Die deutsche Fondsindustrie sieht in Deutschland und in der Europäischen Union wachsende Chancen zu einer Altersvorsorge, die für europäische Investitionsvorhaben genutzt werden kann. In der deutschen Gesetzgebung sei der Gesetzentwurf, der ein gefördertes Altersvorsorgedepot für Vorsorgesparer ermöglicht, ein wichtiger Schritt, sagte Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Fondsverbands BVI, der F.A.Z. In Brüssel könne ein neuer Anlauf zur Kapitalmarktunion wieder Schwung in das Thema bringen.
„Den europäischen Mitgliedstaaten fehlte der Wille, wie man die Kapitalmarktunion umsetzen soll“, sagte er. Dabei habe die Branche an der grundsätzlichen Idee, Angebot und Nachfrage an Kapital grenzüberschreitend zusammenzubringen, großes Interesse gehabt. Doch die Regulierung der Finanzmärkte durch die Finanzinstrumente-Richtlinie Mifid 2 und die Investmentprodukte-Richtlinie Prips habe dieses Ziel in die Ferne rücken lassen. „Jetzt nach der Parlamentswahl gibt es eine neue Kommission, die Zinsen sind höher und es gibt frischen Wind“, sagte er.
Unausgegorener Plan aus Frankreich
Aktuelle Debatten, die in der kommenden Woche aufgenommen werden sollen, dürften auf einem Vorschlag des ehemaligen französischen Notenbank-Gouverneurs Christian Noyer aufsetzen. Das sei positiv. „In den Mitgliedstaaten ist die Erkenntnis gereift, dass private Finanzierung nicht so schlecht ist und man Geld der Privaten braucht.“ Aber viele Details sieht er als unausgegoren an. So schön die Idee eines europäischen Sparprodukts auch sei, so werde es ein europäisches Altersvorsorgeprodukt ohne harmonisiertes Steuerrecht nicht geben. Insofern sei vom Vorschlag einer steuerlichen Förderung wenig zu halten.
Die Fondsindustrie sieht sich als Partner in den anstehenden großen Investitionsvorhaben, mit denen die Wirtschaft sich modernisieren soll. Angesichts der anstehenden digitalen und nachhaltigen Transformation der europäischen Wirtschaft sei nachvollziehbar, dass Geld für diese Vorhaben bereitgestellt werden solle. Kreierte man ein solches europäisches Produkt, das überwiegend innerhalb der EU investiere, müsse es auch kompatibel mit dem zuvor erwähnten Altersvorsorgedepot sein, das nach einer Verabschiedung des Gesetzes zur geförderten Altersvorsorge kommen wird.
Weniger Regeln, keine nationalen Querschüsse
Schon in der Vergangenheit sei die EU-Kommission daran gescheitert, Weichen für ein einheitliches Altersvorsorgeprodukt im Binnenmarkt zu stellen. Das als Pepp bekannte Modell hat bislang wenig Nachfrage erzeugt. „Es ist ein Rohrkrepierer. Wichtigster Grund ist der Kostendeckel von einem Prozent“, sagte Richter. „Außerdem ist es viel zu komplex zu verwalten.“ Durch die gesamte Regulierung der vergangenen Jahre ziehe sich die Idee, mit vielen Informationen für Verbraucher eine Transparenz zu schaffe, die sie überfordere. „Das sind Regeln die vermeintlich zum Schutz der Verbraucher eingeführt wurden. Ich kenne niemanden, der alle Papiere zu Mifid 2 gelesen hat“, sagte Richter.
Noyers Papier verfolge die Absicht, die europäische Wertpapieraufsicht in Paris zu zentralisieren. Dafür spreche nichts, außer die Nationalität des Autors. Niemand fordere, nationale Versicherungsaufsichten in der Eiopa in Frankfurt aufgehen zu lassen. Stattdessen wünscht sich der BVI einheitliche Insolvenzregeln, neue Regeln für Verbriefungen und eine eigene EU-Börsenindexfamilie, auf die sich auch Derivate bilden können. Das Beispiel der Regulierung für die europäische Fondsstruktur Eltif zeige, dass die EU-Kommission eine lernfähige Verwaltung sei, die nach einem ersten Versuch eine schlankere Variante eingeführt habe.
https://www.faz.net/aktuell/finanzen/fondsbranche-spuert-neuen-schwung-fuer-kapitalmarktunion-110084526.html