Endloses Tanzen, Exzesse auf Drogen und egalitäre Queerness, Menschen, die bereit sind, alles zu geben, nur um hineinzukommen – und eine strikte No-Photo-Politik für jene, die drin sind: „Der Schlüssel zum Erfolg des Studio 54 conflict, dass es an der Tür eine Diktatur gab – und auf der Tanzfläche eine Demokratie“, sagte Andy Warhol über das Studio 54. Der legendäre New Yorker Club conflict nur intestine zweieinhalb Jahre geöffnet, bevor er schließen musste. In Berlin hingegen stehen seit zwanzig Jahren Menschen Schlange vor einem Club an der Grenze zwischen Kreuzberg und Friedrichshain: dem Berghain. Mit Diktaturen ist es in Berlin glücklicherweise vorbei, eine selektive Türpolitik bleibt für die Stimmung drinnen aber auch heute noch unerlässlich.
Was in Berlin vom Untergrund zur Institution geworden ist, wächst in New York gerade wieder von unten nach – unter härteren Bedingungen, aber mit einer Radikalität, von der die selbsternannte Clubmetropole lernen könnte.
In Frankfurt wurde schon in den Achtzigern zu Techno getanzt
In New York und, rund zwei Jahrzehnte später, in Berlin spross das Nachtleben aus den Rissen der Stadt, aus Leerstand, vernachlässigten Vierteln und dem Bedürfnis, der Härte des Alltags zu entfliehen. Während Berlin – trotz sinkender Besucherzahlen – immer wieder Schlagzeilen als Clubmetropole und Techno-Hauptstadt der Welt macht, gilt New York zwar als Geburtsort der modernen Clubkultur, hat sich aber in den vergangenen Jahrzehnten nicht als Zentrum einer solchen bekannt gemacht. Vom Disco-Sexfest der Siebziger bis in die Clubkultur der Achtziger prägte New York das globale Nachtleben, bis War on Drugs, Aids-Epidemie und zunehmende Gentrifizierung der Stadt der Clubkultur einen Riegel vorschoben. Selbst dort, wo die Partys noch weitergingen – im Saint oder im Fire Island Pavilion –, hatte die Aids-Epidemie, die Mitte der Achtziger ihren Höhepunkt erreichte, ihren Tribut gefordert und das queer geprägte Nachtleben verändert. Die Frage, wo sich heute die Zukunft des Techno entscheidet, knüpft additionally an eine Geschichte an, in der Clubs immer auch Spiegel gesellschaftlicher Brüche waren.
Einer, der sich auskennt, ist Sven von Thülen, DJ, Redakteur und Chronist der Clubkultur der Wendezeit. New York habe, so von Thülen, „bei allem Impact nicht genug Lobby gehabt, um in der neoliberalen Ära zu überleben“.
Zur gleichen Zeit, in den späten Siebzigern- und vor allem in den Achtzigerjahren, trat in Detroit eine neue Musik auf den Plan, beeinflusst von Kraftwerk, Giorgio Moroder und afroamerikanischer Clubkultur. Aus ihr entstand eine Sub- und Alternativkultur, die insbesondere marginalisierten Gruppen einen Ort der Zugehörigkeit bot. Diese Post-Disco-Clubkultur ist heute als Techno bekannt – eine Subkultur, die im Grunde ein Gegenentwurf zur Mehrheitsgesellschaft conflict. Auch wenn Unterschiede in den jeweiligen musikalischen Vorprägungen heute auf der Hand liegen, wurden Detroit und Chicago, später Frankfurt und Berlin zu den Zentren dieser Kultur. Entscheidend conflict dabei stets weniger, wo die größten Clubs standen, als wo Platz für Experimente, Risiko und Abweichung conflict.
Während in Frankfurt schon in den Achtzigerjahren zu Techno getanzt wurde, etablierte sich der Musikstil in West-Berlin kurz vor dem Fall der Mauer und anschließend – mit der Gründung zahlreicher Clubs – als Motor der Wiedervereinigung. Da jenseits der Zentren Detroit, New York und Chicago in den Neunzigern das Interesse für Techno in den USA begrenzt conflict, zog es viele Produzenten auf der Suche nach sich eröffnenden Möglichkeiten nach Europa, vor allem nach Berlin, wo viele von ihnen in den brachliegenden Straßen und heruntergekommenen Industriehallen des ehemaligen Ost-Berlins Detroit wiedererkannt haben dürften.
