Gabriel Clemens‘ WM-Märchen endet im Halbfinale
Die deutsche Darts-Sensation endete am 2. Januar um 21.21 Uhr Ortszeit. Zwölf Tage hatte Gabriel Clemens bei der Darts-Weltmeisterschaft 2023 in London für Furore gesorgt, hatte vier Siege in Serie geholt und als erster Deutscher in einem Viertel- und Halbfinale Geschichte geschrieben. Michael Smith bedeutete für den 39 Jahre alten Saarländer am Abend vor dem Endspiel dann jedoch die Endstation.
24 Stunden nachdem Clemens den Waliser Gerwyn Price mit einem glatten 5:1 von der Spitze der Weltrangliste gestürzt hatte, unterlag er dem amtierenden Grand-Slam-Champion und WM-Finalisten von 2019 und 2022 2:6 nach Sätzen. Clemens traf 15 seiner 33 Versuche auf den Doppelfeldern und stand am Ende bei 96,89 Punkten im Average. Sein Gegner kam auf 101,85 Punkte im Durchschnitt. Wie eng und spannend es tatsächlich zuging, verdeutlicht eine andere Statistik. Sechs der acht Sätze wurden erst im Decider entschieden.
Smith, der in der dritten Runde bereits Martin Schindler bezwungen hatte, trifft im Endspiel am 3. Januar um 21. 15 Uhr (Sport1 und DAZN live) nun auf Superstar Michael van Gerwen aus den Niederlanden oder den Belgier Dimitri van den Bergh.
Die deutsche Fangemeinde bildete im Halbfinale wie schon an den Vortagen die zahlenmäßig zweitgrößte Fraktion im Alexandra Palace, und was die Lautstärke betraf, waren die Verhältnisse mindestens ausgeglichen. Mit 600 Anhängern waren es offiziell zwar ein Drittel weniger als am Vorabend, doch die Pfiffe, die Smith beim Walk-on auf die Bühne begleiteten, waren unüberhörbar. Ein Engländer, ausgebuht in der Hauptstadt London. Nicht fair, aber Teil der Folklore und in der Ausprägung in jedem Fall überraschend.
Ähnlich intensiv begann das Match, in dem die beiden Pfeilewerfer gleich zu Beginn ein Feuerwerk abbrannten. Erst Smith und dann auch Clemens spielten jeweils sechs perfekte Darts im ersten Satz, der im Decider entschieden wurde. Smith stand nach vier Legs bei 115,36 Punkten, Clemens bei 104,4. Ein Blitzstart, der mit einem 106er-Highfinish Smiths zur 1:0-Pausenführung nur kurz unterbrochen wurde.
Smith holt das entscheidende Break zum 4:2
Der 32-Jährige machte mit zwei Elf-Dartern zum 2:0 in Satz zwei direkt weiter, hob seinen Average auf 117 Punkte und bot seinem Gegner kaum Chancen. Clemens aber blieb geduldig, haderte nicht und war da, als Smith beim Stand von 2:1 drei Set-Darts auf der Doppel-15 ausließ, und brachte anschließend seinen Anwurf durch, nachdem Smith erneut drei Darts zum Satzgewinn verfehlte: 1:1.
Die Geschichte dieses Matchs zeichnete sich früh ab: der „Bully Boy“ punktete besser, ließ nach verpassten Doppeln aber immer wieder Möglichkeiten zu. Die entscheidende Frage: Wie konsequent würde der Deutsche sie nutzen können?
Im dritten Satz gab es nur eine. Nach mehreren Smith-Fehlern auf den Doppeln erhielt „Gaga“ im Decider einen Set-Dart auf der Doppel-20, verpasste ihn aber knapp. Auf ein 144er-Checkout im dritten Durchgang ließ Smith in Satz vier mit 161 Punkten das nächste Highfinish folgen. Der Satz aber ging nach Deutschland. Clemens distanzierte seinen Gegner im Decider und glich zum 2:2 aus – alles in der Reihe.
Von Druck, sei es aufgrund der sportlichen Bedeutung, des Preisgelds von 200.000 Pfund im Finale oder dem gestiegenen Interesse in der Heimat, nichts zu spüren. Etwa vier Millionen Deutsche dürften seinen Coup gegen die Nummer eins der Welt im Viertelfinale live verfolgt haben, allein im linearen Fernsehen schalteten bei Sport1 in der Spitze 2,67 Millionen Zuschauer ein. Diesmal dürften es noch einmal deutlich mehr gewesen sein, und sie sahen mit an, wie Smith sich seinen Anwurfsatz anschließend mit 3:0 holte – der erste, der nicht über den Decider ging. Der Average des Engländers pendelte sich bei 103,34 ein, sechs Punkte besser als die deutsche Nummer eins.
Clemens aber blieb unbeirrt, geduldig und beharrlich. Auch Smiths nächstes, sein mittlerweile fünftes, Highfinish (101) konnte ihn nicht beeindrucken. Im nunmehr fünften Decider des Matches passierte es kurz darauf dann aber doch. Der „Bully Boy“ checkte 83 Punkte über das Bullseye: 4:2 für den Engländer, der das Break in seinem folgenden Anwurfsatz mit dem 5:2 bestätigte, natürlich im Decider.
Die Vorentscheidung, wie auch Clemens schon beim Gang in die letzte Pause geahnt haben dürfte. Smith zog anschließend durch, schaffte noch einmal ein Break und verwandelte seinen ersten Matchdart. Das deutsche WM-Märchen endete auf der Doppel-20.
Darts-WM, Halbfinale
Gabriel Clemens (D/25) – Michael Smith (ENG/4) 2:6 (2:3; 3:2; 2:3; 3:2; 0:3; 2:3; 2:3; 1:3)
Michael van Gerwen (NED/3) – Dimitri van den Bergh (BEL/15)
Darts-WM, Endspiel, 3. Januar
ab 21.15 Uhr:
Michael Smith (ENG/4) – Michael van Gerwen (NED/3)/Dimitri van den Bergh (BEL/15)
Source: welt.de