Elektroschrott: Reparieren, nicht neu kaufen

Die EU-Kommission plant, Elektrogeräte bis zu zehn Jahre lang reparieren zu lassen. Manchen geht der Vorschlag im Kampf gegen den Elektroschrott aber nicht weit genug.

Elektroschrott ist ein Problem. Allein aus alten Mobiltelefonen
könnte man einen
Turm bauen
, der etwa
50.000 Kilometer hoch ist, oder eine Kette, die mehr als einmal um die
Erde reicht. Ein Grund
für den immer
größer werdenden Berg an
ausrangierten
Handys, Kühlschränken und Fernsehgeräten

sind technische Innovationen bei gleichzeitig kurzer Lebensdauer, vor
allem im Bereich der Unterhaltungselektronik. Ein weiterer Grund:
Eine Reparatur ist in vielen Fällen von
Herstellerseite aus nicht
möglich oder zu aufwendig, weshalb viele defekte Geräte kurzerhand
durch neue ersetzt werden.

Seit
Jahren gibt es deshalb in
verschiedenen Ländern und von verschiedensten Seiten aus Rufe nach einem sogenannten Recht auf Reparatur, das unter anderem im
Koalitionsvertrag der Bundesregierung erwähnt wird
. Um
Elektroschrott zu reduzieren und Verbraucherrechte zu stärken,
sollen Reparaturen einfacher
werden und die Hersteller stärker in die Pflicht genommen werden.
Beides
sieht auch der
Vorschlag vor
, den die EU-Kommission am Mittwoch vorgestellt
hat. Geht es nach den
Plänen der Kommission, soll das
Recht auf Instandsetzung zahlreicher
elektronischer
Alltagsgeräte
erstmals gesetzlich festgeschrieben werden. Der Vorschlag würde somit die EU-Ökodesign-Richtlinie ergänzen, die bereits seit März 2021 vorgibt, dass bestimmte Geräte besser reparierbar sein müssen.

Konkret
enthält der Vorschlag sowohl innerhalb der
gesetzlichen Gewährleistungspflicht als auch darüber hinausgehend ein neues Recht auf Reparatur. Bislang sind
Hersteller verpflichtet, innerhalb der zweijährigen
Gewährleistungspflicht eine Reparatur anzubieten. Es sei denn, diese
ist teurer als der Austausch. Das soll weiterhin so bleiben,
allerdings sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher zusätzliche
Ansprüche und Optionen erhalten.

Bis zu zehn Jahre Reparaturanspruch – mit Einschränkungen

So
sollen sie sich jederzeit an einen Ansprechpartner des Herstellers
wenden können, der über die Reparaturbedingungen informiert, also
etwa über den Preis und die Dauer einer Instandsetzung. Die
Hersteller können die Reparatur prinzipiell an Dritte auslagern,
allerdings sollen Reparaturbetriebe
künftig auf Nachfrage
ein einheitliches
europäisches Formular ausfüllen, “wodurch Transparenz in Bezug auf die Reparaturbedingungen und
den Preis geschaffen und der Vergleich von Reparaturangeboten
erleichtert wird”, wie
die Kommission schreibt
.

Auch
nach Ablauf der
gesetzlichen Gewährleistungspflicht sollen die Hersteller
Reparaturen ermöglichen
– und zwar bis zu maximal
zehn Jahren. Mit der Anpassung der EU-Ökodesign-Richtlinie wurde bereits festgelegt, dass etwa Hersteller von Waschmaschinen zehn
Jahre lang Ersatzteile für ein Produkt vorhalten
und diese
Reparaturdienste zur Verfügung stellen müssen. Geht es nach der
EU-Kommission, soll passend dazu zehn Jahre lang ein
Reparaturanspruch gelten, sofern eine
Instandsetzung
technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist.

Das
gilt
unter anderem für
Waschmaschinen,
Kühlschränke, Staubsauger, Bildschirme und Geräte
zur Datenspeicherung. Tablets und Mobiltelefone zählen noch nicht
dazu, sie sollen aber im Rahmen geplanter Verordnungen noch aufgenommen
werden.

Schließlich
sollen neue Vermittlungsplattformen
im Internet Verbraucherinnen und Werkstätten zusammenbringen. In
jedem EU-Mitgliedsland soll es mindestens eine solche Plattform
geben, über die sich die Verbraucher über Reparaturangebote und
Ersatzteile informieren können. Das
soll auch den sogenannten Refurbished-Markt
stärken, auf dem gebrauchte Geräte zum Verkauf stehen. Nicht
zuletzt soll ein
europäischer
Qualitätsstandard für Reparaturdienstleistungen
dabei helfen, Reparaturbetriebe zu ermitteln, die sich zu einer höheren
Qualität verpflichten.

