Bettina Rust: „Ich bin kein Beziehungstyp“

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Nach einem Tag mit Bettina Rust fallen einem plötzlich überall leere Verpackungen von Capri-Sonne auf. An Bushaltestellen liegen gelassen, zwischen Bankritzen gedrückt und in Fahrradkörben entsorgt. Die Podcasterin und Moderatorin hat es sich zum Hobby gemacht, den Saftmüll zu fotografieren. Die Motive gehen ihr nie aus in Berlin. Rahmen tut sie ihre Werke jedoch nicht. Stattdessen hängen an den Wänden ihrer Wohnung viele große Porträtbilder.

Es ist noch früh am Morgen, als Bettina Rust über ihre Capri-Sonne-Leidenschaft erzählt. Wir sitzen in ihrer Küche, in einer Altbauwohnung in Schöneberg. Rust macht Frühstück. Immer an ihrer Seite ihr noch junger Hund Yuki, den sie als eine Mischung aus Ziege und Bismarck bezeichnet.

Humorvolle Umschreibungen sind ein rhetorisches Hobby der Moderatorin. Das fällt vor allem beim Thema Essen auf, über das Rust viel und gern spricht. So beschreibt sie in ihrem Podcast etwa Kümmel als „grummeligen älteren Herrn“. Ihr Podcast heißt „Toast Hawaii“ und widmet sich den Erinnerungen ihrer Gäste an die Speisen ihres Lebens. Anke Engelke berichtete dort über eine ihrer veganen Phasen, auf die eine sehr intensive Wurstteller-Zeit folgte. Carolin Emcke regte sich darüber auf, dass von ihr eingeladene Gäste immer ihre Freundin als die Köchin von beiden vermuten. Und Schauspieler Henry Hübchen erzählte von massenweise Dosen-Ananas, die er sich als Kind von seiner Großmutter von West- nach Ost-Berlin schicken ließ.

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Für uns macht Rust erst mal Kaffee, der gerade so leicht nach Vanille schmeckt, dass es angenehm ist. Es gibt isländischen Skyr mit Müsliflocken, Blaubeeren und Orangen. Tasse und Teller heben sich farblich vom hellen Tisch ab. Das Esszimmer geht direkt ins Wohnzimmer über. Hier lässt sich das Licht dank dimmbarer Lampen der Atmosphäre anpassen. Auf einem Tisch stehen weiße Tulpen, im Regal eine Sammlung bauchiger Vasen. Man könnte sagen, dass die Wohnung zur Stimme der Moderatorin passt. Denn die ist so samtig-tief, dass man sich am liebsten damit zudecken würde. Was nicht wenige Menschen wohl auch tun. 61 Prozent der Podcasts werden abends und 21 Prozent in der Nacht gehört, verrät eine Studie.

Auf zwei Partys tanzen

Rust, die neben „Toast Hawaii“ inzwischen auch die bereits seit 2002 laufende Radiosendung „Hörbar Rust“ als Podcast aufnimmt, ist bereits seit den 90er-Jahren im Geschäft mit der Stimme. Das begann mit einem Volontariat beim OK Radio und ging weiter als Einsprecherin für Filme. Neben Stationen beim Fernsehen und als Autorin – auch mal für diese Zeitung – ist Rust dem Audioformat immer treu geblieben. Eine Treue, die sich gelohnt hat, denn der Podcast-Boom in Deutschland nimmt kein Ende. Im Gegenteil: Der Markt wächst und professionalisiert sich. 38 Prozent der Deutschen hören mindestens einmal im Monat Podcasts.

An dieser Erfolgsgeschichte habe die Moderatorin überrascht, dass sich das lineare Radio trotzdem halten konnte: „Ich freue mich ja, weil alle dachten, dass der Podcast das Radio auffressen wird. Aber nein, die stehen zueinander wie Geschwister, die wunderbar nebeneinander existieren. Manchmal schreien sie sich an und klauen sich die Klamotten, aber manchmal schmieren sie sich auch gegenseitig ein Brot. Die ,Hörbar‘ profitiert davon, zu den ersten Podcasts des Landes gehört zu haben und damit auf beiden Partys zu tanzen.“

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Das Bedürfnis an Audioformaten dürfte auch in ihrer Vielseitigkeit gründen. Podcasts passen einerseits in eine Leistungs- und Effizienzgesellschaft, die auf dem Weg zur Arbeit, beim Kochen und beim Zähneputzen noch was über Napoleon oder die Inflation lernen will. Andererseits bieten sie auch ein leises Berieseln, wenn man einfach nichts mehr machen, nichts mehr sehen, aber auch nicht nachdenken will. Einfach nur still sein und zuhören.

Gerade die jüngere Generation ist an Stille nicht mehr gewöhnt. Seit es Smartphones gibt, muss niemand, der das nicht will, Stille aushalten. Einer der erfolgreichsten Podcaster Deutschlands, der 34-jährige Tommi Schmitt, muss, sobald er zu Hause ist, irgendwas laufen lassen, weil er die Ruhe seiner Wohnung sonst nicht erträgt. Das erzählt er in einer Folge von „Gemischtes Hack“, das er zusammen mit dem Comedian Felix Lobrecht aufnimmt.

Rust plädiert fürs Aushalten

Bettina Rust selbst mag die Stille und plädiert dafür, sich mit ihr anzufreunden: „Ich rate jeder und jedem zu lernen, mit Stille klarzukommen. Das ist meiner Meinung nach ein guter Indikator dafür, ob man mit sich selbst im Reinen ist.“ Menschen, die mit Stille nicht klarkämen und sie sogar als Einsamkeit empfänden, sagt Rust, sollten lernen, diesen Zustand auszuhalten.

