Der 22. März 2023 ist der Tag, an dem der Brexit endlich wahr wurde und an dem Brexit-Boy Boris Johnson seinen letzten Auftritt hatte. Etwas mehr als drei Jahre ist es her, dass er mit seinem „Let’s get Brexit done“-Slogan triumphierend in die Downing Street einzog. In Wahrheit hat Johnson es nie geschafft, den Brexit Realität werden zu lassen. Sein versprochener „ofenfertiger Deal“ war alles andere als durchgebraten. Dafür stehen die vergangenen zwei Jahre des bitteren Streits zwischen Brüssel, London und Dublin.
Stattdessen war es die Europäische Union, die Johnsons zweiten berüchtigten Slogan umsetzte: „Take back control.“ Auch Johnsons Nachfolger Rishi Sunak hat seinen Anteil an diesem Schlusskapitel. Sunak erkannte die normative Kraft des Faktischen an. Die Briten können das Thema Brexit nicht mehr ertragen – selbst viele pro-britische Unionisten in Nordirland wollen die elende Saga hinter sich lassen. Aus dem EU-Austritt ist kein Kapital mehr zu schlagen.
Nach fast acht Jahren Krampf ist London endlich klar: Brüssel wird sein Regelwerk niemals über den Haufen werfen, weil vermeintliche Tory-Größen drohend die Empire-Keule schwingen. Dass diese Einsicht endlich durchgesickert ist, das bewies am Mittwoch die klare parlamentarische Zustimmung zum neuen Nordirland-Rahmenvertrag, den die EU und Sunak Ende Februar vereinbarten.
Ein Deal, der schlecht funktionierende Details korrigiert. Aber im Wesentlichen das zementiert, was Brüssel wollte: die Hoheit des EU-Gerichtshofs in Nordirland und den fortgesetzten Schutz des Binnenmarkts. Mehr noch: Nordirland muss durch seine Sonderstellung als Teil des Binnenmarkts Gesetze aus Brüssel umsetzen. Was wiederum das große Ziel der Brexit-Fans torpediert, die Insel regulatorisch vom Kontinent abzuspalten.
Unvermeidlich brachte die Abstimmung über das „Windsor Framework“ Erinnerungen an die Wahnsinnswochen Anfang 2019 zurück, als Theresa Mays Brexit-Deal wieder und wieder krachend im Unterhaus scheiterte. Mal mit 432 Gegenstimmen der 634 Abgeordneten, mal mit 308. Vier Jahre später waren es noch mickrige 29, die sich dem britischen Premier und seinem Brexit-Deal in den Weg stellten. Einer von ihnen war Boris Johnson.
Jener Mann, der so sehr den „Brexit done“ sehen wollte. Weil der Brexit in Wahrheit Johnson politisch am Leben hielt. Doch auch sein letzter Schlachtplan scheiterte, den EU-Ausstieg noch einmal für seine persönlichen Zwecke zu nutzen und den ihm verhassten Sunak durch fraktionsinterne Gegenwehr im Unterhaus zu schwächen.
Es war Ironie des Schicksals, dass Johnson zeitgleich zur Abstimmung von einem Ausschuss verhört wurde. Dieser untersucht, ob der Ex-Premier das Unterhaus über die Lockdown-Partys in seinem Amtssitz belogen hat. Mit Verve ging Johnson an die Selbstverteidigung.
Der Ausschuss wird ihn vermutlich trotzdem suspendieren. Was nicht das Ende von Boris Johnson bedeutet. Aber für sein Comeback, das er mit Sicherheit versuchen wird, muss er sich einen neuen Slogan überlegen. Der Brexit hat ausgedient.
Source: welt.de