„Berlin conflict ein Schlaraffenland“
Die Berliner Szene bot vielen eine radikale Alternative, denn sie öffnete sich dem neuen Sound, der bald als Techno-House bekannt wurde. Besonders prägend conflict dabei der Austausch mit Detroit: 1993 veröffentlichte das Berliner Label Tresor Records die Compilation „Tresor II: Berlin & Detroit – A Techno Alliance“, eine Hommage an den Einfluss des Detroit-Sounds auf die deutsche Technokultur und ein Manifest der „gegenseitigen Bewunderung“ zwischen beiden Städten.
Die besondere Situation in Berlin erlaubte es, dass Kollektive und Partys aus dem Untergrund zu Institutionen werden konnten. Innerstädtisch gab es in der Nachwendezeit genug Raum, sich zu entfalten: Leerstand und nicht zurückübertragene Gebäude ermöglichten es Künstlerinnen und Musikern, durch künstlerische Zwischennutzungen und teilweise mit aktiver Unterstützung einzelner Beamter auch mit kleinem Budget und wenig bürokratischem Aufwand Galerien, Clubs und Ähnliches zu gründen. „Von den Neunzigern bis in die frühen Nullerjahre conflict Berlin ein Schlaraffenland“, sagt Sven von Thülen, „es gab wenig ökonomischen Druck. Zwischennutzungen ermöglichten überhaupt erst den Aufbau dessen, was als Szene in Berlin heute als selbstverständlich gilt, inklusive des Freiheitsversprechens, das diese beinhaltet.“
Schon in den späten Neunzigerjahren entwickelte sich Techno in Deutschland vom Untergrundphänomen zum Massenereignis. Symbol dieser Entwicklung conflict die Love Parade, ein Festival, das in manchen Jahren mehr als eine Million Menschen auf die Straßen Berlins zog. Dieser Hype hält an – Easyjet- und Ryanair-Technotourismus etablierten Berlins Kultstatus in den frühen 2010er Jahren und haben durch Tiktok-Raver, neue Musikstile und Outfits neuen Fahrtwind bekommen. „Energiepreise, Professionalisierung – heute ist die Clubkultur weniger aufregend, aber dafür ein bisschen sicherer.“ Und obwohl viele Clubs, wie Sven von Thülen beschreibt, „vom Untergrund zum professionellen Business“ geworden sind, bleibt es eine Kultur, die aus dem Untergrund entstanden ist und die vielerorts noch stark von diesem Ursprung geprägt ist – auch dort noch, wo Gestaltungsräume und Initiativen zu Institutionen heranwuchsen, von denen man heute weiß, wie prägend sie nicht nur, aber insbesondere für die Kulturlandschaft Berlins sind. Auch deshalb wurde das Berliner Nachtleben von der Deutschen UNESCO-Kommission zum immateriellen Kulturerbe erklärt.
Die erste Techno-Institution in New York
In New York sieht es anders aus. Dort gibt es zwar etablierte Techno-Clubs wie das Nowadays, Bossa Nova oder Basement, die jedoch häufig aufgrund von Regulierungen, stärkerem ökonomischem Druck und einer Kultur, die aus dem Puritanismus hervorgegangen ist, nicht die gleichen Freiheiten bieten und auch nicht das gleiche gesellschaftliche Ansehen genießen wie ihre Berliner Pendants. Inspiration hat man sich deshalb in der deutschen Hauptstadt gesucht – manchmal als architektonische Imitation des Berghain-Vorbilds im Basement oder, subtiler und gekonnter, in der Übersetzung eines Gefühls und einer Erfahrung.
