Selten hat ein deutscher Wirtschaftsminister das Volk so in Wallung versetzt wie Robert Habeck, als vor wenigen Tagen die Pläne für das neue Heizungsgesetz seines Hauses durch eine Indiskretion bekannt wurden. Seither ist politisch mächtig Druck im Kessel.
Schon im kommenden Jahr sollen in deutsche Häuser nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Neue Gas- und Ölheizungen wären dann mit einem Schlag praktisch verboten, denn für sie gibt es nicht ausreichend grünen Brennstoff. Stattdessen sollen möglichst flächendeckend elektrische Wärmepumpen installiert werden, die Wärme aus der Umgebungsluft oder aus dem Erdreich im Garten ziehen.
Bei vielen Besitzern vor allem älterer Häuser ist seither Verunsicherung ausgebrochen, mancherorts sogar Panik. Sie rufen jetzt pausenlos bei Heizungsfirmen an und fragen, ob sie noch schnell eine neue Öl- oder Gasheizung bekommen können, solange das noch legal ist.
Denn die Zweifel an den neuen Wunderheizungen sind groß. Elektrische Wärmepumpen gelten zu Recht als die Zukunft, weil sie in der Theorie sehr effizient sind und sich langfristig meist lohnen. Aber in der Praxis haben sie ihre Tücken. So kosten sie oft 20.000 bis 30.000 Euro und damit deutlich mehr als die fossilen Brenner. Ob ihr Einbau in ungedämmten Altbauten mit kleinen Heizkörpern sinnvoll ist, ist bei Fachleuten umstritten.
Für Wohnungsbesitzer mit Gasetagenheizungen ist die Lage noch komplizierter. Wenn ihre Heizung kaputtgeht, müssten sie künftig das ganze Haus dafür gewinnen, eine Wärmepumpe einzubauen. Oder eine Holzpellet-Heizung, die ebenfalls erlaubt bleibt, aber mehr Platz braucht und bei Umweltschützern unbeliebt ist, weil sie nicht wirklich ökologisch sein soll.
Kritik an dem geplanten Heizungsgesetz gibt es nicht nur von der Regierungspartei FDP. Auch in der alltagsnahen kommunalen Politik zeigt sich Unverständnis. Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard sagt über Habecks Pläne: “Das ist nicht zu Ende gedacht.” Die SPD-Landesvorsitzende spricht aus Erfahrung. Seit einer Marktrecherche in eigener Sache weiß sie, dass man Wärmepumpen unter anderem nur dort aufstellen darf, wo das brummende Gerät ausreichend Abstand zum Schlafzimmer der Nachbarn hat, was in Städten schwierig ist. Und dass man schon heute gerne mal ein Jahr auf ein Gerät samt Monteur warten muss. Davon abgesehen hat Leonhard auch Sorge, dass die rasante Einführung der Technik den Falschen nutzen könnte: “Wenn wir nicht aufpassen, wird das geplante Gesetz ein Konjunkturprogramm für die chinesische Wärmepumpen-Industrie, die ihre Anlagen mit subventioniertem Kohlestrom produziert. Das kann nicht richtig sein.”
Selbst diejenigen, die begeistert sein müssten von Habecks Plänen, weil sie gut daran verdienen, sind nicht rundum überzeugt. Wer zum Beispiel beim Heizungsmonteur Nils Löser in der malerischen hessischen Stadt Marburg anruft, um eine Einschätzung zu bekommen, dem sagt der Handwerker, dass er die Pläne für “absoluten Unsinn” halte. Die meisten historischen Fassaden der Stadt seien ungedämmt. “Im Altbau würde ich eine Wärmepumpe allein ohne energetische Sanierung auch mit Förderung nicht empfehlen”, sagt Löser. Andere Experten sehen das wiederum anders – die Verwirrung ist groß.
