In der Politik ist es ratsam, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das gilt besonders für die kommende Trump-Präsidentschaft. Sie wird Deutschland und Europa ohne Zweifel einiges abverlangen. Die Mischung aus Empörung, Besserwisserei und Hysterie, mit der man hierzulande Trumps erste Amtszeit begleitete, war schon damals unzureichend. Jetzt haben die amerikanischen Wähler endgültig die (links-)liberale Weltordnung verabschiedet, die nach dem Fall der Mauer entstanden ist. Sie wird nicht wiederkehren, auch Russland und China arbeiten an ihrer Abschaffung. Darauf gilt es sich einzustellen.
Ein Irrtum über Trump ist, dass er unberechenbar sei. Gibt es überhaupt berechenbare Politiker? Wer hätte vor Putins Einmarsch in die Ukraine gedacht, dass Deutschland einmal der zweitwichtigste Waffenlieferant dieses Landes würde und sich von russischem Gas unabhängig macht? Im Koalitionsvertrag der Ampel stand das nicht, und deshalb gilt auch für Trump, dass Außenpolitik oft von den Umständen geprägt wird. Unberechenbar ist er allenfalls in dem Sinne, dass er sich nicht so verhält, wie man das von vielen amerikanischen Präsidenten gewohnt war. Deshalb erfordert seine zweite Amtszeit eine intellektuelle Anpassungsleistung, übrigens nicht nur von der politischen Klasse dieses Landes.
China als wahre Herausforderung
Wenn man genau hinsieht, lassen sich zwei Grundsätze erkennen, die Trumps Reden und Handeln immer wieder prägen. Er will Amerika aus Kriegen heraushalten (wie Biden auch), und er will Kosten auf andere Länder abwälzen. Da er tendenziell keinen Unterschied macht zwischen Freund und Feind, hat das schon in seiner ersten Amtszeit zu Entscheidungen geführt, die keine Rücksicht auf Verbündete nahmen: bei seinem undurchdachten Abkommen mit den Taliban in Afghanistan etwa oder als er Saudi-Arabien nach einem schweren Angriff auf dessen Ölanlagen im Stich ließ.
Das lässt sich nicht eins zu eins auf die Ukraine und die NATO übertragen. Amerikas Beziehungen zu Russland und zu Europa haben schon deshalb einen anderen Stellenwert, weil hier Atomwaffen im Spiel sind. Aber was von Trump und seinen politischen Verbündeten zu hören ist, weist in eine ähnliche Richtung. Im Fall der Ukraine ist die Überzeugung verbreitet, dass Amerika den Konflikt beenden müsse, um Ressourcen für sein Engagement in Asien zu gewinnen. China gilt in Washington nun schon seit mehreren Administrationen als die wahre Herausforderung. Eine Idee, die zuletzt durchgestochen wurde, ist ein Waffenstillstand mit entmilitarisierter Zone, der dann aber nicht von amerikanischen, sondern von europäischen Truppen überwacht würde. Außerdem würde die Ukraine erst mal nicht in die NATO aufgenommen.
Beschränkung der Artikel-5-Garantie
Ob Trump das auch so sieht, weiß man nicht, aber in jedem Fall wird sich die Frage stellen, wie er eine Einigung zustande bringen würde. Er hat mal dargelegt, dass er dazu Moskau mit weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine drohen werde und Kiew mit deren Entzug. Gegen die von Amerika abhängige Ukraine wäre das in der Tat ein starker Hebel; allerdings wird man sich in Kiew schwertun, faktisch zwanzig Prozent des Staatsgebiets aufzugeben. Putin dagegen kann weiter auf seine militärische Stärke vertrauen, und er hat Ziele über den aktuellen Frontverlauf hinaus. Käme deshalb kein „Deal“ zustande, dann wäre es gut möglich, dass Trump die Sache einfach fallen lässt. So lief es jedenfalls in seiner ersten Amtszeit mit Kim Jong-un.
Eine alte (und berechtigte) Obsession Trumps sind unzureichende Verteidigungsausgaben in Europa. Er scheint ernsthaft mit dem Gedanken zu spielen, die Artikel-5-Garantie auf Länder zu beschränken, die das Zweiprozentziel erfüllen. Deutschland erreicht es derzeit mit Ach und Krach. Außerdem findet sich bei republikanischen Vordenkern die Vorstellung, dass Amerika sich in der NATO weitgehend auf die nukleare Abschreckung zurückziehen solle, während die Europäer den Großteil der konventionellen Verteidigung übernähmen. Ob das reicht, um Putin in Schach zu halten, hinge dann viel mehr als bisher von Europa ab.
Wenn es so oder so ähnlich kommt, dann wären das gravierende Einschnitte in die Sicherheitsarchitektur Europas. Auf die Europäer käme vor allem eine stark gewachsene Verantwortung zu: Sie müssten die Ukraine entweder allein unterstützen, was gegen Amerikas Willen allerdings schwierig wäre, oder vielleicht absichern gegen Russland. Und für ihre eigene Verteidigung müssten sie in jedem Fall massiv aufrüsten. Das hätten sie schon vor Jahren tun müssen, eine ganze Generation von Politikern hat in dieser Schicksalsfrage versagt. Es kann nicht so weitergehen, dass Deutschland sich von US-Wahl zu US-Wahl zittert. Als Alternative bleibt nur, was AfD und BSW vorschlagen: die Unterwerfung unter Russland.
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