Volker Reiche exhibition in Frankfurt | EUROtoday

Man steigt Treppen hoch, dann hängt da ein Gemälde, das „die Künste“ heißt. Eine Frau flötet, ein Mann malt, ein weißer Federwisch kreischt dazu, als wüsste er, dass er gleich geschlachtet wird.

Der Maler heißt Volker Reiche und kommt vom Comic, das heißt, er weiß, dass man Bilder nicht nur anschauen, sondern auch lesen kann, und Texte nicht nur entziffern, sondern auch betrachten. Reiche hatte sein Auskommen über Jahre an Figuren, die ihm nicht gehören: an der amerikanischen Ente Donald Duck und dem deutschen Igel Mecki. Aber wenn Kunst sich Naturerscheinungen, historische Ereignisse und sogar abstrakte Ideen aneignen kann, wird sie auch mit dem Copyright fertig.

Erklärungsbedürftige Freundlichkeit

Nur: Was machst du mit deiner Kunst, wenn das Publikum dich gerade deshalb schätzt, weil deine Sachen sich bei Massenware einreihen, freundlich und lustig? Kunst mag nicht gern bloße Soße der Versöhnung mit Markt, Macht oder Mehrheit sein. Die Künstlerin und der Künstler haben ja doch irgendetwas am Vorhandenen auszusetzen, sonst würden sie es nicht mit eigenen Schöpfungen ergänzend korrigieren.

Rich gathered gang, seemingly innocentMuseum of Communication Frankf

Reiches erfolgreichste Weltergänzung ist der Comic-Strip „Strizz“, den er für diese Zeitung erfunden hat und hier in unregelmäßigen Abständen zu besonderen Anlässen fortsetzt (bald wieder). Die Schau „Volker Reiche: Comiczeichner & Maler“ im Frankfurter Museum für Kommunikation nun zeigt Voraussetzungen, Begleitumstände und Folgen von „Strizz“, die mehr sind als das, nämlich Bilderwelten eigenen Rechts.

Treppab steht das Lesen im Vordergrund – von frühen, an amerikanischen Vorbildern entflammten Erwachsenen-Underground-Comics über die Donald- und Mecki-Zeit bis eben zu „Strizz“. Treppauf findet eher das Schauen statt, Malerei also, nicht gefällig: Gewalt, Wirrsal und zitierte Bilddokumente solcher Widrigkeiten. So was kann jede Plauderlaune töten, während das, was treppab zu sehen ist, schon am Eröffnungsabend Gespräche anregt, Heiteres, possierlich Aufmüpfiges oder erotisch Verspieltes („Liebe“, „Willi Wiedehopf“ – wer die alte Bundesrepublik nicht erlebt hat, wird sie dank solcher Comics noch wunderlicher finden, als sie war). Gut unterhaltene Menschen, die sich lächelnd leise über Humorfragen austauschen: Fühlt sich Kunst bei so gemütlichen Reaktionen noch für voll genommen?

Ein anderer Frankfurter Publikumsliebling, Robert Gernhardt, hat sich in vergleichbarer Lage mit gediegenen Gouachen und ähnlich meditativ gestimmten Kunstübungen geholfen. Aber die wirken dieser Ursprungslage wegen leicht wie eine Selbstzurücknahme des populären Urhebers von „Schnuffi“-Comics, flauschigen Satiren oder ausgelassenen Versen, für die Gernhardt so sehr gemocht wurde (und immer noch gemocht wird). Volker Reiche macht’s in der Frankfurter Schau nach eigener Konzeption, die sein Gesamtschaffen bündelt, ein bisschen anders: Er hängt konversationsbelebende Comics, die seine Malerei erläutern, direkt neben die teils recht brüsken Gemälde und wettet dabei darauf, dass die Besucherinnen und Besucher seiner List gewachsen sind – nämlich zumindest ahnen, dass es vielleicht auch umgekehrt gerade die beunruhigendsten Gemälde sind, die zur Erklärung der Freundlichkeit seiner Comics Unerwartetes beitragen.

Volker Reiche: Comiczeichner & Maler. Museum für Kommunikation Frankfurt, bis 27. Oktober.

Drawings by Volker Reiche could be seen within the Museum für Kommunikation Frankfurt till autumn.Andreas Meinhardt

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/volker-reiche-ausstellung-in-frankfurt-19681004.html