Gipfeltreffen in Brüssel Migration, Verbrenner-Aus, Atomkraft: Diese Streit- und Reizthemen stehen auf der EU-Agenda
An Gesprächsstoff dürfte es nicht mangeln: Die Staats- und Regierungschefs der EU kommen zu einem zweitätigen Gipfeltreffen in Brüssel zusammen – und es gibt allerhand zu besprechen. Ein Überblick.
Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union kommen ab Donnerstagvormittag in Brüssel zu ihrem zweitägigen Frühjahrsgipfel zusammen. Eigentlich geht es um ein milliardenschweres Munitionspaket für die Ukraine und den Ausbau “grüner” Technologien in Europa. Streit droht allerdings um deutsche Autos und die französische Atomkraft.
Das Ringen um das Verbrenner-Aus
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dürfte bei dem Gipfel unter Druck geraten, weil die FDP auf den letzten Metern das europaweite Aus für Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 ausgebremst hatte. Frankreich und andere Länder werfen der Bundesregierung deshalb Unzuverlässigkeit vor und sprechen von einem unerhörten “Präzedenzfall”. Die EU-Kommission und das Bundesverkehrsministerium verhandelten hinter den Kulissen über eine Lösung, ein Durchbruch zeichnete sich vorerst aber nicht ab.
Die Rolle der Atomkraft in Europa
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will auf dem Gipfel eine Lanze für die Atomkraft brechen, aus der Frankreich weiter rund 70 Prozent seines Stroms bezieht – der größte Anteil weltweit. Aus Macrons Umfeld verlautete, es dürfe in der EU keine “Diskriminierung” der Nuklearenergie geben. Der Präsident wolle die Partner drängen, über die Rolle der Atomkraft in Europa “ein für alle Mal” zu entscheiden.
Der innenpolitisch durch die Proteste gegen seine Rentenreform unter Druck stehende Macron stößt sich unter anderem an einem neuen Gesetzesvorhaben, mit dem die EU-Kommission saubere Technologien massiv ausbauen will. Damit soll den USA und China Paroli geboten und Europa als erster Kontinent klimaneutral werden. Mit dem sogenannten Netto-Null-Industrie-Gesetz sollen aber nur neue und “fortschrittliche” Atomreaktoren gefördert werden, nicht Bestandsmeiler.
Deutschland und Österreich wollen verhindern, dass die Atomkraft als “sauber” eingestuft wird. Macron plant nach den Angaben aus seinem Umfeld am Freitag ein bilaterales Treffen mit Scholz zu den Konfliktthemen.
…und weitere gewichtige Themen
Die Streitigkeiten kommen zur Unzeit, denn auf der Gipfel-Agenda stehen wichtige Themen, wie aus dem Einladungsbrief von EU-Ratspräsident Charles Michel hervorgeht. Die Staats- und Regierungschefs treffen demnach am Donnerstag zunächst zu einem Arbeitsessen mit UN-Generalsekretär António Guterres zusammen. Dabei geht es nach Angaben aus Guterres’ Umfeld um die Ukraine sowie den Kampf gegen den Klimawandel.
Danach soll der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj per Videokonferenz dazugeschaltet werden. Vor dem Jahrestag des russischen Angriffs am 24. Februar hatte er persönlich an einem Brüsseler Sondergipfel teilgenommen und die Europäer zur Lieferung von Kampfjets und weiterer Militärhilfe gedrängt.
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen zunächst ein Munitionspaket für die Ukraine freigeben, auf das sich die Außen- und Verteidigungsminister am Montag geeinigt hatten. “Unser Ziel ist es, die Ukraine mit einer Million Schuss Munition innerhalb der kommenden zwölf Monate zu beliefern”, schreibt Michel. Das Paket im Wert von zwei Milliarden Euro soll aus einem EU-Sondertopf finanziert werden.
Auch der internationale Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie der Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Moskau dürften bei dem EU-Gipfel zur Sprache kommen. Ungarn will dazu aber laut Diplomaten eine deutliche Sprache in der Gipfelerklärung verhindern.
Neben der Wettbewerbsfähigkeit und der Industriepolitik geht es danach auch um die Migration: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will über Fortschritte bei der Sicherung der Außengrenzen berichten, wie sie in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs schreib. Österreich oder Bulgarien drängen wegen der steigenden Flüchtlingszahlen auf Abschottung, während Deutschland auf Wege zur legalen Einwanderung setzt.
Zum Abschluss des Gipfels diskutieren die 20 Euro-Länder am Freitag mit der Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde. Im Zentrum stehen die jüngsten Bankenkrisen in den USA und der Schweiz.
Source: stern.de