Auch im Häuslebauerland Baden-Württemberg hat die Unsicherheit viele Menschen erreicht. “Die Telefone glühen”, sagt Wolfgang Becker, Hauptgeschäftsführer des Fachverbands Sanitär-Heizung-Klima. Viele Kunden riefen bei den Firmen an und hätten eine Menge Fragen. Das gelte auch für die Handwerker in Beckers Verband selbst: “Sie haben die Wohnungen ihrer Kunden vor Augen und sehen überall irgendwelche Aber.” Das große Problem bei Habecks Plänen sei der extrem knappe Zeitplan. Die Heizungswende politisch übers Knie zu brechen mache womöglich mehr kaputt, als sich damit gewinnen ließe, sagt Becker. Und mahnt mit einem Zitat, das er Konfuzius zuschreibt: “Wenn du es eilig hast, gehe langsam.”
Tatsächlich mangelt es zur zeitnahen Umsetzung von Habecks Ideen an allen Ecken. Es fehlen Energieberater, die den verunsicherten Hausbesitzern vorrechnen, welche Heizung und welche Sanierungen sinnvoll sind. Es mangelt an Handwerkern, die die Wärmepumpen installieren können, was doppelt so lange dauert wie bei einer fossilen Heizung. Und es mangelt an den Geräten selbst: Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland gerade mal 236.000 Wärmepumpen eingebaut, vor allem in Neubauten, dafür aber noch fast 600.000 Gasheizungen. Die deutschen Heizungsproduzenten haben zwar öffentlich versprochen, ihre Produktion massiv hochzufahren, sodass sie im nächsten Jahr 500.000 Wärmepumpen liefern könnten. Aber selbst wenn das klappt, fehlt noch immer eine sechsstellige Anzahl, um den erwarteten Bedarf in Neu- und Altbauten zu decken.
“Kühn ist kein Schimpfwort, nicht für mich”
Eigentlich sollte das Gebäudeenergiegesetz erst zum Jahr 2025 kommen, so hatte es die Ampelkoalition im Koalitionsvertrag vereinbart. Doch dann zog sie es nach dem russischen Überfall auf die Ukraine spontan ein Jahr vor. Dass der Gesetzentwurf jetzt schon an die Öffentlichkeit durchgestochen wurde, ehe er zwischen den Ministerien abgestimmt werden konnte, hat Robert Habeck kalt erwischt. In der Sache aber steht der Minister zu dem Plan. Schließlich soll Deutschland 2045 klimaneutral sein. Und weil neue Gas- und Ölheizungen oft 20 Jahre lang laufen, bestimmen die Installationen von heute auch noch die Emissionen von übermorgen.
Habeck will ganz bewusst mit der zögerlichen Politik seiner Vorgänger brechen. Als der Minister Anfang Februar beim Energiedialog des Bundesverbands Erneuerbare Energie in Berlin als “kühn” vorgestellt worden war, räsonierte er auf der Bühne im Stil eines Poetry-Slammers über diesen Begriff. “Kühn ist kein Schimpfwort, nicht für mich”, legte er los, in freier Rede. Das Industrieland Deutschland in kürzester Zeit zu dekarbonisieren, sei “vielleicht das kühnste Projekt seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg”. Habeck redete sich in einen kleinen Kühnheits-Rausch: “Wie großartig ist es, in kühnen Zeiten ein kühnes Projekt zu verfolgen? Ich finde es großartig, dieses kühne Projekt mit ins Werk setzen zu dürfen, und ich hoffe, Deutschland hat Lust, kühne Taten zu vollbringen!”
Der Vizekanzler diagnostizierte eine “kulturelle Verknöcherung” im Land: Politiker hätten sich zu lange vor nötigen Entscheidungen gedrückt, sie in juristische Verfahren und an die Verwaltung abgeschoben – mit dem Ergebnis, dass nichts vorangegangen sei. “Es darf kein Vorwurf mehr sein zu sagen, jemand hat was riskiert”, sagte Habeck. “Ich möchte nicht, dass Politiker dafür gelobt, belohnt und wiedergewählt werden, weil sie möglichst wenig riskiert haben! Das soll man mir nicht vorwerfen können.”
