Ein Herz für türkische Nationalisten – aber keines für Genozidopfer
Kölns Mahnmal für den Armenier-Genozid wird heftig bekämpft – von Nationalisten, Erdoganisten und Kölns OB Reker. Vor dieser unseligen Allianz warnt Till-Reimer Stoldt
Quelle: picture alliance/dpa/Horst Galuschka; Claudius Pflug
Seit Jahren kämpft Kölns Oberbürgermeisterin gegen ein Mahnmal für den Armenier-Genozid – aus Rücksicht auf Erdoganisten, Islamisten und türkische Nationalisten. Damit verweigert sie Genozidopfern den Respekt. Und bricht mit den Prinzipien deutscher Erinnerungskultur.
Moral trägt Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker gerne. Regelmäßig macht sie sich für Opfer stark. Etwa für die von antimuslimischem Rassismus, von LSBTI-feindlicher Diskriminierung oder rechter Gewalt. Das ist löblich (auch wenn man darüber diskutieren kann, was antimuslimischer Rassismus und was legitime Kritik an muslimischen Gemeinschaften ist).
Doch der moralschwere Ton, den Reker dabei anschlägt, steht ihr nicht gut. Denn: Wie glaubwürdig sind all ihre Betroffenheitsschwüre, wenn sie zugleich den bis zu 1,5 Millionen Opfern eines Völkermordes samt deren Nachfahren den Respekt verweigert?
Gemeint ist der Völkermord an den Armeniern zwischen 1915 und 1918 durch das Osmanische Reich (den die internationale Historikerzunft außerhalb der Türkei für unbestreitbar hält). Seit Jahren wird in Köln darum gestritten, ob die dortige armenische Gemeinde des damaligen Grauens öffentlich gedenken darf. Rekers Rolle in dieser Debatte bezeichnen Vertreter der Armenier inzwischen nicht mehr nur als respektlos, sondern als „würdelos“.
Angst vor „gesellschaftlichen Verwerfungen“
Ebenfalls seit Jahren stellt die Gemeinde nämlich immer wieder eine Gedenk-Stele am Kölner Rheinufer auf, um mit dem Erinnern zu beginnen. Unterstützt wird sie dabei von zahlreichen Politikern in Bund und Land. Doch genauso regelmäßig segnet Reker städtische Räumungsbeschlüsse ab – um die Stele wieder abzubauen. Dabei haben sich Stadtrat und Bezirksvertretung längst für den Erhalt der Statue ausgesprochen.
Diese Woche sollte nach Rekers Willen dennoch das letzte Stündlein für das Mahnmal schlagen. Bis der Stadtrat in letzter Minute intervenierte. Und ein weiteres Gedenken an die Genozid-Opfer ermöglichte. Vorläufig. Als Reaktion darauf ließ Reker Worte fallen, die nur noch erschüttern. Sie warnte vor „gesellschaftlichen Verwerfungen“, die es zu vermeiden gelte. Und sie sprach von den „vielfältigen Interessen unserer pluralistischen Stadtgesellschaft“, die berücksichtigt werden müssten, wenn man über das Genozid-Erinnern entscheide.
Damit zielt sie, wenn ihre Worte denn einen Sinn ergeben, auf ein Kölner Bündnis von türkischen Nationalisten, Erdoganisten und Islamisten. Und auf den türkischen Staat. Denn einzig der türkische Staat und seine hiesigen Helfer leugnen den Armenier-Genozid und versuchen, ein Mahnmal auf deutschem Boden zu verhindern.
Wo ist ihr Engagement „gegen Rechts“?
Die sonst „gegen Rechts“ so engagierte Reker knickt also vor autoritär-nationalistischen Genozidleugnern ein. Ihretwegen verweigert Reker den Opfern eines Völkermordes den Respekt. Bei aller Einzigartigkeit des Genozids an den Juden: Würden wir unser Erinnern an den Holocaust abhängig machen von der Zustimmung strammer Nationalisten? Würden wir wegen einer radikalen Minderheit mit den Prinzipien deutscher Erinnerungskultur brechen?
Reker muss und soll ja nicht mit der verbalen Eisenstange auf die Mahnmals-Gegner losgehen. Stattdessen könnte sie durchaus verständnisvoll versuchen, ihre Sorgen aufzugreifen. Sie könnte verdeutlichen, dass man sein Land von Herzen wertschätzen kann, auch wenn man die dunkelste Seite seiner Geschichte nicht verdrängt. Sie könnte dafür werben, dass historische Erinnerung zu einer Quelle der Mitmenschlichkeit reifen kann. Und vor allem müsste sie selbstbewusst klarstellen, dass in Deutschland unverhandelbar die Prinzipien deutscher Erinnerungskultur gelten.
Aber nichts dergleichen, Reker tritt derart geschichtsvergessen auf, dass man es eigentlich in ihrer eigenen moralschweren Tonlage kommentieren müsste. Aber wem steht die schon gut?