Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht erhebliche Risiken bei der Verwendung der Kurzvideo-App TikTok. „Wenn Sie sich Umfang der Daten, der Metadaten, der Inhalte bei TikTok anschauen auf der einen Seite, und wenn Sie sich dann auch anschauen, welche Einflussmöglichkeiten staatliche Stellen auf solche Unternehmen haben, dann kann das nur Bauchschmerzen auslösen. Und die habe ich“, sagte Sinan Selen, Vizepräsident des Inlandsgeheimdienstes am Donnerstag in Berlin am Rande einer Veranstaltung zu Spionage, Sabotage und Cyberrisiken für die deutsche Wirtschaft.
„Wir sind im Ausmaß dessen, worauf staatliche Stellen, gerade in China Zugriff nehmen können, nicht klar genug – ich glaube, das ist das Kernproblem bei der ganzen Sache“, fügte er hinzu. Unternehmen wie TikTok seien nicht imstande, sich einer solchen Einflussnahme zu entziehen. Wenn man das mit im Blick habe, komme man zu dem Schluss, dass Sicherheitsfragen stärker betont werden müssten.
In den USA wird derzeit über ein Verbot des vor allem bei Jugendlichen beliebten Dienstes diskutiert. Mitarbeiter der Bundesregierung dürfen die App auf ihren Diensthandys nicht nutzen. Weltweit hat TikTok mehr als eine Milliarde Nutzer. TikTok steht zunehmend unter Druck, weil die Plattform zum aus China stammenden Bytedance-Konzern gehört.
„Autoritäre Regime nutzen liberale Freiräume zur Verbreitung ihres Einflusses“
Deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen müssen nach Ansicht von Verfassungsschützern und anderen Experten wegen wachsender Risiken durch Spionage – vor allem Russlands und Chinas – vorsichtiger und misstrauischer werden. „Autoritäre Regime nutzen liberale Freiräume zur Verbreitung ihres Einflusses“, warnte Selen bei derselben Tagung seiner Behörde. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Eine Welt in Aufruhr – Herausforderungen für unsere Lieferketten, Forschung & Kritische Infrastruktur“.
Anders als früher, wo man gegenseitige Abhängigkeiten als konflikthemmenden Faktor sah, würden diese inzwischen verstärkt als Waffe eingesetzt. Zu den von diesen Regimen verwendeten Methoden zählten neben klassischer Spionage auch die Entsendung von Forscherinnen und Forschern im staatlichen Auftrag, die Rekrutierung deutscher Wissenschaftler sowie Cyberangriffskampagnen, erklärte Selen. Zu den am stärksten betroffenen Branchen gehörten unter anderem Luft- und Raumfahrt, Biotechnologie, Industrierobotik, Kommunikationstechnik und Maschinenbau.
Um den Wirtschaftsstandort Deutschland besser zu schützen, sei es wichtig, dass sich der Verfassungsschutz und die Unternehmen intern vertrauensvoll zu aktuellen Gefahren austauschten. „Es bringt wenig, Bedrohungsszenarien, mit denen sie bereits konfrontiert wurden, für sich zu behalten.“
Zu den besonders verletzlichen Elementen der sogenannten kritischen Infrastruktur zählten Unterseekabel für Kommunikation, sagte Johannes Abresch von der Konzernsicherheit der Deutsche Post DHL Group. Neben dem Risiko des Datendiebstahls durch Nachrichtendienste sei hier auch Sabotage eine große Gefahr, da durch die Beschädigung dieser Kabel mit relativ geringem Aufwand ein immenser wirtschaftliche Schaden ausgelöst werden könne.
Source: welt.de