Der improvisierte Auftritt offenbarte Habecks Selbstbild: als ein Wirtschaftsminister, der nicht mehr der oberste Lobbyist der Industrie sein will, wie viele seiner Vorgänger, sondern der dem Land Beine machen will.
Der Konflikt um die Heizungen ist Ausdruck dieses Selbstverständnisses, weniger wohlmeinende Wirtschaftsvertreter erkennen darin einen neuen Dirigismus. Doch ist Habecks kühner Weg der richtige, um weniger CO₂-Ausstoß zu erreichen?
Sicher ist: Wer das Klima schützen will, muss den deutschen Heizungsbestand erneuern. Mehr als ein Drittel des deutschen Energiebedarfs geht für das Heizen der Gebäude und für ihre Versorgung mit Warmwasser drauf. Und vier Fünftel dieses Energiebedarfs werden bislang mit dem Verbrennen von fossilem Erdgas und Öl erzeugt. Dass sich das ändern muss, ist also klar. Die Frage ist nur: Wie?
Viele Ökonomen halten es für falsch, bestimmte Technologien wie die Wärmepumpe vorzuschreiben und andere zu verbieten. Sie finden es viel sinnvoller, stattdessen den derzeit sehr niedrigen Preis für CO₂-Emissionen schrittweise deutlich zu erhöhen. So würden Heizöl und Gas immer teurer, bis die Menschen von selbst umsteigen auf grüne Technologien. Der Mannheimer Ökonom Achim Wambach sagt: “Das würde dazu führen, dass diejenigen zuerst eine neue Heizung einbauen, bei denen es sich am meisten lohnt.” Doch weder in Deutschland noch in der EU sei die Politik bereit, einen hohen CO₂-Preis auf Gas und Heizöl einzuführen. Damit blieben nur Anordnungen und Subventionen. “Aber beides erfordert viel staatliches Mikromanagement”, sagt Wambach. “So wird es vor allem teurer, aber leider nicht effizienter.” Auch der Präsident des Münchner Ifo-Instituts Clemens Fuest hält den CO₂-Preis für den effizientesten Weg zur Klimaneutralität – und detaillierte Vorgaben für schlechtere Ersatzhandlungen, die politisch motiviert seien: “Die Politik fürchtet sich, die Belastungen durch CO₂-Preise transparent zu machen.”
Tatsächlich war Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wie bisher auch ihr Nachfolger Olaf Scholz (SPD) stets darauf bedacht, den Deutschen möglichst wenig zuzumuten beim Klimaschutz. Scholz nennt ihn gern ein “Industrieprojekt”, was auch heißt: Die normalen Bürger sollen damit nicht behelligt werden. Zu groß ist die Sorge, dass es sonst in Deutschland zu Gelbwestenprotesten kommen könnte wie in Frankreich.
Habeck sieht das anders, sein innerer Drang zu kühnen Entscheidungen ist unübersehbar. Es gibt auch Ökonomen, die diesen Weg für richtig halten. “Der Sturm der Entrüstung wundert mich, denn das Verbot von Öl- und Gasheizungen nimmt doch nur vorweg, was ein höherer CO₂-Preis sowieso gebracht hätte”, sagt der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum. “Viele, die jetzt über das geplante Verbot meckern, wollen in Wirklichkeit gar nichts für den Klimaschutz tun.”
Doch jetzt müssen die Beamten in Habecks Ministerium tief ins Mikromanagement der deutschen Gebäudeheizungswelt einsteigen, weil ihre Ideen viele Fragen nach sich ziehen. Sie müssen Unterstützungsprogramme für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen ausarbeiten, denn die sollen künftig für den Umstieg auf eine Wärmepumpe nicht mehr bezahlen als für eine neue Gasheizung, wie Robert Habeck am Dienstag versprach. Schon jetzt bezuschusst der Staat den Kauf einer Wärmepumpe mit bis zu 40 Prozent, bald werden die Subventionen viele Milliarden Euro im Jahr verschlingen. Aber am Geld, fordert der Minister, dürfe das kühne Projekt Wärmewende auf keinen Fall scheitern.
Mitarbeit: Roman Pletter