„Nicht immer gleich ablenken. Gedanken und Gefühle verändern sich, wir halten das schon aus, auch wenn es sich mal unangenehm anfühlt. Wer unruhig wird, weil er allein ist, sollte so lange überlegen, woher das kommt, bis er oder sie eine Idee hat.“ Sie rät, diese Übung zu trainieren: „Nicht im Sinne des Schneller-höher-Weiter, sondern im Sinne der Selbstakzeptanz. Zudem entsteht aus Stille mindestens genauso häufig etwas Schöpferisches wie aus dem Austausch mit anderen.“ Rust selbst hört privat allerdings nur selten Podcasts oder Radio. „Ich bin ganz froh, wenn da oben mal Ruhe ist im Karton. Lange währt die eh nicht. Ruhe empfinde ich, wenn ich auf Wasser schaue.“

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Wenn die Moderatorin doch mal Podcasts hört, dann wie jetzt beim Spazierengehen – wir sind mit Yuki im Tierpark. Wobei sie die Geräusche um sie herum, die Vögel, die Stimmen, eigentlich nicht missen möchte. Beim Erzählen unterbricht sich Rust immer wieder, um ihrem Hund hinterherzurufen, sich über einen Schmetterling zu freuen oder sich aufzuregen. So etwa über Absperrungen im Park, die den Spaziergängern, so Rust, gezielt die Trampelpfade ruinieren. Es ist einer dieser ersten Frühlingstage des Jahres, an denen man die Jacke zwar mitnimmt, aber dann nur im Arm trägt.

Bettina Rust in ihrem Podcaststudio mit Hündin Yuki

Bettina Rust in ihrem Podcaststudio mit Hündin Yuki

Quelle: © Gordon Welters

Rust folgt bei ihrem Spaziergang keiner festen Route. Ab und an grüßt sie andere Hundebesitzer, die sie zu kennen scheint. Wie ein Typ für Verabredungen zum Gassi-Gehen wirkt die Moderatorin allerdings nicht. Sie würde sich selbst trotz ihres kommunikativen Berufs auch nicht als gesellig beschreiben. „Ich bin oft die Erste, die von einer Party oder einem Essen abhaut. Man hat sich ein bisschen unterhalten, ein bisschen geguckt, vielleicht jemanden kennengelernt, und dann ist es auch gut, finde ich. Yuki komm mal her, nein!“

Eigentlich lieber allein

Die Moderatorin wohnt allein und ist früh selbstständig geworden. Noch bevor sie 16 Jahre alt war, ist sie von zu Hause ausgezogen. „Als ich sechs war, starb mein Vater. Ein Jahr später zog der neue Freund meiner Mutter ein.“ Das habe ihr große Schwierigkeiten bereitet. Sie habe immer genau abschätzen müssen, wie der neue Mann drauf war. Was sie sagen konnte und was nicht. Weiter ins Detail geht sie nicht.

Ihre Kindheit hat Rust in Hannover verbracht. Nach ihrem Auszug hat sie dann nicht weit von ihrer Mutter und ihrer Schule eine kleine Wohnung gefunden. „Ich habe viel gejobbt und viel gefeiert.“ Ob sie allein zu Hause viel Radio gehört oder ferngesehen hätte, daran kann sie sich nicht erinnern. Nur manchmal, wenn sie von ihren Gastro-Jobs spät nach Hause gekommen sei, habe sie noch Wiederholungen von amerikanischen Serien wie „Golden Girls“ gesehen.

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Rust hat in ihrem Leben eigentlich immer lieber allein gelebt. Temporär mal in WGs und dann mit ihrem damaligen Freund zusammengewohnt. Doch auf Dauer sei das nichts für sie. „Ich bin kein Beziehungstyp. Es ist mir zudem ein Rätsel, wie sich der Alltagskram mit wachsender Vertrautheit und intakter Erotik arrangieren soll.“ Den Sonntagsblues, dass man nicht wisse, was man allein machen solle, kenne sie zwar auch. Inzwischen würde sie Sonntage aber lieben. Vor allem wegen der Flohmärkte, auf denen sie gern Bilder kauft, am liebsten Porträts.

Diese Bilder, fast ausschließlich Gesichter von Männern, Frauen und Hunden, hängen und stehen überall in ihrer Wohnung. Auch in ihrem Podcast-Studio, das sie in ihr Zuhause integriert hat, schauen einen von allen Wänden Frauen an. Aber kalt ist es in dem abgedämpften und abgedunkelten Raum, der, ganz am Ende des Flures und hinter dem Waschmaschinenraum, so wirkt, als hätte die restliche Wohnung ihn ein bisschen beiseitegeräumt. Wenn Gäste kommen, heize sie, sagt Rust. Der Raum ist klein. Viel mehr als die zwei Stühle und das Mikrofon in der Mitte passt nicht rein. Das Zwiegespräch zwischen Moderatorin und Gast und zwischen Podcastern und Zuhörern ist intim. Direkt neben dem Aufnahmebereich hängt das größte Bild im Zimmer. Es ist kein Porträt, sondern eine Landschaft mit Blick aufs Meer.

Rust geht jetzt wieder in die Küche, um sich auf ihren nächsten Gast vorzubereiten. Der Schauspieler und Synchronsprecher Daniel Zillmann kommt für eine Folge „Toast Hawaii“ vorbei. Notizen über ihre Gäste lese sie sich vorher nicht noch mal durch. Dafür fängt die Moderatorin jetzt aber an, Käse und Oliven auf den Tisch zu stellen. Eine Aufbackbrezel habe sie auch noch im Gefrierfach. Bevor es mit der Arbeit losgeht, wird sie mit ihrem neuen Gast erst mal essen.

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