Besuch von Ben-Gvir: Provokation am Tempelberg

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Stand: 03.01.2023 09:05 Uhr

Nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt sorgt Israels Polizeiminister Ben-Gvir für Spannungen: Der rechte Politiker besuchte den Tempelberg. Die islamistische Palästinenserorganisation Hamas hatte zuvor vor einen solchen Besuch gewarnt.

Itamar Ben-Gvir hat nicht lange gefackelt. Nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt hat Israels Minister für Nationale Sicherheit seine Ankündigung wahrgemacht und den Tempelberg in Jerusalem besucht. Die Nachrichten-Website Ynet veröffentlichte Fotos, auf denen zu sehen ist, wie der Minister unter hohen Sicherheitsvorkehrungen das Areal besichtigt.

Ben-Gvir schrieb nach dem Besuch bei Twitter: “Die israelische Regierung, deren Mitglied ich bin, wird sich einer Organisation schändlicher Mörder nicht unterordnen. Der Tempelberg steht allen offen und wenn die Hamas glaubt, ihre Drohungen könnten mich abschrecken, dann müssen sie verstehen, dass sich die Zeiten geändert haben.” Das palästinensische Außenministerium sprach von “einer beispiellosen Provokation und einer gefährlichen Eskalation des Konflikts”.

Juden dürfen dort nicht beten

Der Tempelberg ist im fragilen Zusammenleben von Israelis und Palästinensern der sensibelste Ort. Er ist für Juden, Muslimen und Christen gleichermaßen eine heilige Stätte. Ein Ort, der wie kein zweiter in Jerusalem überfrachtet ist mit religiöser und politischer Symbolik. Der Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung, während Israel für die Sicherheit zuständig ist.

Der geltende Status Quo gestattet Nichtmuslimen zwar den Besuch, das öffentliche Gebet auf dem Tempelberg ist aber einzig Muslimen vorbehalten. Dagegen gibt es jedoch immer wieder Verstöße. Ben-Gvir hatte diese Vereinbarung als “rassistisch” und Diskriminierung gegen Juden kritisiert. Die Palästinenser werfen Israel vor, es wolle seine Kontrolle der heiligen Stätte ausweiten.

Eine Mahnung aus Jordanien

Israels Oppositionschef und Ex-Ministerpräsident Jair Lapid hatte im Vorfeld gewarnt, dass ein Besuch Ben-Gvirs Gewalt auslösen werde. “Itamar Ben-Gvir darf nicht auf den Tempelberg gehen. Das ist eine Provokation, die zu Gewalt führen wird und Menschenleben kosten wird. Auch wenn Ministerpräsident Netanjahu schwach ist, muss er dieses Mal klar und deutlich sagen, dass er den Tempelberg nicht betreten darf. Andernfalls werden Menschen sterben.”

Auch Jordaniens König Abdullah schickte in einem CNN-Interview eine Mahnung an die neue israelische Regierung: “Wir haben rote Linien, und wenn jemand glaubt, diese roten Linien überschreiten zu müssen, beunruhigt uns das natürlich. Aber ich glaube, dass auch in Israel sich viele dessen bewusst sind. Es ist an der Zeit gemeinsam etwas aufzubauen, statt zu zerstören.”

Unterstützung vom Likud

Doch Itamar Ben-Gvir kümmerte dies wenig. Der Politiker von der rechtsextremen Ozma Jehudit war in der Vergangenheit wegen rassistischer Hetze und Unterstützung einer jüdischen Terrororganisation verurteilt worden. Er gilt als politischer Brandstifter, vor allem mit Blick auf die Palästinenser. Er ist Teil der neuen rechts-religiösen Regierung Benjamin Netanyahus, die am Donnerstag in Israel vereidigt worden war.

Er pocht darauf, dass künftig auch Juden auf dem Tempelberg Gebetsrechte erhalten und er provoziert. Dabei bekommt er auch vom Koalitionspartner Unterstützung. Likud-Politiker Avi Dichter, der ehemalige Chef des Inlandsgeheimdienstes und neue Landwirtschaftsminister, stärkte Ben-Gvir den Rücken.

“Wenn einem Israeli, ganz gleich ob es sich um einen Minister oder jemand anders handelt, das Betreten des Tempelbergs untersagt werden würde, wäre dies ein großer Fehler”, sagte Dichter. “Vor allem wenn dies als Reaktion auf eine Drohung der Hamas oder einer anderen Terrorgruppe geschehen würde.”

Terrororganisationen drohten

Vor dem Besuch hatte im Gazastreifen ein Sprecher der extremistischen Hamas erklärt, es könne zu einer Gewalteskalation kommen, sollte Ben-Gvir den Tempelberg besuchen. Ähnlich äußerte sich Daub Shihab, ein führendes Mitglied der Terrororganisation Islamischen Dschihad.

“Ich sage ganz klar: Dieses Problem wird die Situation zum Explodieren bringen. Und es kann einer langen Intifada Tür und Tor öffnen”, sagte er. “Wir müssen vorbereitet sein und rufen deshalb alle auf, die können, sich dem zu widersetzen.”

Dass die Drohung einer Intifada, also eines Volksaufstandes der Palästinenser gegen Israel, durchaus realistisch ist, zeigt ein Rückblick ins Jahr 2000. Damals marschierte der damalige Oppositionsführer Ariel Sharon auf den Tempelberg und löste die zweite Intifada aus. Mit Tausenden Toten über fünf Jahre.

Mit Informationen von Julio Segador, ARD-Studio Tel Aviv

Source: tagesschau.de