EZB hebt Leitzins auf Rekord-Hoch an: „Wir sind noch nicht fertig“
EZB hebt Zinsen auf Rekord-Hoch an – doch viele Sparer gehen weiter leer aus
![Der EZB-Tower in Frankfurt am Main](https://img.welt.de/img/wirtschaft/mobile245883810/8442506017-ci102l-w1024/ECB-building-at-blue-hour-Frankfurt-Main-Germany.jpg)
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Der EZB-Tower in Frankfurt am Main
Quelle: Getty Images
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen auf 4,0 Prozent erhöht. „Wir sind noch nicht fertig“, sagte Notenbank-Präsidentin Lagarde – und stellte weitere Anhebungen in Aussicht. Viele deutsche Sparer warten indes weiter auf eine Rückkehr der Tagesgeldzinsen.
Deutschland erlebt eine Zeitenwende bei den Preisen. Das bekommen Verbraucher bei jedem Gang in den Supermarkt zu spüren. Vollmilch etwa wird bereits wieder für unter einem Euro angeboten und ist damit 13 Prozent billiger als noch Anfang Juni. Käse kostet fünf Prozent weniger. Bei Gurken gab es mit minus 28 Prozent sogar einen regelrechten Preiscrash gegenüber dem Wert im Mai und selbst im Vorjahresvergleich kostet das Gemüse jetzt neun Prozent weniger.
Doch die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) trauen dem Preisverfall an der Ladenkasse offensichtlich noch nicht. Stattdessen hat die Notenbank die Leitzinsen im Euro-Raum nicht nur – wie es weithin erwartet wurde – erneut um einen Viertelprozentpunkt auf 4,0 Prozent erhöht. Vielmehr haben die Zentralbanker sogar noch weitere Anhebungen in Aussicht gestellt und ihre Inflationsprognose für die kommenden drei Jahre erhöht.
„Wir sind noch nicht fertig, wir haben noch viel zu tun“, kommentierte EZB-Präsidentin Lagarde den Ausblick der Notenbank. „Über eine Pause bei den Zinserhöhungen haben wir noch nicht einmal nachgedacht.“ Damit schlägt die EZB einen anderen Kurs ein als die US-Notenbank. Diese hatte nur einen Tag zuvor mit ihren Zinserhöhungen pausiert.
Der Einlagensatz der EZB liegt mittlerweile bei 3,5 Prozent. Das ist der höchste Stand seit dem Jahr 2001. Sollte die EZB ihre Ankündigung wahr machen, und den Satz Ende Juli ein weiteres Mal anheben, würde der Zins mit dem alten Höchststand von 3,75 Prozent aus den Jahren 2000/2001 gleichziehen.
Falls die Finanzmärkte recht behalten mit ihrer Prognose, wonach der Einlagensatz bis auf vier Prozent steigen wird, wäre sogar ein neuer Zinsrekord in der Währungsunion erreicht. Auch das bisherige Tempo der Erhöhungen ist beispiellos. Vor nicht einmal einem Jahr, im Juli 2022, lag der Einlagensatz mit Minus 0,5 Prozent noch im negativen Bereich und ist seitdem achtmal in Folge um insgesamt vier Prozentpunkte erhöht worden.
Quelle: Infografik WELT
Die Rückkehr des Zinses ist bei den Sparern in Deutschland allerdings noch nicht so richtig angekommen. Laut einer Analyse des Verbraucherportals Verivox zahlt jede vierte Bank noch gar keine Verzinsung für Einlagen auf Giro- oder Tagesgeldkonten. Vor allem Kunden von Sparkassen und Volksbanken gehen demnach bisher weitgehend leer aus.
„Dass ein Viertel aller Geldhäuser immer noch keine Tagesgeldzinsen zahlt, wirkt knapp ein Jahr nach der ersten Leitzinserhöhung wie aus der Zeit gefallen“, sagt Oliver Maier, Geschäftsführer von Verivox Finanzvergleich.
Quelle: Infografik WELT
„Die Banken selbst streichen längst wieder über drei Prozent Zinsen ein, wenn sie Spargelder bei der EZB parken. Da wäre es nur recht und billig, zumindest einen Teil dieser Erträge an die eigene Kundschaft weiterzugeben“, sagt Maier. Im Durchschnitt aller Banken und ihrer Tagesgeldangebote liegt die Verzinsung bei etwas über einem Prozent und fällt damit weiterhin mager aus.
Zum Vergleich: im Jahr 2001, als der Einlagensatz auf dem gleichen Niveau wie heute lag, bekamen Sparer im Schnitt weit mehr als doppelt so viel wie heute gutgeschrieben. Auffällig ist auch: Die Dispozinsen sind im Durchschnitt um 1,8 Prozentpunkte gestiegen und damit deutlich schneller als das bei den Habenzinsen der Fall ist. Das zeigt eine Analyse von Stiftung Warentest. Bei der teuersten Bank werden mittlerweile 16,4 Prozent aufgerufen.
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