Galerist Hans Mayer gestorben: Immer im Beat zeitgenössischer Kunst

Die Laufbahn dieses Galeristen war anfangs ebenso unvorhersehbar wie später seine Künstlerliste: stets intuitiv, vehement, manchmal wohl auch für ihn selbst überraschend. In einem flirrenden Stakkato reihten sich Maler, Performer, Tänzer, Videokünstler vom Living Theatre bis zur Pop-Art aneinander, entfachten einen treibenden Beat zeitgenössischer Kunst, deren Händler das visuelle Ereignis von Bildern, aber auch das Event der Vernissage mit Aplomb zu feiern wusste. Zugleich packte er in jungen Jahren tatkräftig zu, wenn er im VW-Bus als fliegender Händler durchs Land zog, um die von ihm propagierte Kunst bei Sammlern zu plazieren.
Geboren 1940 in Ulm und von der Lehre eines Max Bill an der Hochschule für Gestaltung inspiriert, hatte Hans Frieder Mayer in seiner Heimatstadt eine Ausbildung als Industriekaufmann abgeschlossen und verkaufte dann in Dortmund höchst erfolgreich Designermöbel, als ihm eine Karriere im Kunstmarkt selbst noch gar nicht vor Augen stand. Es war der Kritiker Albert Schulze Vellinghausen, der dem Schwaben das Berufsbild Galerist ans Herz legte. Mayers Selbstbewusstsein bekundete sich schon damals darin, dass er 1965 seine „(op) art galerie“ gegen den Rat des Mentors, Sammlers und F.A.Z.-Autors in der süddeutschen Provinz, in einem ehemaligen Sarglager in Esslingen, eröffnete – und für sein Debüt den in den Vereinigten Staaten lebenden, ehemaligen Bauhaus-Lehrer Josef Albers gewinnen konnte. Der wartete seinerzeit, schon leicht angesäuert, auf Anerkennung in Deutschland, die sich nach der Esslinger Ausstellung alsbald einstellen sollte.
Über eine kurze Station im niederrheinischen Krefeld – wie Mönchengladbach früher mal ein Hotspot aktueller Kunst – startete Mayer 1971 zu einem imposanten Aufstieg in Düsseldorf durch. Am Grabbeplatz neben der Kunsthalle mischte er eine Galerienszene auf, die durch Alfred Schmela und Konrad Fischer programmatisch geprägt war, während er selbst, nach den Anfängen mit konstruktiver und konkreter Kunst, für Offenheit und Neugier stand. Einem Ritterschlag kam die Kooperation mit der renommierten Pariser Kollegin Denise René gleich, die sodann bis weit in die Achtzigerjahre währte.
Wo Warhol und Beuys einander trafen
Von immenser persönlicher Bedeutung war für Mayer seine enge Freundschaft mit Keith Haring wie auch die hohe Wertschätzung für Jean-Michel Basquiat – junge Künstler, in deren Werken Mayer die Zukunft sah und mit denen er eigentlich langfristig hatte zusammenarbeiten wollen, bevor sie kurz nacheinander starben. Sinnbildlich für die Galerie steht im Rückblick die erste Begegnung von Andy Warhol und Joseph Beuys 1979, die sich hier offenbar auf Anhieb etwas zu sagen hatten. Der Fotograf Peter Lindbergh hatte Mayer einst in Krefeld assistiert, der wiederum befeuerte später seine Laufbahn. Besonders eng verbunden war Mayer dem eigenwilligen zeichnerischen Werk von Robert Longo.
In die Annalen sind zudem aber auch die Konzerte von Kraftwerk, Steve Reich und The Who in der Galerie eingegangen, die Hans Mayer den Ruf eines Cross-over-Galeristen eingetragen haben. Tatsächlich beruhte auch auf Musik, Film, Mode sein Verständnis von Zeitgeist und Gegenwart. In der Nacht zu Neujahr ist Hans Mayer im Alter von 82 Jahren in Düsseldorf gestorben. Mit ihm verliert die Szene eine der Gründerfiguren des rheinischen Kunsthandels und der Art Cologne, einen Galeristen, der – im Sprachgebrauch einer früheren Generation – „progressiv“ dachte und dem der ständige Aufbruch als Haltung wichtiger war als programmatische Gewissheit.
Source: faz.net