In Herbert Grönemeyers Haut möchte man auch nicht stecken. Unter den drei germanischen Pop-Präzeptoren, die in dieser Funktion tätig sind, ohne dass sich einer von ihnen darum gerissen haben dürfte, ist er derjenige, der es der Kritik am schwersten recht machen kann.
Anders als Lindenberg und Müller-Westernhagen kann er noch nicht einmal auf mildernde Altersumstände, auf so etwas wie Erleichterung darüber hoffen, dass es ihn überhaupt noch gibt und er ab und zu eine Platte herausbringt. Nein, wenn Grönemeyer das tut, so wie an diesem Freitag „Das ist los“, dann ist das, als hätte Habermas gerade etwas gesagt.
Es handelt sich nicht etwa um ein Werk der Unterhaltungsmusik; hier setzen sich die Rezensenten erst einmal die Lesebrille auf und studieren ganz genau die Texte, ob da auch ja alles stimmt, ob nicht vielleicht hier der Reim unrein oder dort etwas kryptisch ist.
Als wäre er ein Lieferservice
Wenn dieser Sänger, der sich nie etwas zuschulden kommen lassen hat, Gegenwartsthemen traktiert, was er auch diesmal wieder tut, dann behauptet man, er laufe ihnen hinterher; wenn er sich auf Liebeslyrik verlegt – und auch das tut er natürlich wieder –, dann heißt es, er interessiere sich nicht für unsere Zeit, sei womöglich sogar unpolitisch oder habe einfach nichts mehr zu sagen. Von ihm wird, als wäre er ein Lieferservice, „Trost“ oder „Orientierung“ erwartet.
Solche Ansprüche werden an den Papst oder an den Bundeskanzler nicht gestellt; doch wahrscheinlich wissen die Leute, dass da sowieso nichts kommt, und halten sich lieber an Herbert. Nun ist es nicht so, dass seine neue Hervorbringung in Grund und Boden geschrieben oder auch nur verrissen würde.
Was aber irritiert, ist dieser ironische, herablassende Gestus, der Wohlwollen, auf das doch jeder Künstler ein Anrecht hat, nur simuliert, um danach die, nennen wir es: Rezeptionsfalle umso tückischer zuschnappen zu lassen. Grönemeyer, heißt es, sei immer dann am besten oder überhaupt nur einigermaßen gut, wenn er die Sinnstiftung bleiben lasse, wobei unterschlagen wird, dass die ihm ja andauernd abgepresst wird.
Vom profunden Handwerk dieses Musikers, der die Klavierballade nach wie vor genauso draufhat wie das mit keineswegs abgestandenen Beats und Rhythmen unterlegte Tanzlied; auch davon, dass seine Lyrik durchweg nach etwas „klingt“, also dem Gesetz der Lautung gehorcht, ohne immer gleich schon etwas zu „bedeuten“; davon also, dass er auf unnachahmlich persönliche Weise das Versprechen, das die Popmusik darstellt, allemal einlöst und das auch jetzt wieder tut – davon ist, wenn überhaupt, in einem Ton die Rede, als wäre das alles selbstverständlich und als könnte das jeder. Und das ist dann doch sehr bedauerlich.
Source: faz.net