Der
Vorschlag der EU-Kommission wurde schon länger erwartet, nicht
zuletzt vom EU-Parlament
.
Das Recht auf Reparatur ist Teil
des Green Deals, den
die Europäische Union im Jahr 2019 angekündigt hat
, eine Art
Klimaschutzgesetz für Europa, bei dem auch der Kampf gegen
Elektroschrott eine Rolle spielt. Durch Produkte, die entsorgt
würden, obwohl sie reparabel seien, würden jährlich 35
Millionen Tonnen Abfall anfallen, schreibt die Kommission. Deshalb
sei es wichtig, die Reparatur “als
nachhaltigere Konsumentscheidung”
im Bewusstsein der Verbraucherinnen und Verbraucher zu etablieren.

Kritik von Umwelt- und Verbraucherverbänden

Nicht
allen gehen die Vorschläge allerdings weit genug. “Die
Initiative ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg in eine konsequente
Kreislaufwirtschaft und mehr Nachhaltigkeit”, sagt Tabea Rößner,
Bundestagsabgeordnete der Grünen. Sie begrüße die Entwicklung,
die ihrer Ansicht nach aber zu kurz greife. So seien “ambitioniertere
Vorgaben notwendig, um Reparaturen systemisch zu einer ernsthaften
Alternative zum Neukauf zu machen”. Das betreffe sowohl die
Preisgestaltung von Reparaturen als auch die gesetzliche
Gewährleistungspflicht, die laut Rößner verlängert werden muss.

Ähnlich
äußerte sich auch
Monique
Goyens, Direktorin
des Europäischen Verbraucherverbands BEUC: “Für Produkte mit
langer Lebenserwartung, wie Haushaltsgeräte, ist es am besten, die
gesetzliche Gewährleistungsfrist über die derzeitigen zwei Jahre
hinaus zu verlängern”, sagt
Goyens
. EU-Justizkommissar
Didier Reynders dagegen argumentiert gegenüber
dem Nachrichtenportal
Euractiv,
dass eine Verlängerung keine allzu großen Auswirkungen habe, da die
meisten Mängel ohnehin in den ersten beiden Jahren aufträten.

Kritik
kommt von den Initiativen Runder Tisch Reparatur und Right to Repair
Europe. In
einer gemeinsamen Stellungnahme
bemängeln sie, dass der
Vorschlag nicht auf die Kosten einer Reparatur eingehe – denn
was bringt ein verbrieftes Recht auf Reparatur, wenn die
Instandsetzung die Verbraucher letztlich fast so viel kostet wie ein
Neugerät? “Teure
Reparaturen sind der häufigste Grund für Verbraucher, sich gegen
die Reparatur eines defekten Geräts zu entscheiden. Wir brauchen
erschwingliche Ersatzteile, wir müssen die Verwendung von
gebrauchten Ersatzteilen und von Drittanbietern erleichtern und wir
brauchen Förderprogramme wie den Reparaturbonus, um Reparaturanreize
zu setzen”, sagt
Katrin Meyer, Koordinatorin des Runden Tisch Reparatur.

Kein Reparaturindex und Mehrwertsteuersenkungen

Tatsächlich
gab es in der Vergangenheit immer wieder Kritik an manchen
Herstellern, die Reparaturen
erschwert haben. Das vielleicht prominenteste Beispiel ist Apple:
Hier war die Reparatur lange Zeit nur bestimmten Stellen vorbehalten,
offizielle Ersatzteile gab es für Bastler gar nicht erst zu kaufen.
Das änderte
sich vergangenes Jahr
; inzwischen können Menschen, die gerne
selbst Hand anlegen, zumindest einige Teile bei Apple direkt
erwerben. Das macht die Reparatur selbst aber nicht einfacher:
Verklebte Technik, unzugängliche Bauteile und benötigtes
Spezialwerkzeug erschweren
den Prozess
.

Right-to-Repair-Kampagnen
fordern deshalb schon länger, dass Reparierende Zugang zu
Ersatzteilen zu fairen Preisen erhalten und die Kosten für eine
Reparatur in einem EU-weiten Reparaturindex festgeschrieben werden.
So könne mehr Transparenz entstehen. Auch ein reduzierter
Mehrwertsteuersatz für Reparaturdienstleistungen könnte dabei
helfen, die Kosten zu senken und Reparaturangebote für Hersteller
und externe Dienstleister schmackhafter zu machen.

All
das kommt im Vorschlag der EU-Kommission nicht vor. Allerdings
steckt das Verfahren auch noch in einem frühen Stadium. Die
konkreten Regeln und Vorgaben werden in den kommenden Monaten noch
ausgearbeitet und besprochen, bevor daraus ein Gesetzesvorschlag
entsteht. Betrachtet man den immer größer werdenden Turm aus
Elektroschrott, könnte es nicht schnell genug gehen.

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