Warum das Demokratiefördergesetz eine gute Idee ist

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Als der erste Untersuchungsausschuss des Bundestags zur rechtsterroristischen Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ seine Abschlussempfehlungen vorstellte, hatten die Abgeordneten fraktionsübergreifende Forderungen erarbeitet. Schon 2013 wurde über Parteigrenzen hinweg „mit Nachdruck“ beschlossen, sich für eine „Neuordnung der Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus“ einzusetzen, „die für Verlässlichkeit sorgt und Planungssicherheit bietet“.

Eine nachhaltige Förderung von Programmen, mit denen etwa Rechtsextremismus oder Islamismus bekämpft werden soll, war dann auch Teil von Vereinbarungen in den Koalitionsverträgen der großen Koalition nach den Bundestagswahlen von 2013 und 2017. Doch wer sich mit der Arbeit solcher Initiativen beschäftigt, weiß: Um zivilgesellschaftliches Engagement für die Demokratie dauerhaft zu unterstützen, bedarf es einer bundesgesetzlichen Grundlage. Denn ohne eine solche Grundlage ist eine stetige Finanzierung und damit eine hinreichende Planungssicherheit für die Beteiligten nicht möglich.

Nun will die Ampel-Koalition ein Demokratiefördergesetz umsetzen. Das Kabinett hat im Dezember einen entsprechenden Entwurf beschlossen. Es sei „nicht die Aufgabe des Staates, die Köpfe der Bürger nach seiner Façon zu formen“, hieß es dazu bei WELT-Autorin Anna Schneider. Das Grundgesetz sei viel besser dazu geeignet, die Lebendigkeit der Demokratie zu fördern. Damit stellt meine Kollegin nicht nur das geplante Gesetz der Ampel infrage, sondern jegliche staatliche Förderung von Projekten der Extremismusprävention. Damit liegt sie falsch.

Lesen Sie hier Anna Schneiders Kommentar
WELT-Autorin Anna Schneider
Demokratiefördergesetz

Selbstverständlich muss darauf geachtet werden, dass diejenigen Vereine, die staatliche Förderung erhalten, die Ziele und Prinzipien des Grundgesetzes achten. Klare Richtlinien sollten dies sicherstellen. Bislang gelingt dies leider nicht immer. So erhielten etwa die Claim-Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit und der Zentralrat der Muslime in Deutschland in den vergangenen Jahren Hunderttausende Euro aus Geldern des Bundes, obwohl es in beiden Vereinen gewichtige Bezüge zu Gruppierungen des politischen Islam gibt.

Doch nicht jedes jemals vom Familien- oder Innenministerium geförderte Projekt soll durch das Demokratiefördergesetz verstetigt werden, sondern lediglich diejenigen, die sich bewährt haben. Und grundsätzlich ist es ein wichtiges Anliegen, zivilgesellschaftliches Engagement zu schützen und zu stärken.

Eine lebendige Demokratie braucht solches Engagement. Laut den Fallzahlen des Bundeskriminalamts gibt es in Deutschland jeden Tag über zehn politisch motivierte Gewalttaten. Die politischen Institutionen und ihre Vertreter sind demokratiefeindlichen Angriffen ausgesetzt. Rassismus, Antisemitismus, Frauen- und Schwulenfeindlichkeit sind keine Randphänomene, sondern in relevanten Teilen der Gesellschaft verbreitet. Hier ist Aufklärungsarbeit gefragt. Initiativen, die diese Arbeit leisten, sind auf öffentliche Förderung angewiesen.

Selbstverständlich ist es auch Aufgabe des Staates, extremistische und menschenverachtende Ansichten und Absichten zu bekämpfen, die verfassungsgemäße Ordnung zu schützen sowie politische Bildung, die Vermittlung freiheitlicher Werte und den Schutz vor Diskriminierung zu ermöglichen. Das Grundgesetz bietet sogar die Grundlage für eine staatliche Finanzierung der Demokratieförderung.

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Der Verfassungsrechtler Christoph Möllers argumentiert etwa, dass sich die Kompetenz des Bundes aus der Notwendigkeit der „öffentlichen Fürsorge“ nach Artikel 74 des Grundgesetzes ergibt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1967 umfasst die öffentliche Fürsorge auch „Veranstaltungen zur politischen Bildung, die der Jugend im besonderen klarmachen sollen, dass der Einzelne sich in der Demokratie nicht von der Gesellschaft absondern kann, sondern sie und ihre politische Form aktiv mitgestalten muss“. Mit einer Abkehr von der Gesellschaft gehe eine Schwächung der Demokratie einher.

Eine solche Abkehr zu verhindern, ist Ziel des Demokratiefördergesetzes. Laut Gesetzentwurf geht es um eine verlässliche Unterstützung entsprechender Projekte und eine „nachhaltige Absicherung der Fördermaßnahmen“. Die Realität sieht bislang nämlich anders aus. Initiativen befinden sich in ständigen Kreisläufen von befristeten Förderungen, die zu wiederkehrenden Anträgen führen. Viele Personalressourcen können so nicht für die eigentliche Umsetzung der Projekte genutzt werden. Die Folgen: prekäre Arbeitsbedingungen, eine fehlende Weiterentwicklung von erfolgreichen Methoden und ein ständiger Verlust von Fachwissen. Es ist gut und wichtig, dass sich daran künftig etwas ändern soll.

Mit den Terroranschlägen von Halle und Hanau, der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke sowie Tötungsdelikten durch bewaffnete Anhänger von Verschwörungsideologien haben allein seit 2019 insgesamt 17 Menschen in diesem Land durch rechtsextreme Gewalt ihr Leben verloren. Für den Rechtsstaat und insbesondere für diejenigen, denen in der rechtsextremen Ideologie das Existenzrecht abgesprochen wird, ist solche Gewalt eine dauerhafte Bedrohung.

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Viele Opfer von Attentaten sind durch lebenslange Verletzungsfolgen oder den Verlust ihrer wirtschaftlichen Existenz auf beständige Beratungsstrukturen angewiesen. Initiativen, die Betroffene solcher Gewalttaten unterstützen, brauchen daher eine dauerhafte Perspektive. Gleiches gilt für Projekte, die sich für den Schutz von Menschen- und Minderheitenrechten einsetzen sowie für Beratungsstellen, die sich auf Deradikalisierung spezialisiert haben oder bei einem angestrebten Ausstieg aus extremistischen Bewegungen helfen und im Sinne der Rückfallprävention dafür sorgen, dass ein solcher Ausstieg nicht mit gesellschaftlicher Isolation einhergeht.

Eine lebendige Demokratie wird zudem nicht erst durch Gewalttaten und Extremismus gefährdet. Auch wer Diskriminierung erlebt, fühlt sich häufig in seinem Zugehörigkeits- und Sicherheitsgefühl sowie in seinem Vertrauen in den Rechtsstaat beeinträchtigt. Wenn ein Demokratiefördergesetz Projekten gegen Diskriminierung eine langfristige Unterstützung gewährt, ist das auch ein Signal an die Betroffenen, dass sich der Staat solidarisch zeigt.

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Source: welt.de