Jeder zweite Deutsche fürchtet, seinen Lebensstandard nicht halten zu können
Jeder zweite Deutsche fürchtet, seinen Lebensstandard nicht halten zu können
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Quelle: Getty Images/Justin Paget
Die gestiegenen Lebenshaltungskosten setzen die Mehrheit der Deutschen unter finanziellen Druck, wie eine neue Studie zeigt. Binnen weniger Monate haben sich die Geldsorgen noch deutlich vergrößert – für nicht wenige geht es sogar ans Eingemachte.
Deutschlands Verbraucher haben zunehmend Geldsorgen angesichts der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten. Das zeigt die aktuelle Befragung „Energiepreiskrise – reicht das Geld?“ von Creditreform Boniversum, einem der führenden Anbieter von Bonitätsauskünften über Privatpersonen hierzulande.
Knapp 40 Prozent der 1001 im März befragten Bundesbürger im Alter von 18 bis 79 Jahren geben an, finanziellen Stress zu verspüren, weitere gut 20 Prozent empfinden dieses Gefühl sogar häufig. Die Lageeinschätzung hat sich damit noch mal deutlich verschlechtert gegenüber der letzten Umfrage im Herbst 2022.
Zwar war der Stresslevel auch damals schon hoch: Gut 47 Prozent der Befragten hatten angegeben, dass ihnen die finanziellen Verbindlichkeiten wegen der gestiegenen Kosten für etwa Energie und Lebensmittel über den Kopf wachsen. Wenige Monate später aber liegt dieser Wert in Summe schon bei über 60 Prozent.
Kaum verwunderlich also, dass es mittlerweile zunehmend viele Haushalte mit Zahlungsauffälligkeiten gibt, wie die Umfrage zeigt. Das beginnt in den meisten Fällen erst mal mit Mahnungen, weil Rechnungen nicht pünktlich oder gar nicht bezahlt werden.
Immerhin 21 Prozent der Befragten zeigen aber schon nachhaltige Zahlungsstörungen und berichten von zum Beispiel geplatzten Lastschriften. Und bei 17 Prozent liegen bereits sogenannte harte Negativmerkmale vor.
Das bedeutet: Sie befinden sich in einem Inkasso- oder einem gerichtlichen Mahnverfahren. Und die Inflation in Deutschland ist weiterhin hoch, bei Lebensmitteln sind die Preise zuletzt sogar nochmals deutlich gestiegen.
Pessimistischer Blick auf die Zukunft
Entsprechend pessimistisch geben sich die Verbraucher für die kommende Zeit. Schon jeder Zweite befürchtet, in den nächsten zwölf Monaten bestimmte Kosten des eigenen Haushalts nicht mehr vollständig tragen zu können.
An erster Stelle nennen die Betroffenen ihre Strom- und Gasrechnungen, dicht gefolgt von Anschaffungen für Haus und/oder Wohnung sowie die Mietkosten. 55 Prozent der Bundesbürger gehen zudem davon aus, den eigenen Lebensstandard zukünftig herabsetzen zu müssen.
„Für nicht wenige geht es sogar ans Eingemachte“, fürchtet Michael Goy-Yun, der Geschäftsführer von Creditreform Boniversum. „Es drohen Zahlungsschwierigkeiten und Überschuldung.“
Betroffen sind aber nicht nur die Konsumenten. „Auf lange Sicht kann das auch gravierende Auswirkungen auf die finanzielle Lage von Unternehmen haben, wenn Verbraucher einerseits weniger konsumieren, weil ihnen weniger Budget zur Verfügung steht oder andererseits über das vorhandene Budget hinaus konsumieren und die Rechnungen nicht bezahlen“, sagt Goy-Yun. Mit Konsumzurückhaltung rechnet der Experte zunächst vor allem bei Restaurantbesuchen und bei der Urlaubsplanung.
Bislang ist das Insolvenzgeschehen noch weitgehend ruhig. Zwar steigt die Zahl der Pleitefirmen seit einigen Monaten wieder an, wie Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen. Im Februar gab es sogar ein Plus von gut 20 Prozent gegenüber den Vorjahresmonat.
„Im langjährigen Vergleich ist diese Entwicklung weiterhin aber nur eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens“, heißt es jedoch vom Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) mit Verweis auf umfangreiche staatliche Eingriffe bei den Insolvenzmeldepflichten und dazu Stützungsmaßnahmen während der Pandemie.
Drei Branchen besonders von Insolvenzen bedroht
Und tatsächlich liegt die Zahl der Fälle im Februar 2023 mit 1362 weiterhin unter dem Wert des Vor-Corona-Jahres 2019 als 1579 Unternehmen Insolvenz anmelden mussten. Einige Branchen indes haben derzeit alles andere als einen positiven Trend, weiß der VID-Vorsitzende Christoph Niering. „Verändertes Konsumverhalten, erhöhte Zinsen, hohe Inflationsraten und Fachkräftemangel belasten besonders den stationären Einzelhandel, die Baubranche, aber auch das Gesundheitswesen“, beschreibt der Insolvenzverwalter.
„Die aktuelle Insolvenz der Klingel-Gruppe zeigt, dass diese Faktoren zunehmend auch auf den Online-Handel durchschlagen“. Das traditionsreiche Unternehmen aus Pforzheim, das zu den größten Versandhändlern in Deutschland gehört, hatte jüngst einen Antrag zur Sanierung in Eigenverwaltung gestellt.
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