Finanzen: Eine Bank erfindet sich neu – ohne Bargeld

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Ganz sicher war es eine kleine Revolution in der Bankenbranche, vielleicht aber auch nur der Startschuss für eine langfristige Entwicklung: Als die Raiffeisenbank Hochtaunus im Herbst ankündigte, alle ihre Filialen schließen und bis auf eine Ausnahme auch alle Geldautomaten abschaffen zu wollen, sorgte das für bundesweite Aufmerksamkeit.

Das ist nicht neu und war womöglich sogar gewollt, denn der Vorstandsvorsitzende Achim Brunner und sein Team sorgen immer mal wieder mit ungewöhnlichen Aktionen für Interesse. Dass sich eine Bank aber faktisch aus dem direkten Bargeldverkehr zurückzieht, war und ist bis heute trotzdem ein ungewöhnlicher Schritt.

Nur noch 800 Kunden in der Filiale

Für Brunner jedoch ist es nur die logische Weiterentwicklung einer Strategie, die das Unternehmen mit Sitz in Bad Homburg immer mehr zur Online-Bank macht. „Wir hatten nur noch rund 800 Kunden in unseren Filialen“, sagt Brunner: Messungen hatten ergeben, dass im Schnitt nur noch zwei Besucher pro Stunde in eine Filiale kamen. Der Betrieb einer Niederlassung pro Jahr verschlang jedoch einen sechsstelligen Betrag für Miete, Technik, Sicherheit und Personal.

Umgekehrt hat das Haus großen Zulauf von Kunden, die ihre Geschäfte nur online abwickeln wollen: Im vergangenen Jahr verdoppelte sich die Kundenzahl von 15.000 auf 30.000. „Banken müssen sich weiter entwickeln, wenn sie nicht verschwinden wollen“, sagt Brunner.

Sprengungen machen Betrieb von Geldautomaten teuer

52 Mal im Jahr dürfen Kunden mithilfe einer kostenfreien Mastercard gratis an jedem Geldautomaten der Welt Geld abheben. Die Gebühren, die die Raiffeisenbank dafür an andere Institute überweisen muss, sind offenbar geringer als die Kosten für den Unterhalt eigener Geldausgabe-Automaten, die zudem immer teurer werde, wie Brunner berichtet.

Schließlich bedingen die zahlreichen Sprengungen krimineller Banden erhöhte Sicherheitsmaßnahmen, sodass sich die Anschaffung und der Unterhalt der Automaten für die Bank nicht mehr rechneten. „Und wir sehen bei unseren Kunden auch keinen Bedarf mehr dafür.“

Hier zeigt allerdings Wirkung, dass sich die Bank schon länger auf ihre Online-Kunden fokussiert hat und ihnen in Zeiten, in denen nahezu alle Geldinstitute Gebühren auf Girokonten erhoben, noch ein kostenloses Modell anbot, während Filialkunden 30 Euro pro Monat aufbringen mussten. Kein Wunder also, dass die Summe dieser Nutzer zurückging, wogegen derzeit jeden Tag zwischen 80 und 100 Personen ein neues Konto bei dem Unternehmen eröffnen.

Effizientes Geschäftsmodell

Für Brunner sind diese Zahlen der Beleg dafür, dass es richtig gewesen ist, das Geschäftsmodell und mit ihm die ganze Bank seit 2008 umzubauen, wie er sagt. Im vergangenen Jahr stieg die Bilanzsumme dementsprechend gleich um mehr als ein Drittel auf 1,4 Milliarden Euro, das betreute Kundenvolumen stieg um 28 Prozent auf knapp 2,3 Milliarden Euro und das Kreditgeschäft um ein Viertel auf etwas mehr als eine Milliarde Euro.

Somit steigt das Betriebsergebnis nach Bewertung um 26,1 Prozent auf 15,3 Millionen Euro. Besonders fällt die Cost-Income-Ratio auf, die aufzeigt, wie viel ein Unternehmen investieren muss, um einen Euro zu verdienen; je höher das Verhältnis ist, umso geringer die Effizienz eines Hauses. Während Statistiken der Bundesbank zufolge dieser Wert im langfristigen Mittel bundesweit bei knapp unter 70 liegt, kommt die Raiffeisenbank Hochtaunus zuletzt auf 43,2.

Brunner glaubt, als Online-Bank stehe weiterem Wachstum seines Unternehmens nichts entgegen, allerdings gelte es, dieses Wachstum zu moderieren und den Betrieb entsprechend mit Personal auszustatten. zuletzt stieg die Zahl der Beschäftigten um acht auf 99.

Der Wachstumsmotor der Bank ist seit vielen Jahren die Spezialisierung auf die professionelle gewerbliche Immobilienfinanzierung. Zudem setzt man weiterhin auf öffentlichkeitswirksame Aktionen, zum Beispiel auf vergleichsweise attraktive Tagesgeldzinsen. Derzeit erhalten Neukunden vier Monate lang auf Tagesgeld einen Zinssatz von 2,1 Prozent bis zu einer Summe von 100.000 Euro. Danach wird das Geld variabel verzinst, derzeit mit 1,1 Prozent. Dieses Angebot gehört zu den besten für Neukunden bundesweit – und spült dem Unternehmen viele Kontakte in die Kundenkartei.

Davon sollen auch die Mitglieder profitieren, deren Zahl im vergangenen Jahr ebenfalls gewachsen ist, um 17,8 Prozent auf 8874. Aktuell plant die Bank eine Anhebung der Dividende von 2,5 auf 3 Prozent.

Source: faz.net