Ministeriums-Neubau: Finanzminister Lindner spart bei sich selbst
Politiker, die Wasser predigen, sehen schlecht aus mit dem Weinglas in der Hand. Insofern ist es nur konsequent, dass der Chefwasserprediger der Bundesregierung, Finanzminister Christian Lindner (FDP), nun auch seinem eigenen Haus Ernüchterndes zumutet: Er will den lange geplanten Erweiterungsbau des Finanzministeriums absagen. Die „Bild“-Zeitung zitierte ihn am Dienstag mit den Worten, angesichts hoher Staatsschulden überdenke er wünschenswerte, aber nicht notwendige Vorhaben. „Den geplanten Neubau des Finanzministeriums stelle ich daher infrage.“ Ein Sprecher des Ministeriums teilte mit, Lindner habe schon vorige Woche veranlasst, die bisherigen Planungen zu überprüfen. Die Deutung der „Bild“-Zeitung, Lindner verzichte somit auf seinen „Protz-Bau“, verbreitete dieser selbst auf Twitter.
Die Pläne für den Bau stammen allerdings nicht von Lindner, sondern noch aus der Zeit seines Vorgängers im Amt, des heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD). Die Idee war, in dem Neubau gegenüber dem Hauptsitz des Ministeriums Mitarbeiter unterzubringen, die bisher auf sechs andere Standorte verteilt sind. So sollten die „organisatorischen und fachlichen Abläufe“ optimiert werden, teilte das Ministerium damals mit. Außerdem waren neue, moderne Konferenzräume geplant, und es sollte Platz geschaffen werden für die Bundesfinanzakademie. Dazu sollten Wohneinheiten für deren Teilnehmer kommen, außerdem ein Konferenzzentrum und eine Kantine. Der Baubeginn war für 2025 geplant. Kostenpunkt: 322 Millionen Euro.
Aber wie es so ist mit Plänen: Oft kommt ihnen die Wirklichkeit in die Quere. So geht das Ministerium inzwischen von deutlich höheren Baukosten aus. 600 bis 800 Millionen Euro veranschlagt es. Die 35 Millionen, die bisher schon für die Planung angefallen sind, scheinen verschmerzbar angesichts dieser drohenden Mehrbelastung. Außerdem wird das Geld an anderer Stelle gebraucht. Die Regierung streitet seit Wochen über den Haushalt, jedes Ressort argumentiert so grundsätzlich, wie es geht: Geld für die Kinder, das Klima, den Kampf an der Seite der Ukraine. Dagegen erscheinen die Optimierung organisatorischer Abläufe und ein neuer Speisesaal eher randständig.
Lindner schlägt drei Fliegen mit einer Klappe
Dazu kommt, dass sich im Zuge der Corona-Pandemie die Arbeitsabläufe ohnehin verändert haben; viele Beamte haben Gefallen am Arbeiten von zu Hause aus gefunden, in den Fluren des Ministeriums zieren viele Bürotüren Schilder mit der Aufschrift „Homeoffice“. Lindner zufolge arbeiten im Finanzministerium 65 Prozent der Leute von zu Hause oder unterwegs. Das deckt sich mit der Kantinenquote dort: Wurden vor der Pandemie noch rund tausend Essen täglich ausgegeben, sind es jetzt noch etwa 450.
Mit seiner Entscheidung schlägt Lindner drei Fliegen mit einer Klappe. Erstens spart er Geld. Zweitens signalisiert er Pragmatismus. Denn im Zuge der Überprüfung der Baupläne lässt er dem Ministeriumssprecher zufolge auch prüfen, ob statt eines neuen Verwaltungsbaus nicht Wohnungen entstehen könnten. Die werden schließlich dringend gebraucht. Die Prüfung sei aufgenommen worden, aber noch nicht abgeschlossen. Drittens sendet Lindner ein Signal an Kanzler Scholz. Den will er dazu bewegen, auch den Neubau des Kanzleramts abzublasen. Das dürfte allerdings schwierig werden.
Denn der Erweiterungsbau der Regierungszentrale wurde schon vor sieben Jahren geplant. Erst im vorigen September wurde der zur Zeit von Kanzlerin Angela Merkel errechnete Mehrbedarf von 400 Büros bestätigt. Die Vorarbeiten haben begonnen, die Bagger fahren schon, vor allem aber: Es wurden bereits Bäume gefällt. Baubeginn soll noch in diesem Jahr sein.
Nimmt Lindner die Krise als Argument, keinen Neubau zu errichten, so gilt im Kanzleramt das gegenteilige Argument. „Die Realisierung des Erweiterungsbaus ist erforderlich, da die Notwendigkeit einer funktionalen Regierungszentrale gerade in Krisenzeiten besteht“, trug der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Montag dazu vor. Würde man das Projekt Kanzleramtsneubau stoppen, wären schon jetzt mehr als 100 Millionen Euro fällig. Büchner schloss: „Ein Stopp des Projekts oder eine Umplanung ist aus den genannten Gründen nicht vorgesehen.“
Source: faz.net