident George W. Bush verkündet seinen Landsleuten, dass der Einmarsch der USA im Irak begonnen hat.
Es ist die Rede, die das Leben von Aiden Delgado, der heute in San Diego lebt, komplett verändert: Nur einen Monat später findet er sich mit seiner Einheit in Bagdad wieder. Weil der 19-jährige Diplomatensohn ein bisschen arabisch kann, arbeitet er als Verwaltungskraft im berüchtigten Gefängnis Abu Ghraib.
Bush bekommt grünes Licht für seinen Krieg
Ausgerechnet am 11. September 2001, also gleichzeitig mit den Terroranschlägen in New York und Washington, hatte sich Aiden zur Ausbildung als Armee-Reserveoffizier angemeldet – und nicht im Traum daran gedacht, mal tatsächlich in den Krieg ziehen zu müssen, wie er im Interview mit dem ARD-Studio Washington erzählt.
Er habe den Krieg für einen schrecklichen Fehler gehalten und nicht geglaubt, dass Saddam Hussein eine Gefahr für die USA war: “Ich dachte, die Gründe wurden fabriziert, um George W. Bush gut aussehen zu lassen. Und ich habe ihn dafür gehasst, dass er mich zum Teil seiner amoralischen Tat gemacht hat.”
Mit dieser Meinung ist Delgado damals noch in der Minderheit. Zwar gibt es auch in den USA lautstarke Demonstrationen gegen den Krieg. Aber die Mehrheit der Amerikaner glaubt damals der Mär von den Bergen von Massenvernichtungswaffen und den angeblichen Verbindungen des Diktators zum Terrornetzwerk Al Kaida. Im Kongress bekommt Bush von Republikanern und Demokraten grünes Licht für seinen Krieg.
US-Marines eskortieren während der Operation “Iraqi Freedom” gefangene Kriegsgefangene in ein Lager in der irakischen Wüste (Archivfoto vom 21.03.2003). Bild: picture-alliance / dpa
Einsatz war länger, als viele Amerikaner erwartet hatten
In den zwei Jahrzehnten seither hat sich das Meinungsbild gedreht: nach einer aktuellen Umfrage des Forschungsinstituts Ipsos glauben nur noch 36 Prozent, dass die Irak-Invasion richtig war. Nur 31 Prozent meinen, dass die USA dadurch sicherer geworden sind.
Michael O’Hanlon von der Denkfabrik Brookings in Washington wundert das nicht: “Der Irakkrieg war unglaublich teuer. Was die Dollar-Beträge angeht, aber auch für Amerikas Prestige, die Energie, die er dem Land geraubt hat, die Polarisierung, die er vertieft hat. Nicht ganz Vietnam. Aber gleich dahinter.”
O’Hanlon gehört zu den sogenannten “Falken”, die den Krieg damals unterstützten. Als kompletten Misserfolg will er ihn bis heute nicht sehen: Schließlich sei ein brutaler Diktator abgesetzt worden. Eine Demokratie sei natürlich besser – auch wenn sie immer noch nicht stabil ist. Aber O’Hanlon räumt ein: Der Einsatz war viel schwieriger, blutiger und länger als viele – inklusive ihm selbst – damals erwarteten.
Misstrauen gegenüber der Regierung gewachsen
Wie viele Analysten in den USA zieht auch O’Hanlon eine Linie vom Irakkrieg zur Präsidentschaft von Donald Trump. Der Krieg vertiefte das Misstrauen vieler Amerikaner gegenüber ihrer Regierung und die Zweifel der US-Außenpolitik mit Militäreinsätzen in weit entfernten Ländern. Genau in diese Wunde habe Trump erfolgreich immer wieder geschlagen, mit seiner Polemik gegen Bush und die endlosen Kriege.
Auch Amerikas Ansehen in der Welt schadete dieser Krieg. Nicht nur, weil die Geheimdienstinformationen über Waffenprogramme falsch waren, sondern auch, weil es so schien, als ob das der Bush-Regierung eigentlich egal sei, sagt O’Hanlon. Aber der Krieg in der Ukraine zeige auch, dass dieser Image-Schaden nicht dauerhaft sein müsse. Schließlich hätten die meisten Europäer den US-Geheimdienst-Informationen zu Putins Plänen geglaubt.
Ein Soldat in Zivil verneigt sich am Grab eines gefallenen Kameraden (Archivfoto vom 24.05.2009). Bild: picture-alliance/ dpa
Viele ehemalige Soldaten sind vom Einsatz traumatisiert
Fast eine Million US-Soldaten insgesamt dienten in den acht Jahren Krieg. Viele sind traumatisiert. Tausende haben sich das Leben genommen. Aber ein Fehler, gar eine Schande? Craig Auriemma aus Hoboken in New Jersey will davon nichts hören. Zweimal war der Hauptfeldwebel im Irak im Einsatz: “Ich bin stolz auf meinen Part in diesem Krieg.”
Amerika sei dadurch sicherer geworden. Er verstehe nicht, warum der Einsatz von ihm und seinen Kameraden nicht gewürdigt werde – etwa mit einem Memorial, einer Gedenkstätte an der Mall in Washington. Das sei schon sehr enttäuschend.
Source: tagesschau.de