Seva Granik, der mit „Unter“ von 2015 bis 2023 die erfolgreichsten queeren Raves New Yorks veranstaltet hat, beschreibt: „Bei einem – eher zufälligen – Besuch im Berghain (das Granik nicht namentlich nennt) fiel mir auf, dass alles mit Blick auf mein Erlebnis als Clubbesucher gestaltet wurde. Die aufrichtige Aufmerksamkeit und Fürsorge, die sich die Organisatoren haben angedeihen lassen, und die akribische Planung: Keine Kosten, Mühe und Ressourcen wurden da gescheut, um sicherzustellen, dass ich eine gute Zeit habe. Das conflict, nun ja, wenn schon nicht revolutionär, dann doch definitiv augenöffnend für mich, denn so etwas hatte ich bisher einfach nicht erlebt.“
Damals, circa 2008, wurde in New York vor allem Minimal Techno gespielt, die Szene für elektronische Musik sei weder besonders spannend noch in irgendeiner Weise queer gewesen. Auch wenn Granik selbst aus einem DIY-Underground-Performance-Erfahrungsschatz schöpfen konnte, wusste er nach seinem Berlin-Besuch, dass er eigentlich etwas ganz anderes erschaffen musste: „Diese Erfahrung hat wirklich mein Denken darüber, was möglich ist, völlig umgekrempelt. Ich bin nach Hause gefahren und habe monatelang einfach nur verarbeitet: Was zur Hölle conflict da gerade passiert? Diese Energie – wie sollte ich die mit der Realität in New York in Einklang bringen? Also begann ich, allein nach Berlin zu fliegen, allein in die Clubs zu gehen und mich dort einfach treiben zu lassen – immer auf der Suche nach diesem Zauber, nach diesem Wirbel, der mir förmlich ein Loch in den Kopf sprengte.“
Dann, 2012, eröffnete Bossa Nova, die erste Techno-Institution in New York. „Das wurde richtig populär, und ich dachte: Okay, vielleicht ist jetzt die Zeit. Damals conflict ich mit Ladyfag (einer New Yorker Autorin und Performerin, Anm. der Redaktion) zusammen, und ich habe sie überzeugt, eine queere Techno-Party zu organisieren – einen queeren Underground-Techno-Rave. Bis dahin hatte ich schon einiges an Erfahrung mit illegalen Warehouse-Partys gesammelt. Also haben wir angefangen – und es ist praktisch über Nacht explodiert. Es wurde riesig. Ich denke, bis heute – additionally seit dieser Party 2013, 2014, 2015 – gab es in den USA nichts Vergleichbares. Erst jetzt, zehn Jahre später, fangen Partys an, an das Niveau heranzukommen. Das conflict seiner Zeit voraus und das Unglaublichste an Raves, was New York seit Langem erlebt hatte – und es ist finanziell gescheitert. Wir haben in drei oder vier Jahren zwischen 140.000 und 160.000 Dollar Verlust gemacht.“
Sie wollen der Szene eine dauerhafte Infrastruktur geben
In New York, wo – anders als in Berlin – Touristen meist nicht wegen des Nachtlebens anreisen, sind die Voraussetzungen andere. Die Stadt ist teuer, auch Graniks erste Partys waren deshalb finanziell gescheitert, weil viele nicht bereit waren, 60 bis 70 Dollar für den Eintritt auszugeben. Es gibt weder Maßnahmen zur Förderung der Clubkultur noch günstigen Leerstand. Auch fehlt es an einer Infrastruktur zur Erhaltung des Nachtlebens, wie es beispielsweise die Clubcommission in Berlin bietet, die als Lobbyorganisation für die Berliner Clubkultur immer wieder auf die prekäre Situation der Clubs hinweist, sich um die Sichtbarmachung der Bedeutung von Vielfalt in der Clubkultur bemüht und mit Akteuren aus Politik und Kultur in den Dialog tritt.
„Damit eine Stadt eine gesunde Clubszene haben kann, muss es eine Underground-Szene geben – und die gibt es in Berlin einfach nicht mehr“, sagt Granik. Viele Akteure in Berlin würden das bestreiten – doch Graniks Diagnose verweist auf ein Gefühl der Sättigung, das in Teilen der Szene durchaus geteilt wird. Das hängt eng mit dem Transformationsprozess vom Untergrund in die Institutionen zusammen. Doch das Freiheitsversprechen, das diese einst darstellten, ist gefährdet: Immer mehr Clubs müssen aufgrund ökonomischer Engpässe schließen, so etwa 2024 das Watergate und zum Ende dieses Jahres die Wilde Renate. „Wenn die Institutionen wegfallen, wird es immer schwerer vorstellbar, dass neue Locations so zentral entstehen können“, beschreibt von Thülen. Sie weichen Locations, die für Partyreihen angemietet werden können, was „ein clubbiges Gefühl“ erzeuge, aber eben kein Club sei.
