concerning the panorama architect Piet Oudolf | EUROtoday

Piet Oudolf polarisiert. Für die einen ist er der bedeutendste Landschaftsarchitekt der Gegenwart, der mit seinen naturnahen, aber kunstvoll durchdachten Pflanzungen Ökologie und Ästhetik im Garten versöhnt. Für die anderen taugen seine Entwürfe, die Präriestauden, Gräser und Wildblumen favorisieren, höchstens zur Bepflanzung der Randstreifen von Autobahnen oder von Verkehrskreiseln.

Weltberühmt wurde der Niederländer, der als junger Mann eher zufällig zur Landschaftsarchitektur fand, durch Projekte in den Vereinigten Staaten: Die „High Line“ in New York ist eine stillgelegte Eisenbahntrasse, die Oudolf in ein urbanes Refugium verwandelte. Mit dem Lurie Garden, der Teil des Millennium Parks in Chicago ist, hat er gemeinsam mit zwei Kollegen das größte begrünte Dach der Welt realisiert.

Die „Gardens of Remembrance“ gedenken an der Südspitze von Manhattan im Park „The Battery“ der Opfer von 9/11. Doch Oudolf hat in der ganzen Welt private Gärten und öffentliche Anlagen gestaltet. Auch in Deutschland war er tätig: So hat er Staudenbeete im Maximilianpark in Hamm entworfen und Teile des Gräflichen Parks in Bad Driburg gestaltet.

Im Verblühen liegen Eleganz und Zauber

Oudolf hat die traditionelle Gartenästhetik radikal infrage gestellt. Verblühte Blumen, wollig-silbrige Samenstände und trockene Blätter sind wichtige Elemente seiner Gestaltung; die Formen und Texturen von Herbst und Winter treten gleichberechtigt neben die Farbexplosionen im Frühling und Sommer.

Seine Entwürfe werden von der Idee getragen, dass Schönheit nicht in der Pracht der saisonalen Blüten, sondern im jahreszeitlichen Zyklus liegt. Durch die bewusste Integration von verwelkten Pflanzen und die Akzentuierung winterlicher Silhouetten soll der gesamte Lauf der Natur abgebildet werden. Der niederländische Landschaftsarchitekt lädt den Betrachter ein, die Vergänglichkeit und den ständigen Wandel wahrzunehmen.

Für ökologisch bewegte Gärtner steht Oudolf deshalb für die Rückbesinnung auf die Natur. Doch es griffe zu kurz, sein Werk nur als Kritik an einer überkommenen Gartenkultur zu verstehen, die auf makellose Perfektion zielt, Blütezeiten verlängert und den natürlichen Prozess des Verfalls möglichst lange unsichtbar macht. Gewiss, vielen gefällt der Ansatz, robuste Pflanzen zu verwenden, die nicht ständig gepflegt oder ersetzt werden müssen, sondern sich an ihren Standort anpassen und selbst regenerieren.

Doch Oudolf war nicht nur deshalb erfolgreich, weil er die Grenzen des Wachstums, die der Club of Rome 1972 zum ersten Mal vermaß, in den Garten übertragen und Naturgärten geschaffen hat, die dem natürlichen Kreislauf Raum geben und die ökologische Vielfalt unterstützen. Sein Erfolg beruht vor allem darauf, dass er dem Thema Verfall und Niedergang im Garten einen festen Platz gegeben hat.

Blumenbeete mit postmoderner Ästhetik

In der Natur gibt es kein Ende, sondern nur Veränderung, lautet seine klare Botschaft. Seine Gärten spiegeln diese Idee wider, indem sie nicht versuchen, das Vergehen zu kaschieren. Vielmehr wird der Prozess des Sterbens und Wiederkehrens von Oudolf grandios in Szene gesetzt. Seine Entwürfe nobilitieren die spätherbstlichen und winterlichen Manifestationen der Pflanzen, die trotz Verblühen eine spezifische Form und visuelle Anziehungskraft behalten.

Die radikalste Herausforderung des Oudolf’schen Gartendesigns besteht aber in der impliziten Forderung, Vergänglichkeit als ästhetischen Wert anzuerkennen und eine gärtnerische Neubewertung der Schönheit vorzunehmen. In hegelianischer Tradition war das Hässliche, das verblühte Pflanzen im Spätjahr repräsentierten, auch aus dem Garten zu verbannen.

Mit der Schere war man deshalb rasch zur Hand. Oudolf propagiert stattdessen eine postmoderne Ästhetik, die sich vom Idealbild immerwährender Fruchtbarkeit längst verabschiedet hat. Seine Landschaften, die zwar ungeordnet und „wild“ wirken, aber kunstvoll komponiert sind, spiegeln den Zeitgeist; sie schaffen den Kanon auch im Garten ab. Eine privilegierte Jahreszeit gibt es nicht mehr.

Gräser und Stauden sind die wichtigsten Pflanzen, die Oudolf verwendet. Damit knüpft er an eine lange Tradition an, und sein Werk lädt zu Vergleichen ein, etwa mit dem großen Gärtner und Staudenzüchter Karl Foerster, der auch Oudolf beeinflusst hat. Auch für Foerster war die jahreszeitliche Veränderung der Stauden ein zentrales Thema, aber er hat nicht auf die Vergänglichkeit als eigenständiges Gestaltungselement gesetzt.

Verwelkte Blüten, vertrocknete Halme und zerfallende Pflanzen gelten hingegen in den privaten und öffentlichen Gärten, die Oudolf gestaltet hat, als eindrückliche Symbole des Lebenszyklus. Die Kategorie der Temporalität bekommt damit im Garten eine neue Qualität. Während die klassische Gartenkunst auf den vom Menschen kontrollierten zeitlichen Wechsel von Wachstum und Formgebung setzt, akzentuiert Oudolf die natürliche Abfolge im Leben der Pflanzen. Seine Gärten sind hortikulturelle Konstruktionen, die nicht den aktiven Gärtner, sondern den passiven Betrachter adressieren – und uns vielleicht deshalb gefallen.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/bilder-und-zeiten/verbluehen-gehoert-dazu-ueber-den-landschaftsarchitekten-piet-oudolf-110069272.html