Angespanntes Ampel-Klima: Robert Habeck hat sich Gehör verschafft – und bekommt kräftig Gegenwind

Angespanntes Ampel-Klima Robert Habeck hat sich Gehör verschafft – und bekommt kräftig Gegenwind

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz

© Michael Kappeler / DPA

In Kürze kommen die streitlustigen Ampel-Parteien zur Kompromissfindung bei allerhand Konflikten zusammen. Der öffentliche Tadel von Vizekanzler Robert Habeck hat das angespannte Verhältnis offenkundig nicht gelockert.

Wenn Robert Habeck sich Gehör in der Koalition verschaffen wollte, dann ist ihm das gelungen. Fraglich ist, ob er mit seiner bemerkenswerten Breitseite gegen die aktuelle Arbeit der Ampel-Koalition die Differenzen im Bündnis, die zuletzt deutlich zutage getreten sind, wieder zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung zurückgeführt hat.

Jedenfalls haben SPD und FDP verärgert auf den umfangreichen Unmut des grünen Vizekanzlers reagiert, den dieser am Dienstag an verschiedenen Stellen kundgetan hatte, und ihrerseits gegen die Ökopartei ausgeteilt. Am versöhnlichsten fiel noch das Urteil des SPD-Generalsekretärs Kevin Kühnert aus, wonach Habeck “anscheinend in seiner eigenen Partei ein bisschen Druck auf dem Kessel” habe. “Aber ich glaube, man sollte mit dem Druck nicht so umgehen, dass man jetzt einfach in alle Richtungen deswegen koffert”, sagte er der ARD.

Habeck bekommt Gegenwind

In der Tat sind die Grünen in diesen Tagen einigermaßen bedient, mit einer FDP, die ohnehin in aller Regelmäßigkeit in Opposition zur Ökopartei geht, aber auch mit einer Kanzler-SPD, die zu diesem und jenem Schlagabtausch auffällig wenig zu sagen hat. Umfragen sehen die Grünen derzeit gleichauf mit der AfD. 

Darüber hinaus erhitzt das geplante Einbauverbot komplett fossiler Heizungen aktuell die Gemüter und lässt insbesondere Habeck und sein Wirtschaftsministerium in keinem guten Licht dastehen, obwohl das Vorhaben von der Koalition vereinbart wurde und auch vom roten Bauministerium angeschoben wird. Nach Bekanntwerden des ersten Referentenentwurfs, der eine heftige öffentliche Diskussion zur Folge hatte, kritisierten jedoch sowohl FDP als auch SPD die Pläne. 

Habeck zeigte sich vor diesem Hintergrund sichtlich irritiert, gewissermaßen resigniert und unterstellte den Koalitionspartnern, auf die Bremse zu treten. “Es kann nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt”, monierte er zum Auftakt der Grünen-Klausur in Weimar am Dienstag.

Diese Deutung weisen beide Koalitionspartner nun klar zurück. “Die Wahrnehmung von Herrn Habeck, die Grünen seien in der Ampelkoalition für den Fortschritt verantwortlich und die anderen Parteien würden verhindern, entspricht nicht der Realität”, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Dijr-Sarai zum “Spiegel” und schimpfte: “Ich kann nicht erkennen, dass die Grünen den Fortschritt beschleunigen, sie blockieren ihn an vielen Stellen – etwa beim Ausbau der Infrastruktur oder einem technologieoffenen Ansatz in der Klimaschutzpolitik.” Auch unzumutbare Belastungen etwa durch ein kurzfristiges Verbot von Heizungen seien kein Fortschritt, so der Liberale. Der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese mahnte “etwas mehr Selbstkritik” an und vermutet hinter Habecks Äußerungen vor allem eine kämpferische Ansage an die “eigenen Leute”. 

Angespanntes Klima in der Ampel vor Koalitionsausschuss

Dort wurde der Konfrontationskurs ihres Vizekanzlers, der mit seinem Klare-Kante-Klartext von leise auf laut geschaltet hat, jedenfalls nicht beanstandet. Möglicherweise herrscht in der Partei allmählich der Eindruck vor, mit pflichtbewusster Mäßigung nicht mehr im dauererregten Ampel-Diskurs durchdringen zu können. Nach der Klausurtagung in Weimar formulierte Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge stellvertretend für alle Fraktionsmitglieder den Wunsch, “dass die Ampel entschlossen die Aufgaben angeht, die in diesem Jahr vor uns liegen”. Dabei nahm sie auch den FDP-Verkehrsminister Volker Wissing in die Pflicht, der beim Klimaschutz nicht genug liefere, ebenso den SPD-Kanzler Olaf Scholz, der sich aus Sicht vieler Grüner zu sehr aus den Konflikten heraushalte. 

Wie erfolgsversprechend ein rhetorischer Kursschwenk sein könnte, ist fraglich. Habecks öffentlicher Tadel hat jedenfalls nicht dazu beigetragen, den seit Wochen andauernden und öffentlich ausgetragenen Streit innerhalb der Ampel-Koalition zu entschärfen. Im Regierungsbündnis schwelen Konflikte zu mehreren Themen, der Ton unter den Koalitionären wird hörbar rauer. Zuletzt hatte FDP-Vize Wolfgang Kubicki in einem Interview sogar ideologische Parallelen zwischen dem Freiheitsverständnis von Habeck und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gezogen, wofür sich Kubicki im Nachhinein “in aller Form” entschuldigte. Allerdings erscheinen die Fronten zunehmend verhärtet.

Habeck wähnt die Koalition mitunter in einer Vertrauenskrise. Am Dienstagabend hatte er in den ARD-“Tagesthemen” den Vorwurf erhoben, dass die noch unvollendeten Heizungspläne durch ein gezieltes Durchstechen an Medien sabotiert worden sei, “um dem Vertrauen in der Regierung zu schaden”. Dadurch seien Gespräche der Koalitionspartner “wahrscheinlich mit Absicht zerstört worden, des billigen taktischen Vorteils wegen”. Da so etwas “nicht aus Versehen” passiere, so Habeck, sei er “ein bisschen alarmiert, ob überhaupt Einigungswille da ist”.

Auch auf diese Kritik folgte umgehend eine Replik. “Gesetzesentwürfe werden ständig von irgendjemandem an Medien weiter gegeben”, schrieb Niedersachsens FDP-Chef Konstantin Kuhle auf Twitter. “Mitunter sehr ärgerlich, aber passiert in einer Demokratie. Pressefreiheit und so. Wer sagt, dass es nicht Habecks Ministerium selbst war?”  

Das angespannte Klima in der Koalition lässt schwierige Gespräche für kommenden Sonntag erwarten. Dann treffen sich die Ampel-Spitzen zum Koalitionsausschuss im Kanzleramt, um sich über die verlässlich länger werdende Liste der aktuellen und anhaltenden Reiz- und Streitthemen zu beugen und Kompromisse auszuloten.

“Wir haben große Aufgaben zu lösen”, appellierte SPD-Co-Chef Lars Klingbeil in der “Rheinischen Post” an die streitlustigen Ampel-Parteien. “Der öffentliche Streit der letzten Tage, das gegenseitige Vorhalten, das ist nicht das, was wir gerade brauchen, um das Land voranzubringen. Daran wird diese Koalition am Ende gemessen”, so Klingbeil. Zumindest in dieser Hinsicht dürften sich alle einig sein. 

Source: stern.de

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