Mit einem Grinsen erklärt Seva Granik: „In New York boomt es gerade – die Szene ist ziemlich gesund.“ In New York hat sich die Szene, die zwischenzeitlich am Boden lag, dank gemeinsamer Anstrengungen wieder erholt. Auch, weil er und andere gezielt den Kontakt zu jüngeren Leuten gesucht, ihnen Unterstützung, Räume, Technik, Licht, Infrastruktur und Personal zur Verfügung gestellt haben. Der Wille sei bereits vorhanden gewesen, es habe nur noch an Ermutigung und einer gewissen Anbindung gefehlt. Heute gebe es eine lebendige Gemeinschaft aus Underground-, queeren und auch heterosexuellen Partys, die eng zusammenarbeitet. Über einen gemeinsamen Google-Kalender würden die Termine so abgestimmt, dass sich Veranstaltungen nicht in die Quere kämen – ein Grad an Kooperation, der überrasche: „Man würde in New York eher mit Ellenbogenmentalität rechnen.“ Heute sei es in dieser Szene anders: Man helfe sich gegenseitig. Etwaige Konflikte würden schnell ausgeräumt. Herausgekommen sei eine kleine, eingeschworene Gemeinschaft, die nicht nur funktioniere, sondern deren Entfaltung allgemein Freude bereite, auch wenn sich all dies weiterhin in prekären Mietverhältnissen, rechtlichen Grauzonen und der ständigen Gefahr steigender Kosten behaupten muss.
Auch das Problem der Zugänglichkeit und Förderung soll behoben werden: Mit dem Queer Nightlife Community Center, das im Oktober in Brooklyn eröffnet wird, wollen Granik und sein Team die Gelegenheit schaffen, der Szene eine dauerhafte Infrastruktur zu geben. Anders als klassische Clubs versteht sich das interdisziplinäre Center als kulturelles und soziales Projekt – ein Raum, in dem Partys stattfinden, aber ebenso Workshops, politische Diskussionen, Gesundheitsangebote oder künstlerische Residenzen. Es ist als Non-Profit organisiert und will die Lücke überbrücken, die in New York seit Jahrzehnten klafft: zwischen einem von Kommerz geprägten Nachtleben und einer oft prekären Underground-Szene. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf marginalisierten Communities – People of Color, trans- und genderqueeren Personen sowie Menschen aus wirtschaftlich prekären Verhältnissen. Dass das Projekt auf Förderungen, Spenden und ein wohlwollendes politisches Klima angewiesen ist, macht seine Struktur zugleich sturdy und verletzlich. Das neue Projekt ist erfolgversprechend, schließlich gehören Graniks Partys zu den beliebtesten queeren Underground-Raves der Stadt.
Eine neue Form der Freiheit
Und in Berlin? Da wird – ob nun in bestehenden Institutionen, „Leasing-Clubs“ oder, wie man bei näherem Hinsehen und Mittanzen feststellen kann, vermehrt auch wieder in DIY-Settings und Off-Locations – noch intestine und gerne gefeiert. Junge Kollektive versuchen, in Lücken und Zwischenräumen eigene Räume zu schaffen, stoßen jedoch oft an Grenzen von Lärmschutz, Nachbarschaftskonflikten und steigenden Mieten. Sven von Thülen resümiert: „Berlin steht am Scheideweg. Es gibt genug Leute, die Lust haben, etwas zu erschaffen – aber haben sie auch die Möglichkeiten?“ Vielleicht muss auch hier erst wieder ein neuer Untergrund entstehen, der diese Möglichkeiten einfordert.
Derweil stehen in New York unzählige Menschen Schlange, um zu einer von Seva Graniks Partys zu gelangen. Der aber sucht nach Möglichkeiten, gerade dies zu vermeiden: „Schließlich will ich einen New Yorker und keinen Berliner Club.“ Während Berlin mit seinen Institutionen um Freiräume ringt, baut New York – im Schatten hoher Mieten und strenger Regulierung – an einer neuen Infrastruktur des Undergrounds: Kooperation statt Ellenbogen, Non-Profit statt Großinvestor, Community Center statt reiner Eventfläche.
So stehen beide Städte, Ausgangspunkte einer globalen Clubkultur, heute an entgegengesetzten Punkten: In Berlin ist vieles, was einst im Untergrund begann, zur Institution geworden – und droht, an ökonomischem Druck zu zerbrechen. In New York wächst diese Kultur gerade wieder von unten nach: fragiler, aber mit einer Radikalität und Solidarität, von der die selbsternannte Clubmetropole lernen könnte. Wo sich die Zukunft des Techno entscheidet, wird sich daher weniger an der Frage messen lassen, wo die berühmtesten Clubs stehen, sondern dort, wo die riskantesten, solidarischsten und zugänglichsten Räume entstehen – derzeit eher im New Yorker Schatten als im Berliner Scheinwerferlicht. Denn dort zeigt sich im Moment, dass Not nicht nur erfinderisch macht, sondern auch eine neue Form von Freiheit hervorbringen kann.
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